Jusos treffen sich zum Bundeskongress: Widerwillige Wahlkämpfer:innen
Die Debatte um die Kanzlerkandidatur will die SPD-Führung hinter sich lassen. Doch auf ihrem Bundeskongress rechnen die Jusos noch mal mit der Parteispitze ab.
Er ist trotz zweifacher Einladung nicht gekommen: Olaf Scholz. Der Bundeskanzler, der am Montag auch offiziell zum Kanzlerkandidaten nominiert werden soll, war auf dem Juso-Bundeskongress am Wochenende trotzdem präsent. Man merkte, dass viele Teilnehmer:innen immer noch mit der quälenden Debatte und der Entscheidung haderten, die letztendlich Boris Pistorius am Donnerstagabend gefällt hatte, indem er sagte, er stehe nicht zur Verfügung.
Als eine „Shitshow“ hatte Juso-Bundesvorsitzender Philipp Türmer noch zum Kongressauftakt am Freitag die Debatte der letzten Tage bezeichnet. Mareike Engel, Landesvorsitzende der Jusos Sachsen, fühlte sich von der Parteispitze allein gelassen. In Sachsen fühlten die Menschen „Hass auf Olaf Scholz, Hass auf uns, Hass auf die Ampel.“ Während der Faschismus an die Tür klopfe, „hat die SPD Debatten geführt, wer Kanzler kann“. Und Sarah Mohamed aus Nordrhein-Westfalen bezeichnete die Debatte als „unwürdig“. „Sie hat viel Schaden angerichtet.“
Jan Knes-Wiersma aus Bonn wundert sich darüber, dass Scholz nicht selbst gekommen ist. „Der Juso-Bundeskongress ist die größte und wichtigste Veranstaltung, die es in diesem Jahr noch gibt. Es wäre gut gewesen, wenn Scholz gekommen wäre.“
Den geballten Unmut der Jungsozialisten:innen bekam letztlich die Parteivorsitzende Saskia Esken ab. Sie ist eigentlich nicht so stark in die strategische Wahlkampfplanung eingebunden wie ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil, hatte aber anders als er und Scholz den Mumm, sich einem „ehrlichen und kontroversen Austausch“ mit den Jusos zu stellen.
Esken gestand Fehler der „sogenannten Zukunftskoalition“ ein und machte auch Zugeständnisse an die Jusos: So brauche es etwa eine massive Reform der Schuldenbremse. Den lautesten, fast verhöhnenden, Applaus gab es für Esken dann trotzdem bei diesem Satz: „Nein, wir haben wirklich kein gutes Bild abgegeben bei der Nominierung unseres Kanzlerkandidaten.“
Inhalte statt Personaldebatte
Diese Debatte will man nun hinter sich lassen. Türmer forderte, es müsse nun um Inhalte gehen, und stellte die Migrations- und Sozialpolitik, Wohnen und Wirtschaft nach vorn. Andere Delegierte fordern eine „klare Umverteilungsagenda“ und eine „Abkehr vom menschenfeindlichen Kurs in der Migration.“
In ihrem Jugendwahlprogramm setzen sich die Juso für eine WG-Garantie ein, eine Art Mietendeckel für junge Leute. Niemand soll mehr als 400 Euro für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft zahlen müssen. Außerdem sprechen sie sich für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und für ein Grunderbe von 60.000 Euro aus. Für Investitionen in die Infrastruktur soll der Staat eine Billion Euro bereitstellen. Möglich sein, soll dies durch eine radikale Reform der Schuldenbremse.
Auf einen können sich alle einigen
Türmer benannte auch denjenigen, auf den sich in der SPD zumindest alle einigen können: Friedrich Merz. Und teilte ordentlich aus gegen den Kanzlerkandidaten der Union. Dieser verbreite laut Türmer vor allem Homofeindlichkeit und rassistische Fakewnews. „Angela Merkel hat ihn politisch entmachtet und sie wusste warum.“
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der im Gegensatz zu Scholz der Einladung der Jusos nachkam, zeigte sich verständnisvoll und äußerte ebenfalls Kritik an der Entscheidungsfindung um die Kanzlerkandidatur. Die Debatte in der Partei hätten ihn verärgert. „Wir tragen Verantwortung für die Menschen, da dürfen wir uns nicht mit uns selbst beschäftigen“, so Heil. Er versuchte zu deeskalieren und die Jungsozialist:innen auf den Winterwahlkampf einzuschwören: „Auch wenn einige von euch die Faust in der Tasche haben, nehmt diese Kraft, um jetzt in den Wahlkampf zu gehen.“
Das wird nicht leicht. „Wir kommen gerade aus einem Wahlkampf, die Leute sind eigentlich ausgelaugt“, berichtet Leonel Richy Andicene, Jusovorsitzender in Brandenburg. Und kam dann doch noch mal auf den abwesenden Kanzler zu sprechen: „Scholz muss jetzt liefern. Er muss Leidenschaft zeigen, damit Menschen für ihn auf die Straße zu gehen.“ Der Bundeskongress wäre eine gute Gelegenheit für Scholz gewesen, das unter Beweis zu stellen.
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