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Neuwahl in DeutschlandKleinparteien unter Druck

Nach dem Ampel-Bruch startet der vorgezogene Wahlkampf. Um formelle Hürden einzuhalten, beginnt für Kleinparteien ein Wettlauf gegen die Zeit.

Kleinparteien wie Volt fürchten um die kurze Zeit für Unterschriftensammlungen bei früher Wahl Foto: Dagmar Morath

BERLIN taz | Seit dem Bruch der Ampel-Koalition stehen Kleinparteien unter Druck. „Ein Termin im Januar würde eine erfolgreiche Unterschriftensammlung massiv in Frage stellen“, heißt es beispielsweise von der Ökologisch-demokratischen Partei (ÖDP). An dem Timing hängt vieles: Es gilt, Unterschriften zu sammeln und Kan­di­da­t:in­nen für die Liste zu gewinnen.

Kleinparteien, die derzeit nicht im Deutschen Bundestag oder einem Landtag vertreten sind, müssen Unterschriften von mindestens 0,1 Prozent der Landeswahlberechtigten sammeln, um eine Liste aufzustellen. Normalerweise haben sie dafür zwei Monate Zeit. Bei der letzten vorgezogenen Neuwahl 2005 wurden alle Fristen halbiert. Damit rechnen auch jetzt viele.

43 Kleinparteien haben an der letzten Bundestagswahl teilgenommen. Die neu gegründete Partei Sahra Wagenknechts (BSW) und die europäische Partei VOLT versprechen sich gute Chancen: „Die Listenaufstellung kriegen wir hin“, sagte ein Sprecher des BSW der taz. Man werde bei der Bundestagswahl allerdings nicht in allen Wahlkreisen mit Kan­di­da­t:in­nen für Direktmandate antreten: „Das wird nicht der Fall sein.“

Parteichefin Sahra Wagenknecht will so schnell wie möglich Neuwahlen. Ihre Partei stellt ein früher Wahltermin allerdings vor logistische Herausforderungen. Das BSW hat bisher erst zwölf Landesverbände gegründet, am kommenden Wochenende wird der Landesverband in Bayern gegründet. Für die verbliebenen Länder überlege man, die Gründung der Landesverbände gleich mit der Aufstellung der Listen für die Bundestagswahl zusammenzulegen. „Wir müssen da jetzt auf Sicht fahren“, so der BSW-Sprecher.

Tierschutzallianz kapituliert bereits

Die Volt-Politikerin Maral Koohestanian äußert sich optimistisch gegenüber der taz: „Da Volt schnell viele Menschen mobilisieren kann, wird die Unterschriftenlogistik keine große Hürde darstellen.“ Viele Parteien würden daran jedoch scheitern. Sie spricht von einer „Katastrophe für die Demokratie“, weil Stimmen durch einen Nichtantritt der anderen kleinen Parteien verloren gehen könnten.

Bei vielen anderen der insgesamt zwanzig Kleinparteien, die von der taz kontaktiert wurden, herrscht deshalb derzeit heller Aufruhr. Insbesondere für Parteien, die nicht wie das BSW in Landesparlamenten vertreten sind, ist die Teilnahme an der Bundestagswahl von Unterschriften abhängig. „Das aktuelle Chaos stellt uns als Kleinpartei vor unüberwindbare Hürden und sie sind einfach zu hoch für eine Partei, deren Arbeit nur von Ehrenamtlichen neben Beruf, kommunalem Mandat, Familie etc. gestemmt wird“, heißt es von der Tierschutzallianz. Die Bundestagswahl 2025 werde mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne sie stattfinden.

Die Einstellung darüber, wann die Neuwahlen stattfinden sollen, gehen auseinander: Während einige Parteien für einen Wahltermin im März plädieren, um genügend Unterschriften zu sammeln und ihre Parteimitglieder zu mobilisieren, wollen andere Parteien wie die Sozialistische Gleichheitspartei schnelle Neuwahlen. Sie fordert allerdings, dass die Voraussetzung des Sammelns der Unterschriften entfällt.

Neben dem Zeitdruck könnte ein weiterer Aspekt sein, dass der Wahlkampf mitten in die Weihnachtszeit fallen könnte. „Wir haben keine Mitarbeiter und keine Berufspolitiker in unseren Reihen, die Parteiarbeit findet in unserer Freizeit statt. Aber egal, was auf uns zukommt, es wird sportlich“, so die Gartenpartei auf Anfrage der taz.

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13 Kommentare

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  • Apropros Kleinparteien:

    Lindner habe bei einer Veranstaltung der Süddeutschen gesagt, Ziel der FDP werde, "zweistellig ins Parlament zu kommen, so dass die FDP Teil der nächsten Koalition sein kann und möglichst viel von dem Programm umsetzen kann."

    Lieber Herr Lindner: Es geht um die Ziffern links, nicht rechts vom Komma. Seien Sie mal froh, wenn Ihnen der Steuerzahler die Aufwendungen ersetzt. Andere bleiben mit ihrer Parteikasse auf den Kosten sitzen.

  • Wenn die Wahlliste zum Ankreuzen nur 8 Parteien drin hat, und darunter sind mit Glück die Linken dabei, kann ich nicht wählen.

    Schade um die Tierschutzpartei, die sind wenigstens halbwegs judenfreundlich gesinnt.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Es gibt aber auch Leute, und das sind nicht wenige, die beim Anblick eines "Badetuches" kapitulieren.

      Wenn dann die Sonstigen insgesamt zweistellig werden, dazu noch die, die zwar die Grenzen der Subsummierung und Wahlkampfkosten überschreiten, die fünf Prozent aber nicht, wird es mit der Nachvollziehbarkeit des Wahlergebnisses langsam eng. Und taktisches Wählen vernichtet, zwangsläufig, ehrliches Engagement in der breiten Masse. Auch Tierschutz ist, das zeigen die zahlreichen Skandale immer wieder, kein marginales Partikularinteresse.

      • @dtx:

        Es geht hier um mein Gewissen. Ich kann es nicht verraten. Nicht, bei diesen Abartigkeiten, die gerade auf der Welt passieren.

  • Ohne Kleinparteien - zumindest eine davon - wäre ich schon seit Jahrzehnten Nichtwähler.

  • Bei aller Sympathie, aber, mir ist es wichtiger, wir haben eine beschlussfähige Regierung, als die Probleme, die Parteien haben, deren Stimmen an der Parlamentsbildung eh nicht beteiligt sind.

    • @Altunddesillusioniert:

      Welche Sympathie kann das sein, wenn Sie mit Ihrer Auffassung die Demokratie und geltende Gesetze (PartG) unter den Teppich kehren möchten?

  • ja, das ist leider so, dass die kleinen Parteien in dieser Situation deutlich den Kürzeren ziehen. es ist aber auch viel Hysterie in der aktuellen Zeitdruckdiskussion drin.



    ich möchte mal das Grundgesetz loben, dass hier im Gegensatz zu den USA, wo bei einem nicht abgeschlossenen Haushalt Beamtengehälter nicht gezahlt werden, alles geordnet regelt.



    etwas Gelassenheit und Vertrauen, dass die Demokratie hier nicht sofort zusammenbricht, find ich gut und angebracht.

  • Es darf _nicht so aussehen, dass man kleine Parteien so einfacher auf Distanz halten möchte (und das schreibe ich ohne jede persönliche Sympathie für teils bizarre Ein-Themen-Parteien).

    Es darf auch _nicht so aussehen, dass eine Union ihre Zwischenpopularität nur mitnehmen will, bevor Wählers näher hinsehen, auf das alte Personal und das schräge Programm.

    Merz hat eigentlich die Option, rund ein Jahr lang zu arbeiten und das Handwerk zu lernen, indem er in eine Große Koalition eintritt. Die parlamentarische Mehrheit dafür ist gegeben. Dann soll er das auch tun, statt persönlicher Befindlichkeiten!

    • @Janix:

      "Merz hat eigentlich die Option, rund ein Jahr lang zu arbeiten und das Handwerk zu lernen, indem er in eine Große Koalition eintritt. Die parlamentarische Mehrheit dafür ist gegeben. Dann soll er das auch tun, statt persönlicher Befindlichkeiten!"

      Im Grunde korrekt. Die Formalitäten lesen sich zwar ein wenig anders, als ein "Eintreten", welches schlichtweg nur seine Entscheidung wäre. Ganz einfach, weil zwischen ihm und Scholz nicht nur die Chemie "nicht stimmt", sondern völlig fehlt und sich so der jüngst eskalierte Streit nur verstetigen würde, wenn auch zwischen anderen Personen. Man muß schon miteinander können, wenn Zusammenarbeit Ergebnisse bringen soll, die über bloßen Frust hinausgehen. Die zwei schienen es ja zuletzt kaum eine halbe Stunde miteinander ausgehalten zu haben.

      Folglich wäre zumindest ein Neubezug des Kanzleramtes unerläßlich. Selbst wenn Scholz das einsähe und zurückträte, an einer Wahl des Kanzlers käme man nicht vorbei. Ob nun nach Art. 63 GG oder nach Art. 67 GG, ist da egal.

      • @dtx:

        Merz schickt dann halt Linnemann ins Kabinett, der müsste auch üben. Ohne irgendwelche Neuwahl. Oder Merz reißt sich eben zusammen, was er ständig von anderen fordert.



        Brandt hatte damals sicher auch keine Lust, unter Kiesinger dem Land zu dienen, einem Ex-Nazi.

  • Da will die CDU doch gleich eigensinnig die Demokratie durch möglichst schnelle Wahlen etwas stutzen, und dann auch noch in Zusammenhang mit Weihnachten bringen. Man könnte über so eine Interpretation der "Demokratie" abkotzen.

    • @BierzeltLeitkultur:

      Das hat mit der CDU gar nichts zu tun. Bei Neuwahlen gibt das Grundgesetz den Fahrplan genau vor. Das ist wie sonst auch , man lernt nicht für die Schule, sondern fürs Leben. Wenn Parteien sich nur auf die Wahlen konzentrieren, und sonst nicht präsent sind, haben Sie verloren.