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Niedersachsens neues JagdgesetzJäger schießen gegen Tierschutz

Jagdhunde werden an lebenden Tieren trainiert. Das neue Niedersächsische Jagdgesetz soll das einschränken. Das will die Landesjägerschaft verhindern.

Bei der Hubertusjagd folgt die Meute der künstlichen Fährte: Beim Training will die Jägerschaft Hunde auf lebende Tiere hetzen Foto: Michael Matthey/dpa

Osnabrück taz | Wird ein Gesetz überarbeitet, führt das oft zu hitzigen Debatten. Auch beim Niedersächsischen Jagdgesetz, kurz NJagdG, ist das so. Für 2025 steht eine Novelle des Gesetzes an. Der Änderungsentwurf, an dem das Landwirtschaftsministerium arbeitet, solle „insbesondere Tierschutz-Aspekte bei der Jagdausübung in den Vordergrund stellen“, schreibt eine Ministeriumssprecherin der taz, „sowie ökologische, wildbiologische und ethische Kriterien stärker berücksichtigen“.

Seit Herbst 2024 hat das Landwirtschaftsministerium dazu mit der Landesjägerschaft Niedersachsen im Austausch gestanden. Doch jetzt schlägt Ministerin Miriam Staudte (Grüne) ausgerechnet aus deren Reihen massiver Widerstand entgegen. Für den 30. Januar hat die Landesjägerschaft eine Demonstration angekündigt, in der Landeshauptstadt Hannover, unter dem Motto „Jetzt geht’s ums Ganze – Jagd sichern, Natur bewahren!“. Treffpunkt ist: der Schützenplatz.

Die Novelle des Jagdgesetzes hat viele Facetten, darunter das Verbot von sogenannten Totschlagfallen. Besonders im Fokus steht die Ausbildung der Jagdhunde: Bisher werden sie an lebenden Wildtieren trainiert, im Saugatter an dort eingezäunten Wildschweinen, in Gewässern an temporär flugunfähig gemachten Enten und in Schliefenanlagen, also in künstlichen Fuchsbauten.

Die grüne Ministerin wolle „pauschal die Ausbildung von Jagdhunden am lebenden Wild verbieten“, behauptet die Landesjägerschaft auf ihrer Website im Aufruf zur Demo. Man könne den Eindruck gewinnen, „dass es um viel mehr als eine Änderung des Jagdgesetzes geht“. Einige Vertreter von Tierrechtsorganisationen hätten kein geringeres Ziel als die langfristige Abschaffung der Jagd. „Entweder teilt die Ministerin Miriam Staudte dieses Ziel oder sie lässt sich hier instrumentalisieren.“ Das sei „ideologisch“ begründet. Es brauche „ein Zeichen der Stärke“.

Landwirtschaftsministerium will Fuchsattrappen

Im Landwirtschaftsministerium ist man verwundert. Man weise „sehr deutlich“ darauf hin, schreibt eine Sprecherin, dass einige Aussagen der Landesjägerschaft zur Gesetzesnovelle „nicht korrekt sind“. Es sei kein pauschales Verbot der Ausbildung von Jagdhunden am lebenden Wild geplant. Die Ausbildung im Saugatter bleibe auch erlaubt. Allerdings, so die Ministeriumssprecherin, sehe man „bei der Ausbildung an der lebenden Ente Forschungsbedarf“. Und in Schliefenanlagen solle künftig „nur noch mit Fuchsattrappen“ gearbeitet werden.

Die bisherigen Methoden zur Ausbildung der Hunde seien „tierschutzkonforme Jagdausübung“, schreibt die Landesjägerschaft in ihrem Bericht über die Podiumsdiskussion „Zwischen Tierschutz, Ökologie und Tradition – das Jagdgesetz fit für die Zukunft machen“. Zu der Diskussion hatte die Landtagsfraktion der Grünen Ende 2024 eingeladen, Ministerin Miriam Staudte und Landesjägerschaft-Präsident und CDU-Landtagsabgeordneter Helmut Dammann-Tamke inklusive.

Peta kritisiert die Ausbildung der Jagdhunde

Peter Höffken von der Tierrechtsorganisation Peta Deutschland sieht das anders. Die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren bedeute „für die sensiblen Wildtiere großen Stress und permanente Todesangst“, schreibt er der taz auf Nachfrage. Dass das Hetzen von Tieren auf ein anderes Tier gemäß Tierschutzgesetz verboten sei, aber für die Jagd eine Ausnahme bestehe, sei „dem großen Einfluss der Jägerschaft geschuldet“, so Höffken. Zudem sei die Jagd auf diese Tiere „völlig unnötig“, die Wildbestände regulierten sich „von selbst“.

Ein Verbot der Ausbildung von Hunden an Füchsen in Schliefenanlagen „wäre ein Meilenstein für den Tierschutz bei der Jagd“, so Höffken. „Niedersachsen wäre das erste Bundesland, dass diese schlimmen Tierquälereien untersagt.“ Ein Verbot von Totschlagfallen sei in Niedersachsen „längst überfällig“.

Den Demo-Aufruf der Landesjägerschaft wertet Christian Schroeder, Sprecher für Tierschutz und Jagd der Fraktion der Grünen im niedersächsischen Landtag, als „Wahlkampf-Modus“ und „ein Stück weit unanständig“. Es könne kein Zufall sein, dass der CDU-Landtagsabgeordnete Dammann-Tamke „drei Wochen vor der Bundestagswahl zu einer Demonstration gegen Pläne der rot-grünen Landesregierung aufruft“.

Niedersachsen wäre das erste Bundesland, dass diese schlimmen Tierquälereien untersagt

Peter Höffken, Tierrechtsorganisation Peta Deutschland

Er verstehe „die plötzliche Schärfe der Debatte“ nicht, sagt Schroeder der taz. „Die Jägerschaft hat sogar am Referentenentwurf mitgeschrieben. Und jetzt steigt sie plötzlich aus? Ich denke, sie will keinen Kompromiss, weil sie sonst zugeben müsste, dass sie mit Rot-Grün einig ist.“

Der Nabu Niedersachsen begrüßt die Novelle. Ein modernes Jagdgesetz müsse sich „an wildökologischen und gesellschaftlichen Kriterien orientieren“, schreibt eine Sprecherin der taz. Das Gesetz sei „zu großen Teilen noch aus der Mitte des letzten Jahrhunderts“ und spiegele „weder das gesamtgesellschaftliche Ziel ‚mehr Tierschutz‘ noch den aktuellen Stand der Forschung“ genügend wider. Die Jagd bedürfe der Modernisierung.

Ein Jagdgesetz müsse sich am Tierschutzgesetz orientieren. In dessen § 1 steht: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Dabei könne, so der Nabu, die „waidgerechte Ausübung“ der Jagd als „vernünftiger Grund“ nicht ausreichend sein.

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1 Kommentar

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  • Eine der wenigen Brücken über ideologische Gräben, dachte ich, wäre die Tierliebe. In jedem Land der Welt gibt es Tierschützer, und die Verachtung, die Tierquälern entgegenschlägt, ist fast so groß wie bei Schwerverbrechern.

    Dachte ich