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Antrag auf AfD-VerbotDie Zivilgesellschaft macht Druck

Am Tag, nachdem die AfD einem Antrag der Union zur Mehrheit verholfen hat, diskutiert das Parlament über ein Verbot der extrem rechten Partei.

Protestaktion vor der CDU- Zentrale in Berlin nach der „gemeinsamen“ Abstimmung mit der AfD im Bundestag am 29.01.2025 Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Während CDU-Chef Friedrich Merz an der Demontage der Brandmauer arbeitet, formieren sich außerhalb der Reichstagsmauern immer mehr Un­ter­stüt­ze­r*in­nen für die Beantragung eines AfD-Verbots. Der Bundestag soll dazu am Donnerstag beraten. Am Mittwoch unterschrieben 400 Ver­tre­te­r*in­nen der ostdeutschen Zivilgesellschaft in einem offenen Brief für die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens.

Man dürfe nicht weiter zulassen, „dass diese rechtsextreme Partei demokratische Institutionen aushöhlt und ein Klima der Angst schafft“, sagte Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung. Er und weitere Engagierte aus den ostdeutschen Bundesländern verweisen auf Bedrohungen von rechts und einem „kalkulierten Raubzug zum Abbau unserer demokratischer Prinzipien“.

Bereits am Montag hatte der Republikanische An­wäl­t*in­nen­ver­ein (RAV) bekannt gegeben, dass bereits 619 Ju­ris­t*in­nen ihren offenen Brief unterzeichnet hätten – darunter Richter*innen, Staatsanwälte, No­ta­r*in­nen und Rechtsanwäl*tinnen. „Wer jetzt noch lamentiert, es gäbe nicht genug Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD, die es in unseren Augen gibt, dem sage ich: Das zu prüfen, ist Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts“, so Angela Furmaniak vom RAV. Die Politik sollte den Weg dafür endlich freimachen.

Eine Gruppe um die Grünen-Politikerin Renate Künast hatte zuletzt noch ein weiteres Gutachten gefordert. Auch andere halten den Antrag für verfrüht oder angesichts der Zustimmungswerte der AfD für politisch unklug, um die AfD in ihrer Opferrolle nicht weiter zu bestärken.

„Schritt für Schritt“

Entsprechend hat der fraktionsübergreifende Antrag von 124 Bundestagsabgeordneten um den CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz (CDU), gemeinsam mit Abgeordneten aus SPD, Grünen und der Linken, bislang keine Mehrheit in Sicht. Die Debatte dazu steht am Donnerstag um 17.30 Uhr auf der Tagesordnung. Viele rechnen damit, dass der Antrag danach in die Ausschüsse versenkt wird.

Dabei könnte er in der letzten Sitzungswoche im Februar ins Plenum für einen Beschluss überwiesen werden. Das scheint aber unwahrscheinlich. Befürworter Wanderwitz sagte der taz dennoch: „Wir freuen uns, dass wir die Debatte führen. Wieder einen Schritt voran. Schritt für Schritt.“ Bemerkenswert: Seine Partei CDU setzt in dieser Woche erstmals für eine Mehrheit auf die Stimmen der AfD.

Angesichts dessen sagte ein weiterer Initiator, Till Steffen von den Grünen: „Gerade die aktuelle Debatte macht deutlich, warum der Verbotsantrag so wichtig ist: Extremisten vergiften den Diskurs und irgendwann verliert jemand wie Friedrich Merz die Nerven.“

Pakt mit rechts

Deswegen brauche es die Möglichkeit des Parteiverbots und nun die Prüfung der AfD: Es stehe in der Verfassung, weil die Machtergreifung der NSDAP gezeigt habe, dass die Demokratie mit den Mitteln der Demokratie abgeschafft werden könne. Hitler hätten 33 Prozent gereicht, um Reichskanzler zu werden, so Steffen.

Auch Martina Renner von der Linken klang nicht allzu optimistisch: „Wir gehen schneller auf österreichische Verhältnisse zu, als ich dachte. Ein Pakt der Union mit einer rechtsextremen Partei am Mittwoch und am Freitag bei den Abstimmungen wird erst der Auftakt sein, den Rechtsstaat beschädigen, die Demokratie gefährden und die Konservativen zerreißen.“

Sie werde alles daransetzen, eine Abstimmung im Bundestag zu ermöglichen. Und doch zeichne sich keine Mehrheit ab – obwohl in den letzten Wochen die Zahl der Un­ter­stüt­ze­r:in­nen im Parlament gewachsen sei.

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14 Kommentare

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  • Herr Rath hat es gestern bereits als aberwitzig bezeichnet, die zweitstärkste Partei verbieten zu wollen, solange sie nicht eindeutig gegen Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde agiert.

    Noch eines drauf gibt, wer den Anlass des Verbotes darin sieht, dass diese Partei einem Antrag zustimmt hat, den eine Partei aus dem demokratischen Spektrum gestellt hat.

    Manchmal habe ich den Eindruck, die liberale Demokratie wurde bereits abgeschafft.

    Hat nur noch nicht jede_r mitgekriegt.

  • Die Hintergründe warum wir wieder einen KackBraunHaufen als Partei haben, sind einfach aber sehr vielfältig. 1) über 99% der Täter von 1917 v 1945 u v. 1989 wurden nie aufgearbeitet. Alles Autoritäre ohne Skrupel. Die dann unsere Gesellschaft im Stillen u Dunkeln infizierten u. verseuchten wie Krebs.



    2) Wir haben/hatten ein riesiges Problem, auch in der Weimarer Republik, mit "legaler" Korruption. Wir haben keine echten, harten Anti-Korruptions-Gesetze. Mit scharfen Gefängniss-Strafen, in echten Gefängnissen gegen Parlamentarier, Lobbyisten, Reiche+Superreiche u hohe Staats - "Diener"!! Dies hat unsere Demokratie immer unglaubwürdiger gemacht. Weil zuviele unserer Parlamentarier permanent den SINN ihres DienstEides brechen mit Vorstandsposten u Deals (Extreme Interessen Konflikte). 3) Un-unterscheidende Zuwanderung von Menschen die Demokratie, Frauenrechte, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und vorallem Bildung Verachten.



    4. Gleichzeitig werden Flüchtlinge deren HERZENSWUNSCH ist mit Demokratie, Frauenrechte, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Bildung zu leben, nicht richtig unterstützt u ersaufen im Behörden Dschungel wg Flucht-Traumata.



    5) Permanentes RechtsAußenFischen v Merz+Söder

  • Passend dazu das Titelbild der 12. Jacobin-Ausgabe vom Frühling 2023: Merz in passender Gesellschaft

    jacobin.de/_next/i...de.jpg&w=1080&q=75

  • In Ruhe nach der Wahl - zumindest einige Landesverbände könnten dabei wohl vor Karlsruhes kritischem Auge trotz Kreidefressen nach außen nicht bestehen.



    Wer in unseren Brunnen der Wahrheit und der allgemeinen Menschenwürde vorsätzlich spucken will, muss das nicht als Partei tun dürfen. Wer die noch wählt oder unterstützt, weiß, was er tut. Und kann zugleich sein Handeln auch noch ändern.

  • Wenn das Parlament dazu nicht in der Lage ist, wäre es jetzt an der Zeit das die Rot-Grüne Bundesregierung die Initiative ergreift und den Verbotsantrag stellt.

    Die bisher genannten Vorbehalte im Falle eines Scheiterns in Karlsruhe sind mittlerweile ziemlich obsolet geworden. Um ihre Zustimmungwerte zu erhöhen reicht es der AfD aktuell schon aus, einzig den politischen Diskurs zu vergiften und dabei zuzuschauen, wie sich die anderen Parteien daran aufreiben.

    Eines wurde im Artikel richtigerweise explizit erwähnt und dieses Argument wird in der politischen Diskussion gerne ausgespart, nämlich das es zu den Aufgaben des BVerfG gehört die mögliche Verfassungsfeindlichkeit einer Partei zu prüfen und Grundlage hierfür ist nunmal der Anfangsverdacht gem. Beweislage und nicht die auf den Beweiswert basierenden Erfolgsaussichten auf ein Verbot. Die zu beurteilen ist nämlich Aufgabe des Gerichts nicht der Politik.

    • @Sam Spade:

      Völlig richtig, es sollte eine Top-Prio der Bundesregierung sein, leider ist Scholz dafür zu schlaff oder er nimmt die AfD fatalerweise immer noch nicht ernst genug, Miese-Laune-Partei eben.



      Der Antrag unterliegt politischer Opportunität, ist er erst einmal gestellt geht's um Jura, und da stehen die Chancen nicht schlecht für ein Verbot, zumal die AfD ja alles andere als kalndestin agiert. Und relevant genug ist sie ja mit über 20% im Bund (leider) auch, im Gegensatz zur NPD.

  • Merz glaubt wirklich das er die AFD, in verdeckten und zukünftig, Absprachen und später offenen Koalitionen nutzen und kontrollieren kann. Genauso wie damals die Idioten mit der NSDAP und Herrn Adolf Schicklgruber.

  • Ich warne vor Merz seit dem er Chef der CDU ist. Ich warne seit mindestens 3 Jahren, daß er unbedingt zur Macht will EGAL WIE.



    Genauso wie Stracke-Zimmerman FDP vor ihm gewarnt hat und ihn in d. Fassnacht Rede bloßgestellt hat.



    Merz + Söder sind Anteilsmäßig, d. Hauptverantwortlichen für die 2,5X



    Zunahme der AFD.

  • Müsste dann nicht auch gleich ein Antrag auf Verbot der CDU/CSU eingebracht werden? Der gestrige Antrag im Bundestag zur Migration hat doch diese gestellt?



    Und wie viele Gesetze und Verordnungen der Ampel wurden schon vom Verfassungsgericht verworfen, weil offensichtlich verfassungswidrig? Welche Bundestagspartei kann eigentlich von sich behaupten, noch nicht gegen die Verfassung verstoßen zu haben?

    • @Offebacher:

      Die FDP hat auch mitgestimmt.

      Das Verbot der FDP ist ebenfalls unabdingbar notwendig.

  • Es wäre schlicht und ergreifend der völlig falsche Zeitpunkt, gerade so, als hätte man die PDS/ Linke wegen ihrer kommunistischen Plattform verboten., als sie im Osten viele Stimmen holte. Besser könnte die Legitimität der Demokratie bei vielen Wählern nicht in Zweifel gezogen werden.

    • @vieldenker:

      Es geht meines Erachtens aber nicht darum, ob es ein taktisch kluger Zeitpunkt ist, sondern darum, dass die AfD offen rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich ist und die Demokratie bewusst unterhöhlt. Wenn sie die Kriterien für ein Verbotsverfahren erfüllt, sollte man es auch einleiten.

  • Ich denke, dieser Antrag auf ein Verbot und das daraus resultierende Gerichtsurteil würden für Klarheit sorgen. Bei den Wähler:innen ebenso wie bei den Politik:kolleginnen und Medienschaffenden.

    Dieses halbherzige hin und her lähmt meiner Meinung nach zu sehr und behindert vernünftige Entscheidungen im Bundestag.

  • "angesichts der Zustimmungswerte der AfD für politisch unklug, um die AfD in ihrer Opferrolle nicht weiter zu bestärken"



    Ist es Gaslighting? Oder Victimblaming?



    Oder sollte man auf derartige Neolangismen verzichten und sich einfach wundern, wieso man sich durch das Herumjammern von Menschenfeinden von richtigen Handlungen abhalten lassen sollte?