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Gestiegene RüstungsexporteWertegeleitete Rüstungspolitik

Cem-Odos Gueler
Kommentar von Cem-Odos Gueler

Die deutschen Rüstungsexporte sind so hoch wie selten zuvor. Das ist auch Ausdruck der Militarisierung der Gesellschaft.

Ankara, Türkei, 30. August 2024: Militärparade aus Anlass des „Tages des Sieges“ Foto: Tunahan Turhan/ZUMA Press/imago

Z um Antritt der Bundesregierung gab es hehre Ziele: Neben der wertegeleiteten Außenpolitik, mit der sich Annalena Baerbock den Menschenrechten verschrieben hatte, stand im Koalitionsvertrag der Wunsch der Ampelparteien nach einer restriktiven Rüstungspolitik. Dass die Bundesregierung die Ukraine im Kampf gegen den russischen Imperialismus militärisch unterstützt, ist richtig. Doch der Krieg hat den Nebeneffekt, dass in der Außenpolitik Fragen zu Rüstung dominieren – ein Ausdruck der vielfach beschriebenen Militarisierung der Gesellschaft.

Dass Deutschland Waffenlieferungen in Milliardenhöhe nicht nur an die Ukraine genehmigt hat, sondern in den Top 10 der Empfängerstaaten auch Algerien, die Türkei und Israel gelistet sind, ist der offensichtliche Ausdruck dieser Militarisierung. Hier werden Staaten hochgerüstet, die ihre vermeintliche Stärke ganz wesentlich aus ihrem militärischen Drohpotenzial ziehen. Immer weitere Waffenlieferungen an diese Länder machen die Welt zu einem unsicheren Ort.

Die Bundesregierung weist Anfragen nach ihrer Genehmigungspraxis für Rüstungslieferungen oft mit der Begründung ab, dass allgemeine Aussagen nicht möglich seien: Lieferungsanträge würden stets im Einzelfall geprüft und entschieden. Die Argumente, warum die Türkei trotz ihres Kampfs gegen die Kur­d*in­nen oder Israel trotz seiner Kriegsführung in Gaza militärisch unterstützt wird, sollen im Dunkeln bleiben.

Trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte die Bundesregierung die Chance, mit einer effektiven Rüstungskontrolle und einem neuen Transparenzgesetz eine ehrliche Debatte über Waffenlieferungen und deren Wert für deutsche Außenpolitik zu ermöglichen. So eine Diskussion hätte auch die Unterstützung der Ukraine breiter in der Gesellschaft verankern können. Diese Chance wurde vertan – und der gesellschaftliche Trend zur Militarisierung dürfte bei der kommenden Bundesregierung sogar für noch größere Intransparenz bei den Lieferungen sorgen.

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Cem-Odos Gueler
Parlamentsbüro
Berichtet seit 2023 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP und die Union. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Köln, Moskau und London.
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3 Kommentare

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  • Ich kann jetzt nicht sehen, wo die dt. Gesellschaft "militarisiert" würde. Solange Soldaten in Uniform auf der Straße angepöbelt und bespuckt werden, Wehrdienst als Zumutung denunziert wird und die Bundeswehr nicht mehr als unbedingt nötig bekommt, damit wenigstens die vorhandene Technik nicht auseinanderfällt, würde ich eher von Antimilitarismus sprechen.



    Was die Exporte betrifft, liegen dafür die Gründe offen und sind fast immer naheliegend bzw. berechtigt. Kein "Argument liegt im Dunkeln". Die Türkei, beileibe keine Demokratie, aber ein Verbündeter, ist Nato-Mitglied. Wäre sie das nicht, müsste man mit dem Schlimmsten rechnen, nämlich dass sie sich auf die Seite Russlands schlägt. Ein unsicherer Kantonist ist sie schon.



    Der Verbündete Israel bekommt Waffen, weil die einzige sichere Heimstatt für Juden weltweit und einzige Demokratie in der Region seit der Gründung 1948 um ihr Überleben kämpft. Ohne diese Waffenlieferungen würde die Welt vor allem für Juden zu einem noch "unsichereren Ort" als ohnehin schon.

  • "Wertegeleitete Rüstungspolitik"



    Ach so, wir haben die guten Waffen, weil ja immer nur wir im Recht sind. Die russischen und Nordkoreanischen Soldaten sind alles böse Menschen, sie zu töten ist ethisch korrekt und gut!?



    Erklären sie mir mal von welchen "Werten" sie da reden?



    Kann ich jetzt ohne Skrupel Rheinmetall-Aktien kaufen, die haben sich in 3 Jahren versiebenfacht, es ist ja ein "gerechter" und "Wertegeleiteter" Krieg?



    Dieser Krieg widert mich an. Dass deutsche Unternehmen sich daran gesund stoßen widert mich an. Dass die Parteien es zu Wahlkampfzwecken missbrauchen widert mich an. Dass für Schulen und Krankenhäuser kein Geld da ist, aber dutzende Milliarden für Krieg widert mich an.



    Scheinbar habe ich die falschen Werte, Friede ist kein Wert mehr. *Sarkasmus aus*

    • @Hans Dampf:

      Danke!