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Solidarität mit Boualem Sansal

In Leipzig gab der PEN Deutschland Einblick in das Schaffen des inhaftierten algerischen Autors

Von Julia Hubernagel

Genau weiß man es immer noch nicht, auch über zwei Wochen nach der plötzlichen Verhaftung Boualem Sansals auf dem Flughafen in Algier, was der sich eigentlich hat zuschulden kommen lassen. Es war viel von verletzten Nationalgefühlen die Rede, die staatliche algerische Nachrichtenagentur bezeichnete den Schriftsteller als „Pseudointellektuellen“, der unterstützt würde von der ganzen „antialgerischen“, „prozionistischen“ Szene Frankreichs. Sansal, dem nun jahrelange Haft droht, kritisiert seit Jahren die Zustände in Algerien sowie die drohende Gefahr durch Islamismus.

Zum Vollzeitschriftsteller wurde der heute 75-Jährige dabei erst 2003. Damals führte das Erscheinen seines ersten Romans, „Der Schwur der Barbaren“, eines Politkrimis über Macht und Korruption, aus dem der schöne Satz „wenn’s am Bau stockt, läuft alles wie geschmiert“ stammt, zum Rauswurf des Ökonomen Sansals aus dem Staatsdienst. Bei einer Solidaritätsveranstaltung, zu der das PEN-Zentrum Deutschland spontan am Dienstagabend ins Literaturhaus Leipzig einlud, liest Carmen Laux aus diesem und anderen Romanen ­Sansals. Ebenfalls auf dem Podium sitzt seine Übersetzerin Regina Keil-Sagawe, die auch „Das Dorf des Deutschen“ übersetzt hat, in dem Sansal dem Holocaust in Nordafrika nachspürt. In „2084“ wendet sich der Schriftsteller wiederum der Zukunft zu und entwirft einen dystopischen Gottesstaat, „Abistan“, in dem Überwachung und Orwell’scher Neusprech das Denken des folgsamen Bürgers lenken.

Sansal, das wird deutlich anhand der literarisch bearbeiteten Themen und Komplexe, ist ein kritischer Geist und kein Freund von einfachen Antworten. Obwohl oft auf seine Islamismuskritik reduziert, sei er ein Autor, der die gesamte Integrität seines Landes in Zweifel ziehe, sagt der Schriftsteller Najem Wali. So nimmt er es in „Postlagernd: Algier“ mit dem Mythos auf, Algerien sei arabisch, erklärt der Literaturwissenschaftler Alfonso del Toro, dem „Märchen von Rasse, Religion oder Herkunft“, wie es im Buch heißt. Islamismus, Holocaust, auch mit Homosexualität hat sich Sansal beschäftigt, also kaum ein Tabu ausgelassen. Bis zuletzt hat er in Algerien gewohnt, obwohl seine Texte dort nicht erscheinen konnten.

Najem Wali glaubt, dass der Zeitpunkt für seine Verhaftung entscheidend war. Sansal habe mit seinen jüngsten Äußerungen zur Grenzziehung zwischen Algerien und Marokko den Streit zwischen Frankreich und Algerien weiter angeheizt, der aktuell über die Westsahara-Frage entbrannt ist, sagt er. ­Sansal, der neben der algerischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt, hatte zuletzt in Frankreich ausgerechnet dem als rechtsextrem geltenden Onlineformat Frontières ein Interview gegeben. Seine seit Jahren vorgetragene Kritik am Islamismus sei für die französische Rechte ein gefundenes Fressen, sagt Wali. Und auch Alfonso del Toro erzählt, dass Sansals Freunde immer wieder in ihn drangen, doch keinen Applaus von der falschen Seite zu akzeptieren.

Wali betont, dass es jetzt darum gehe, Sansal frei zu bekommen. Er verteidige das Recht auf freie Meinungsäußerung. Wali ist Vizepräsident des PEN-Zentrums Deutschland und setzt sich als Writers-in-Prison-Beauftragter für die Freilassung inhaftierter Schrift­stel­le­r:in­nen ein. Er nehme diese Aufgabe sehr ernst, sagt er. Was es bedeutet, in Gefangenschaft zu sein, weiß der aus dem Irak stammende Autor zudem aus eigener Erfahrung. Nachdem er vom irakischen Militärdienst desertierte, war er in Saddam Husseins Folterkellern interniert.

Boualem Sansal wurde einem größeren Publikum in Deutschland bekannt, als er 2011 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt. Es mehren sich auch hierzulande die Stimmen, die seine Freilassung fordern. Einen Aufruf dazu, aufgesetzt von der Geschäftsstelle des Friedenspreises und dem Online-Magazin Perlentaucher, haben zahlreiche Autor:innen, Frie­dens­preis­trä­ge­r:in­nen und vier Li­te­ra­tur­no­bel­preis­trä­ge­r:in­nen unterzeichnet.

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