piwik no script img

Regierungsbildung in der SteiermarkFPÖ übernimmt die Macht

Der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek wird der zweite blaue Landeshauptmann Österreichs. Das Programm der FPÖ-ÖVP-Regierung setzt vor allem auf Verschärfungen für Zuwanderer.

Mario Kunasek (FPÖ) und seine Vize Manuela Khom (ÖVP) präsentieren am Dienstag in Graz die neue Landesregierung Foto: Erwin Scheriau/apa/dpa

Wien taz | Nach zweiwöchigen Koalitionsverhandlungen haben FPÖ und ÖVP in der Steiermark ihre neue Landesregierung präsentiert. Das Regierungsprogramm ist stark von der rechtsradikalen FPÖ geprägt, die die vorangegangene Landtagswahl mit knapp 35 Prozent deutlich gewonnen hatte. Der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek wird damit, nach Jörg Haider in Kärnten, der zweite blaue Landeshauptmann Österreichs.

Bisher wurde die Steiermark meist unter ÖVP-Führung regiert – zuletzt saß sie gemeinsam mit der SPÖ im Grazer Landhaus. Nach seiner verheerenden Niederlage – ein Absturz von fast zehn Prozentpunkten – wollte der bisherige Landeshauptmann Christopher Drexler vorerst ÖVP-Parteichef bleiben. Am Dienstag trat er aber überraschend zurück. Der einflussreiche Wirtschaftsbund hatte den innerparteilichen Druck erhöht.

Zuvor hatte Drexler die Schuld für seine Niederlage bei der Bundespartei und sogar beim Bundespräsidenten gesucht. Mit seiner Weigerung, die auch im Bund siegreiche FPÖ mit dem Regierungsbildungsauftrag zu betrauen, habe Präsident Alexander Van der Bellen den Blauen zusätzlichen Aufwind verschafft. Eigene Fehler sah Drexler hingegen nicht.

Seine Nachfolgerin an der steirischen ÖVP-Spitze ist Manuela Khom, bisher Präsidentin des steirischen Landtags. Sie erfuhr erst am Vorabend von ihrer neuen Rolle als Stellvertreterin des Landeshauptmanns. Auch der Regierungspartner FPÖ war vom Wechsel an der ÖVP-Spitze überrascht – schließlich hatte Drexler das neue Regierungsübereinkommen noch maßgeblich mitverhandelt. Die neue Landesregierung wird mit je vier Landesräten von FPÖ und ÖVP besetzt.

Verbot religiöser Kleidung

Das 133 Seiten starke Regierungsprogramm trägt den Titel „Starke Steiermark. Sichere Zukunft“. Vor allem in den Bereichen Migration und Integration ist die FPÖ-Handschrift deutlich erkennbar: Asylwerber in der Steiermark sollen künftig statt Bargeld eine Bezahlkarte erhalten. Zudem wird eine Dokumentationsstelle für politischen Islam eingerichtet – eine gleichlautende Stelle, bundesweit tätig, gibt es bereits in Wien. Für Aufsehen sorgt das angekündigte Verbot religiöser Kleidung im Landesdienst, das vor allem auf das Kopftuch abzielt.

Weitere zentrale Punkte sind eine Reform der Sozialhilfe mit einer Deckelung der Höchstsätze für kinderreiche Familien sowie der Verzicht auf Gender-Schreibweisen in der Landesverwaltung. Die Koalition will zudem Bürokratie abbauen, den Wirtschaftsstandort stärken und die Gemeinden als „Keimzellen des Lebens nach den Familien“ fördern. Die konstituierende Sitzung des Landtags findet am heutigen Mittwoch statt, die Vereidigung und erste Sitzung der neuen Landesregierung am Tag darauf.

Damit werden nun fünf von neun österreichischen Bundesländern – neben der Steiermark auch Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und seit kurzem Vorarlberg – von der FPÖ (mit)regiert. Der blaue Landeshauptmann verhilft auch der Bundes-FPÖ zu Rückenwind.

Kein Ende in Sicht

Und er sorgt für noch mehr Druck auf ÖVP, SPÖ und die liberalen Neos, die seit nunmehr zwei Monaten eine Dreierkoalition im Bund verhandeln. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die Verhandlungen würden über Weihnachten weitergeführt, hieß es von den drei Parteichefs.

Dem Vernehmen nach gibt es weiterhin große inhaltliche Unstimmigkeiten, vor allem im Bereich Budget und Steuern. Sollten die Verhandlungen platzen, könnte die ÖVP doch noch mit der FPÖ zusammengehen.

Ansonsten kommt es wohl zu einer Minderheitsregierung oder zu Neuwahlen. Beides wäre Neuland in Österreich, das jedenfalls rasch eine handlungsfähige neue Regierung braucht. Das Budgetdefizit ist deutlich größer als erwartet, weswegen gar ein EU-Defizitverfahren droht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!