Konflikt zwischen Iran und Israel: War's das?
Israel bombardiert erstmals offen zahlreiche militärische Einrichtungen im Iran. Teheran steht nun vor einem bereits bekannten Dilemma.
![Raketen am Nachthimmel über Wohnhäusern Raketen am Nachthimmel über Wohnhäusern](https://taz.de/picture/7319123/14/489783989-1.jpeg)
Auf israelischer Seite verlautbarte der Armeesprecher Daniel Hagari am Morgen: Das Militär habe seine „Mission erfüllt“. Man habe Raketenfabriken und -abschussrampen sowie die iranische Luftabwehr getroffen. Hagari ließ zwischen den Zeilen Zurückhaltung durchblicken: Die Ziele seien „nach politischen Vorgaben ausgewählt“ worden, Israel könne weitere Ziele angreifen, wenn nötig. Die Botschaft: Israel sieht die Angelegenheit als abgeschlossen an.
Der Iran steht damit vor einem alten Dilemma. Einerseits will Teheran keinen offenen Krieg mit dem militärisch deutlich überlegenen Israel riskieren. Andererseits kann es den ersten offenen Großangriff auf sein Gebiet seit dem Golfkrieg kaum unbeantwortet lassen. Das Regime drohte seit Wochen mit Vergeltung im Falle eines israelischen Angriffs. Israel müsse mit einer „angemessenen Antwort“ rechnen, sagte ein anonymer Vertreter Teherans am Morgen der Nachrichtenagentur der iranischen Revolutionsgarden, Tasnim.
Bisher ist bekannt, dass gegen 2.30 Uhr in der Nacht auf Samstag rund 100 israelische Kampfflugzeuge etwa 20 Ziele an mehreren Orten des Landes angriffen. Der israelische Sender Kan berichtete von drei Angriffswellen. Explosionen wurden laut iranischen Medien aus Teheran sowie dem nahe gelegenen Karadsch und der Stadt Maschhad im Osten des Iran gemeldet.
Der Angriff war eine Reaktion auf den iranischen Raketenbeschuss Israels am 1. Oktober. Teheran hatte am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes Rosch Haschana rund 180 ballistische Raketen auf zwei Armeebasen und das Hauptquartier des Geheimdienstes Mossad gefeuert. Der Iran sprach seinerseits von einem Vergeltungsschlag für die Ermordung des Hamas-Anführers Ismail Hanijeh in Teheran im Juli. Viele der Raketen konnten abgefangen werden, Dutzende aber schlugen auf dem Luftwaffenstützpunkt Nevatim ein und bewiesen, dass Israels Luftabwehr keineswegs undurchdringlich ist.
Nun scheint sich die israelische Führung für einen eher begrenzten Rückschlag entschieden zu haben. Unter den Zielen waren nach allem, was bisher bekannt ist, weder Einrichtungen des iranischen Atomprogramms, noch Infrastruktur der iranischen Ölindustrie.
Ersten Anzeichen zufolge könnte die große Eskalation vorerst ausbleiben. So hatte Israel den Iran offenbar am Freitag vorgewarnt, berichtet die US-Nachrichtenseite Axios unter Berufung auf drei Quellen. Über mehrere Kanäle soll Teheran demnach unter anderem unterrichtet worden sein, „was Israel allgemein angreifen wird und was nicht“. Auch die Bemühungen der iranischen Führung, die Folgen des Angriffes kleinzureden, erinnern an deren Strategie Mitte April. Damals hatte Teheran einen israelischen Vergeltungsschlag am 19. April heruntergespielt und anschließend nicht direkt beantwortet.
Aus Washington hieß es, die USA sehen die „präzise und umfassende“ Operation als „Ende des gegenseitigen Beschusses zwischen Israel und dem Iran.“ Die iranischen Revolutionsgarden hatten vergangene Woche durchblicken lassen, dass sie einen „begrenzten“ israelischen Angriff ohne Opfer unbeantwortet lassen könnten. Am Samstagmorgen berichtete der Sender Sky-News Arabia, der Iran habe Israel über einen Vermittler informiert, dass er nicht zurückschlagen werde. Zuvor hatten Vertreter Israels und der USA gegenüber dem Nachrichtenportal Axios geäußert, sie würden eine begrenzte militärische Antwort erwarten.
Inmitten der gespannten Lage kann der kleinste Fehler zur Eskalation führen. Beide Seiten hatten sich zuletzt gegenseitig gewarnt, dass der Tod von Zivilisten schwere Konsequenzen haben würde. Im Falle eines regionalen Krieges zwischen Iran und Israel würden auch die USA kaum außen vor bleiben können. Verteidigungsminister Lloyd Austin erneuerte gegenüber seinem israelischen Amtskollegen Joav Galant noch am Morgen am Telefon das „eiserne Bekenntnis“ seines Landes zu Israels Sicherheit.
Zumindest auf diplomatischer Ebene könnte die Reaktion Saudi-Arabiens Teherans Dilemma erleichtern. Das Königreich verurteilte die Attacke scharf. Der frühere Gegner des Iran in der Region rückt damit weiter von Israel ab.
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