: „Ich möchte ganz egoistisch einfach eine schöne Zukunft haben“
Wie geht’s 2025? Ein Gespräch mit vier Menschen, die im neuen Jahr 25 werden –über die Quarterlife-Crisis des Jahrhunderts, die Quarterlife-Crisis im Privaten und die Frage, ob Zukunft auch noch Spaß machen kann
Von Sophie Fichtner und Adefunmi Olanigan (Interview) und Paulina Eichhorn (Illustrationen)
2025 steht an. Ist das überhaupt ein Grund zu feiern, wenn doch klar ist, dass ein weiteres Jahr mit Werkschließungen, Frontverschiebungen und Jahrhundertfluten bevorsteht? Kira Geadeh, Niko Auerbach, Ragna Schirmacher und Deniz Akbulut haben im kommenden Jahr zumindest eine Sache zu feiern: Sie werden 25, genau wie das 21. Jahrhundert. Die vier kennen sich nicht, aber als sie zum Gespräch im taz-Gebäude in Berlin ankommen, sind alle sofort beim Du. Als auch Kira aus Paris auf dem Computerbildschirm erscheint, kann es losgehen.
taz: Deniz, Kira, Niko, Ragna, das Jahrhundert wird 25 und ihr auch. Was verbindet ihr mit diesem Alter?
Ragna: Ich habe zu meiner Mama, die voriges Wochenende zu Besuch war, gesagt: „Jetzt bin ich ja schon die Hälfte von 30.“ Da musste sie laut lachen. Natürlich bin ich nicht die Hälfte von 30, aber ich bin jetzt quasi näher an der 30 als an der 20.
taz: Stresst das?
Ragna: Nö, eigentlich nicht.
Niko: Aber man entfernt sich vom Jugendlichsein. Es fühlt sich ernster an als mit 18, 19, 20. Ich gehe auf das Ende meines Studiums zu und muss bald auf eigenen Beinen stehen.
Niko Auerbach ist gebürtiger Berliner, aber frisch nach Koblenz gezogen. Offiziell studiert er Wirtschaftsinformatik, aber die meiste Zeit der Woche verbringt er als Unternehmer. Er hat mit 22 Jahren gemeinsam mit zwei Freunden eine Agentur gegründet. Firmen bezahlen Niko und seine Kollegen dafür, in den sozialen Medien neue Mitarbeitende für sie anzuwerben.
taz: Der 25. Geburtstag ist zum Beispiel der, an dem das Kindergeld wegfällt.
Kira: Die 25 macht mir auch klar, wie lange ich schon Aktivismus mache. Nächsten Dezember bin ich einfach schon sieben Jahre bei Fridays for Future. Das ist viel mit 25.
Deniz: Den einzigen Unterschied, den ich merke, sind die ganzen Dinge, um die man sich selbst kümmern muss. Die Wohnung sauber machen, aufs Amt gehen, Steuern zahlen.
taz: Was würde euer 15-jähriges Ich sagen, wenn es jetzt auf euer Leben schaut? Alles gekommen wie geplant?
Deniz: Ich hätte nicht erwartet, dass ich eine Ausbildung bei Audi zum Mechatroniker mache und in der Gewerkschaft aktiv bin. Ich bin da voll reingerutscht, aber ich bin zufrieden.
Deniz Akbulut wollte schon immer was mit Autos machen. Also begann er während der Coronapandemie ein Studium der Fahrzeug- und Motorentechnik, brach es aber wegen der vielen Onlinekurse ab. Daraufhin machte er in seiner baden-württembergischen Heimatstadt Neckarsulm eine Ausbildung bei Audi. Heute ist er dort Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung.
Deniz: Ich dachte immer, ich studiere und werde Ingenieur, ganz normal.
Ragna: Krass, dass du sagst „normal“. Gibt es das überhaupt?
Kira: So wie Eltern und Großeltern es vielleicht erwarten.
taz: Kira, hast du dir vorgestellt, dass du mit 25 in Paris lebst, Aktivistin bist und Mutter?
Kira: Überhaupt nicht. Ich habe mit 15 vor allem Geige gespielt. Ich habe im Kinderchor gesungen und war in meinen Ferien im Landesjugendsinfonieorchester. Ich dachte, ich gehe an die Musikhochschule und studiere Geige oder Dirigieren. Und dann hat mich die Politik eingeholt.
Kira Geadah ist seit 2018 bei Fridays for Future aktiv, zuerst lokal in Frankfurt am Main, dann auf Bundesebene und hat die Bewegung in Deutschland so mit aufgebaut. Gerade lebt sie mit ihrem Freund und ihrem zweijährigen Kind in Paris, wo sie ihren Master in deutsch-französischem Recht macht.
Kira: Die vergangenen sechs Jahre, seit der zwölften Klasse, springe ich nur von einem Event, von einer Krise zur nächsten. Es gab immer etwas zu tun: eine neue Kampagne, eine Demo, schnelle Krisenkommunikation. Das hätte ich nie so vorhergesehen.
Ragna: Ich möchte für mein Leben keinen Plan haben, keinen roten Faden. Ich würde mir auch nie vorstellen, was ich mit 30 mache. Deswegen weiß ich nicht, was mein 15-jähriges Ich dachte.
Ragna Schirmacher lebt seit zweieinhalb Jahren in Berlin, weil ihr Göttingen nach ihrem Erasmus-Semester in Istanbul zu klein war. Sie hat Politikwissenschaften und Soziologie studiert und arbeitet bei Join Politics, einer Non-Profit-Organisation, die überparteilich politische Nachwuchstalente fördert.
taz: 25 Jahre, das ist das Alter für die Quarterlife-Crisis. Das Jahrhundert steckt definitiv in der Krise. Wie kommt das auch in eurem Alltag an?
Deniz: Ich merke das in meinem Arbeitsumfeld. Die ganze Automobilindustrie steckt in der Krise, da wurde viel verschlafen. Das kann einem schon Angst machen. Nachdem bei VW der Tarifvertrag gekündigt wurde, kamen Azubis zu mir, die wissen wollten, ob uns das auch droht. Viele haben die Sorge, dass sie nicht übernommen werden.
Kira: In unserer Generation ist das Gefühl sehr weit verbreitet, dass vieles nicht mehr sicher ist. Unsere Zukunft ist ungewiss. Wir wissen, dass wir es jetzt noch schön haben, aber in 20, 30, 40 Jahren? Außer bei der Klimakrise, da wissen wir, was passieren wird, wenn wir jetzt nicht sehr schnell handeln.
Ragna: An diesem krassen Mittwoch, wo morgens das Ergebnis der US-Wahl rauskam und abends die Regierungskoalition zerbrochen ist, wusste ich wirklich gar nicht mehr, wohin mit diesem Weltschmerz, mit dieser Wut. Ich war davon ein paar Tage lahmgelegt.
Kira: Gefühlt kollabiert jeden Tag ein neues Regierungssystem, es ist Krieg in Europa, es ist Krieg im Nahen Osten. Es ist ein Gefühl von Kontrollverlust, dadurch, dass dauernd etwas Neues passiert, worauf wir nicht genug eingehen können.
Niko: Internalisierst du diese externen Probleme?
Kira: Ich fange wegen der Klimakrise nicht an zu weinen. Bei mir ist es eher so, dass ich mir denke: Gott, warum tut da niemand etwas dagegen? Irgendwie muss es doch möglich sein, etwas dagegen zu tun, dass die AfD so viele Prozentpunkte bekommt. Ich will dann gleich etwas organisieren.
Niko: Also hast du da ein Verantwortungsgefühl.
Kira: Ich glaube, gerade so etwas wie die Klimakrise ist eine kollektive Aufgabe. Das wird irgendwann alle betreffen, egal, ob es einen interessiert oder nicht. Wir sehen es bereits an Fluten, die auch Leute treffen, die gar nicht an die Klimakrise glauben.
Niko: Klar, ich nehme schon auch wahr, was passiert. Aber offen gesprochen, bin ich in so einer privilegierten Position, dass ich im alltäglichen Leben extrem wenig Sorgen oder Nöte habe. Ich habe Essen, meiner Familie geht es gut. Ich habe viele Freunde, die Arbeit läuft – eigentlich alles perfekt. Mein Umfeld versuche ich mit meiner positiven Energie mitzuziehen und ihnen zu helfen, lösungsorientiert an ihre Probleme heranzugehen. Aber die Probleme im Außen, sind die meine Verantwortung? Ich gehe nicht auf die Straße, ich mach da gar nichts. Ich bewundere es, wenn Menschen wirklich im Außen etwas bewegen wollen. Aber dadurch, dass es mich innerlich nicht so berührt, kann ich damit wenig anfangen.
Kira: Warum interessieren dich die Krisen nicht?
Niko: Ich würde sagen, bisher war es einerseits Egoismus und ein bisschen Verdrängung. Ich versuche mich eher auf die Selbstverwirklichung zu konzentrieren.
taz: Was bedeutet das für dich?
Niko: Seit einem Jahr bin ich ja mit zwei Kollegen selbstständig. Wir machen Social-Media-Recruiting, Anzeigen bei Instagram und Facebook: Bewirb dich hier als Hausmeister oder Sekretärin! Wir drehen Videos, letzte Woche hatten wir zum Beispiel ein Shooting in einer Kita, für die wir jetzt Erzieher suchen. Das strahlen wir dann über sechs Monate aus.
Kira: Und dein Studium?
Niko: Ja, ich würde sagen, ich studiere so nebenher. Das Studium hilft einem dabei zu lernen, wie man lernt. Die Praxis habe ich mehr durch die Selbstständigkeit gelernt.
Ragna: Wolltest du schon immer selbstständig sein?
Niko: Meine Mutter war schon immer selbstständig. Sie hatte eine Firma für Reiseveranstaltungen, hat ein Tech-Start-up gegründet, jetzt ist sie Immobilienmaklerin auf Madeira. Sie war immer mein Vorbild. Ich habe verschiedene Erfahrungen als Werkstudent gemacht, immer in großen Unternehmen. Aber mir gefällt da die Dynamik nicht. Ich habe das Gefühl, ich kann da nicht so viel bewirken. Man ist ein kleines Zahnrad im großen System. Das hat mir nicht gefallen.
taz: Wenn ihr die Krisen dieser Zeit für einen Moment wegschieben wollt, was macht ihr dann?
Deniz: Wenn ich im Werk bin und die Autos auf Fehler kontrolliere, bekomme ich wenig mit, da kann ich abschalten.
Ragna: Manchmal versuche ich mich zu schützen, indem ich kein Social Media nutze. Mein Instagram-Feed ist total politisch.
Kira: Ich habe einen Jura-Master zu meistern. Also zwinge ich mich, mich an meinen Schreibtisch zu setzen, alle digitalen Geräte wegzulegen und mich einfach aufs Studium zu fokussieren. Aber es ist nicht ganz leicht, vor allem, wenn man weiß, dass im Hintergrund gerade die Welt brennt und Politiker:innen die Macht haben, Dinge infrage zu stellen, die wir hart erkämpften.
Niko: Ich lese meistens keine Nachrichten, das ist meine Abschottung.
Ragna: Machst du das schon länger so?
Niko: Während der Pandemie habe ich noch mehr gelesen. Aber wenn etwas passiert, dann erfahre ich das durch Freunde oder Familie. Vielleicht lese ich einmal die Woche ein paar Headlines. Das war’s aber auch und damit bin ich bisher gut gefahren. Ich bin so weniger gestresst.
Kira: Und du konsumierst auch keine Nachrichten auf Instagram oder in anderen sozialen Medien?
Niko: Nein. Wenn überhaupt noch in Podcasts. Aber da höre ich auch eher Folgen zum Weiterbilden, zur Selbst- oder Schlafoptimierung.
taz: Was machst du mit einem freien Sonntag, Niko?
Niko: Ganz klar, arbeiten, weil ich meine Arbeit mag.
lebt in Berlin. Sie hat Politikwissenschaften und Soziologie studiert und arbeitet bei Join Politics, einer Non-Profit-Organisation, die politische Nachwuchstalente fördert.
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2050 will ich … keine patriarchalen Strukturen mehr in dieser Welt spüren.
Ragna: Du arbeitest am Sonntag?
Niko: Ja. Für mich als Selbstständiger ist jeder Tag gleich, ich brauche nicht einen Tag explizit Auszeit davon. Ich kann das gut kombinieren, Arbeit und was für mich tun, also Selfcare wie Fitnessstudio und Sauna.
taz: Was würdet ihr sagen, wovor habt ihr gerade am meisten Angst?
Kira: Krieg und Klimakrise.
Ragna: Spaltung und Polarisierung.
Niko: Krieg.
Deniz: Kontrollverlust und fehlender Zusammenhalt.
taz: Niko, du hast gesagt, dass du kaum Nachrichten liest, wieso hast du dann so viel Angst vor Krieg?
Niko: Ich bin Halbrusse, meine Mutter kommt aus Moskau. Sie konsumiert viele unterschiedliche Nachrichten, auch russische Propaganda, wie sie sagt. Wenn ich mit ihr telefoniere, erzählt sie mir manchmal davon. Sie denkt, dass Trump den Krieg jetzt vielleicht schneller beenden kann und weniger Menschen sterben müssen. Aber Putins Unberechenbarkeit macht mir Sorgen. Das sind nur wilde Spekulationen, aber der wird auch älter und müde – was, wenn er dann doch auf den roten Knopf drückt und alles niederreißen will? Dann wäre man von heute auf morgen in einem Kriegsgebiet. Auch mit meinem einen Kumpel ist Krieg immer wieder Thema. Er ist Syrer und 2015 geflohen, ich habe ihn in schwierigen Zeiten unterstützt, bei der Wohnungssuche zum Beispiel. Wir haben uns gestern getroffen, er hat sich super gefreut, dass Assad jetzt weg ist – und ich mich mit ihm.
Kira: Mein Vater kommt aus dem Libanon und ich habe ein kleines Kind. Die Bilder und Nachrichten aus Gaza und dem Libanon lassen mich also nicht kalt.
taz: Deniz und Ragna, ihr habt beide die Sorge, dass sich unsere Gesellschaft weiter spaltet. Seit der Pandemie ist das ein großes Thema. Warum ist das eure Angst?
Deniz:Ich glaube, es wird viel zu wenig miteinander geredet. Viele leben in ihren Bubbles, Diskussionen finden nur dort statt und es fehlen die Schnittpunkte. Man hört einander nicht zu. Ich würde auch mit jemandem mit extrem rechten Ansichten, die ich gar nicht unterstütze, eine Diskussion führen.
Ragna: Ich habe Menschen, die rechte Ansichten vertreten, lange in eine Schublade gepackt: extreme Randgruppe. Aber je mehr ich mich damit beschäftige, merke ich: Solche Ansichten sind überall. Und deshalb dürfen wir keine Mauern hochziehen. Aber ganz ehrlich: Ich weiß nicht, wie ich mit einer Person sprechen könnte, die aus tiefster Überzeugung AfD wählt. Ich wäre überfordert.
taz: Wem sollten wir alle mehr zuhören?
Niko: Der jüngeren Generation.
Deniz: Lokalpolitikern.
Kira: Menschen wie dem Außenminister von Tuvalu, der zur Weltklimakonferenz eine Rede im Meer gehalten hat.
Ragna: Menschen in der zweiten und dritten Reihe.
taz: Kira, du hast als Aktivistin oft mit Menschen gesprochen, die ganz anderer Meinung waren als du. Bringt das etwas?
Kira: Kommt auf den Gesprächspartner an. Einerseits ist die Klimadebatte gerade ziemlich am Nullpunkt: Da kann sich jemand einfach in eine Talkshow setzen und das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 wieder in Frage stellen. Gleichzeitig fühlt sich nichts wichtiger an, als in die Diskussion zu gehen. Und etwas anzubieten. Gerechtere und schönere Orte. Stabilität. Miteinander. Am Ende ist nichts gefährlicher, als einfach gar nichts zu tun.
studiert Wirtschaftsinformatik in Koblenz und hat eine Agentur für Social Recruiting gegründet.
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2050 will ich … gesund, zufrieden und stolz zurückblicken, keine Möglichkeit ausgelassen haben, an erfüllenden Projekten arbeiten und mein Umfeld unterstützen.
taz: Wenn du sagst, die Debatte ist am Nullpunkt, wie motivierst du dich weiterzumachen?
Kira: Naja, was bleibt uns anderes übrig? Wir stehen gerade an einem Punkt, an dem sich sehr viel entscheidet. Viele Leute und fossile Konzerne versuchen am Status quo festzuhalten, während die Klimakrise vor unseren Augen immer weiter eskaliert. 2025 sind zehn Jahre Pariser Klimaabkommen! Damals hat sich die Weltgemeinschaft darauf geeinigt, die Erderwärmung auf eineinhalb Grad zu begrenzen. Gerade gehen wir aber auf die drei Grad Erwärmung zu, das kann ich nicht einfach so akzeptieren. Ich möchte ganz egoistisch einfach eine schöne Zukunft haben.
taz: Wir haben ziemlich viel über Stress und Krisen gesprochen. Aber wann habt ihr zuletzt gedacht: Geil, auf dieser Welt zu sein?
Niko: An meinem 24. Geburtstag im November. Ich war mit meinem Bruder und meiner Mutter auf Teneriffa. Wir waren gut essen, sind rumgefahren, haben die Sonne genossen. Da dachte ich: Perfekt, besser kann es nicht sein!
Kira: Am Freitag. Ich hatte drei Tage hintereinander drei Klausuren und war richtig fertig. Auf dem Weg nach Hause habe ich mir in der Metro einen Nachtzug gebucht, Paris-Berlin natürlich. Dann bin ich durchs sonnige Paris gelaufen, der Druck ist von mir abgefallen und ich dachte mir: Schon schön, so viel Zeit zu haben.
Ragna: Ich habe letzte Woche so richtig aufwendig gekocht. Mit Freund*innen habe ich ein schwedisches Themendinner gemacht. Ich stand über drei Stunden in der Küche, zwischendurch war ich voll verzweifelt. Ich dachte, wird alles nichts. Es gab vegane Köttbullar, selbstgemachtes Kartoffelpüree, Preiselbeeren. Richtig zum Reinlegen.
Deniz: Bei mir war das im Sommer. Da bin ich echt brutal spontan zum Gardasee gefahren.
taz: Abseits der großen Krisen, was stresst euch persönlich?
Deniz: Die Preise, würde ich sagen.
Niko: Stimmt, da habe ich mich letztens auch drüber aufgeregt. Ich war brunchen und habe Shakshuka gegessen. Ich habe 14 Euro gezahlt, aber es war so lieblos angerichtet. Ich bin ein Preis-Leistungs-Mensch, da habe ich mich echt mal aufgeregt.
Deniz: Es ist nicht so, dass ich mir gar nichts leisten kann. Aber ich muss schon zweimal draufschauen, wenn ich Klamotten kaufe oder auch im Supermarkt. Das ist dann schon stressig, wenn man weiß: Ich muss dies zahlen, ich muss jenes zahlen – soll ich mir das jetzt wirklich gönnen? Ich kann nicht einfach die Karte durchziehen.
taz: Die Preissteigerungen hängen ja wieder mit einer großen Krise zusammen.
Kira: Mich stresst das französische Unisystem gerade. Das hätte definitiv eine Reform nötig. Ich habe seit ungefähr zwei Monaten Klausurenphase und eigentlich jede Woche so zwei bis drei Prüfungen.
Ragna:Ich muss jetzt Vollzeit arbeiten und viel unter einen Hut bekommen. Es stresst mich manchmal, dass ich weniger Zeit für alles Schöne habe. Dating beispielsweise, das macht mir viel Spaß.
Kira:Sorry, wenn ich die Mutter raushängen lasse, aber habt ihr nicht um 18 Uhr Feierabend und dann noch sechs Stunden Zeit vorm Schlafengehen?
Ragna: Ja klar, aber manchmal habe ich dann gar nicht mehr die Energie und Lust, um 19 Uhr im Winter nochmal das Haus zu verlassen.
Deniz: Nach der Arbeit hat man oft gar keine Energie.
ist Klimaaktivistin und seit 2018 bei Fridays for Future. Sie studiert deutsch-französisches Recht in Paris.
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Hit des Jahres: „Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93“ von Dmitrij Schostakowitsch
2050 will ich … wissen, dass wir die Klimakrise in den Griff bekommen haben, und auf eine erfolgreiche Klimapolitik zurückblicken können.
Niko: Dadurch, dass ich selbstständig bin, verschwimmen die Tage total. Oft geht es mir so, dass plötzlich schon wieder Abend ist. Aber zum Thema Dating: Ich bin jetzt auch schon länger Single, und letztens habe ich mich gefragt, wie lernt man überhaupt noch Leute kennen? Nur noch online? Wo macht man das? Dann habe ich auch mal rumgetindert, aber das ist auch alles Schwachsinn. Das ist so oberflächlich.
Deniz: Ja, das ist brutalst oberflächlich. Aber Leute so kennenlernen ist auch voll schwer. Ich finde Dating voll stressig. Ich weiß nicht, ob es an unserer Generation liegt, aber da ist kein richtiges Commitment. Bei kleinen Dingen gibt man schon auf, weil man mal streitet oder keine Zeit hat.
Niko: Das ist auch so eine Sache, die mich im Hinterkopf stresst: Dann ist man nächstes Jahr 25, wird älter, du, Kira, hast schon ein Kind. Sollte man jetzt mal eine Beziehung haben?
taz: Ragna, dir macht Dating Spaß. Hau mal deine Tipps raus!
Ragna: Ich habe irgendwie immer gute Dates. Das heißt nicht, dass es immer eine lange Datingphase wird. Manchmal treffe ich eine Person auch nur ein-, zweimal, aber es ist nie langweilig oder komplett komisch.
Niko: Wo hast du die Leute kennengelernt?
Ragna: Ich hatte schon auch meine Dating-App-Phase, also viel Bumble und Hinge. Tinder hatte ich zum Beispiel nie. Aber mittlerweile nutze ich die Apps eigentlich nicht mehr, das Swipen hat mich dann schon auch genervt. Viel ergibt sich dann doch in meinem Umfeld, in Cafés, Bars oder bei Partys im Freundeskreis.
taz: Erinnerst du dich an ein schönes Date dieses Jahr?
Ragna: Ja, letztens war ich mit jemandem schwimmen und danach haben wir mit dem Entsafter einen tollen Saft gemacht. Es war echt mal was anderes, in der Schwimmhalle zu sein. Ich habe versucht, zu kraulen und dabei nur gespritzt, das hat gar nicht funktioniert, aber es hat voll Spaß gemacht.
Kira: Also ich kann euch auf jeden Fall sehr ans Herz legen, in die Klimabewegung zu gehen. Da gibt’s interessante Leute. Der nächste Klimastreik ist am Valentinstag!
taz: Niko, würde dich das auf die Straße bringen, ein Demo-Date?
Niko: Ja, vielleicht. Ich mag Dates mit Aktivitäten.
Ragna:Vorher könntet ihr noch ein paar Schilder zusammen basteln.
arbeitet als Mechatroniker beim Autohersteller Audi in seiner Heimatstadt Neckarsulm. Am dortigen Standort ist er der Vorsitzende der Jugend- und Auszubildenenvertretung.
Lieblingssnack: Twix White
Hit des Jahres: „Nach Hause komm’“ von Trettmann
2050 will ich … auf zwei Beinen fest im Leben stehen und viel von der Welt gesehen haben.
taz: Wir haben viel über die Krisen gesprochen. Was gibt euch Hoffnung, wenn ihr aufs nächste Jahr schaut?
Kira: Aktivismus ist für mich total wichtig. Er hat mich durch die Pandemie getragen und trägt mich auch jetzt. Es kommen Leute zusammen, die Lust haben, die Welt zu verändern, da entsteht Hoffnung. Wir bringen Leute auf die Straße und zeigen, wie viel möglich ist. 2025 wollen wir akut bei der Bundestagswahl sehr aktiv sein.
Ragna: Kannst du dir auch vorstellen, mal ein politisches Amt innezuhaben?
Kira: Ich sehe mich nicht mein ganzes Leben im Aktivismus, das ist zu kräftezehrend. Aber in einem politischen Amt auch nicht. Ich bin kein Parteimitglied, weil ich überzeugt bin, dass Parteien und das ganze politische System nur funktionieren, wenn auch Leute auf der Straße stehen, die von außen Druck machen.
Ragna: Ich sehe bei meiner Arbeit, wer doch noch spontan für den Bundestag antritt – neue progressive Kräfte. Das gibt mir Hoffnung. Ich darf nicht sagen wer, aber coole, junge Menschen, die noch voller Tatendrang sind. Die will ich in der sehr kurzen Zeit vor den Bundestagswahlen noch mal richtig unterstützen. Ich glaube, diese Personen könnten konkret im Ausschuss im Bundestag in ihrer Rolle etwas verändern. Das stimmt mich hoffnungsvoll.
Deniz: Mir geben die anderen jungen Leute bei uns im Betrieb Hoffnung. Viele suchen nach Lösungen, wollen die Herausforderungen der Autoindustrie anpacken. Es gibt ja dieses Klischee, dass unsere Generation faul ist, aber hier wollen viele die Zukunft mitgestalten.
Niko:Ich mag den Begriff Hoffnung gar nicht so sehr. Ich assoziiere das mit beten, hoffen, mal gucken und sich dabei zurücklehnen. Ich packe Sachen immer gerne selber an und versuche, Vorbild zu sein. Wenn ich sage, ich verwirkliche mich selber, ziehe ich meine Selbstständigkeit durch, dann kann ich dem Mittelstand helfen, vielleicht auch Leute einstellen und Arbeitsplätze schaffen. Ich versuche, andere Leute da mitzuziehen und zu motivieren.
taz: Was schenkt ihr euch selbst zum 25. Geburtstag?
Deniz: Eine Auszeit.
Kira: Entspannung.
Ragna: Eine große Party.
Niko: Ja, eine große Party!
Mitarbeit: Marco Fründt
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