Menschenrechte in der Lieferkette: Ein Schritt vor, einer zurück
NGOs und Gewerkschaften werden an Beschwerdeverfahren des Lieferkettengesetzes beteiligt. Der Kanzler verspricht derweil: Das Gesetz „kommt weg“.
Die vier Organisationen haben vor fast einem Jahr Beschwerde beim Bafa eingelegt. Sie werfen den Supermarktketten Rewe und Edeka vor, gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zu verstoßen, weil sie Bananen von Plantagen verkaufen, auf denen Menschenrechte missachtet werden. Arbeiter*innen würden durch den Einsatz giftiger Pestizide krank, Gewerkschaften unterdrückt und unzureichende Löhne gezahlt, so die Beschwerde.
Das Bafa hat sie angenommen, so viel wissen die Organisationen. Danach sei das Verfahren für die Betroffenen „wie eine Blackbox“, erklärt Jorge Acosta, Generalkoordinator der ecuadorianischen Gewerkschaft für den Bananensektor (Astac), in der gemeinsamen Mitteilung. „Wir konnten nicht mitbestimmen, welche Maßnahmen zum Schutz unserer Rechte ergriffen werden – dabei kennen wir die Situation vor Ort am besten und sind direkt davon betroffen.“
Deswegen hat die Gewerkschaft bereits im Februar beim Bafa beantragt, als Beteiligte anerkannt zu werden und damit Akteneinsicht zu erhalten. Dem hat das Bafa nun zugestimmt. Diese Entscheidung sei richtungsweisend, erklärt Annabel Brüggemann der taz. Die Juristin begleitet beim Ecchr mehrere Beschwerden zum Lieferkettengesetz. Das Problem ist ein grundsätzliches. Ohne Transparenz haben die Beschwerdeführenden keine Möglichkeit, die Angaben von Unternehmen gegenüber dem Bafa zu überprüfen. Gab es ein Audit? Wurde mit Gewerkschaften oder Arbeiter*innen gesprochen? Hat das Unternehmen angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen? Welche? Wie bewertet das Bafa die ergriffenen Maßnahmen?
Bundesregierung will Lieferkettengesetz abschwächen
Brüggemann erhofft sich mit der Transparenz auch eine Stärkung der Betroffenen als Gesprächspartner im Verfahren. Gleichzeitig kritisiert sie, dass das Beschwerdeverfahren aufwendig für Betroffene ist und ohne Unterstützung besonders schwierig. Viele wüssten auch nicht, dass sie Akteneinsicht beantragen können. „Deshalb sollte das Bafa die Betroffenen aktiv über das Verfahren informieren“, sagt Brüggemann, „das wird mit der neuen EU-Richtlinie ohnehin Pflicht.“
Die Europäische Lieferkettenrichtlinie wurde im Mai beschlossen und muss bis Mitte 2026 in Deutschland umgesetzt werden. Die Bundesregierung nimmt sie nun zum Anlass, das deutsche Lieferkettengesetz abzuschwächen und auszusetzen, ganz im Sinne der großen Wirtschaftsverbände, die die Regeln als bürokratisch bezeichnen.
Am Dienstag behauptete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Veranstaltung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gar, das Gesetz „kommt weg“. Richtig ist, dass die deutsche Gesetzgebung angepasst werden muss an die europäischen Regeln. Das Bundesarbeitsministerium arbeitet gerade an einem Entwurf.
Neues Rechtsgutachten
Die Bundesregierung hat im Zuge der Haushaltsverhandlungen in der beschlossenen „Wachstumsinitiative“ Verwässerungen verkündet. Berichtspflichten wurden vorerst ausgesetzt. Außerdem sollen viel weniger Unternehmen verpflichtet werden. Die FDP hatte durch die Blockade der deutschen Zustimmung im EU-Rat auch erwirkt, dass die Regeln nur noch für Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten weltweit und 450 Millionen Euro Umsatz gelten.
„Damit werden in dieser Legislaturperiode nur noch rund ein Drittel und damit weniger als 1.000 Unternehmen der bisher unter das LkSG fallenden Unternehmen direkt erfasst“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken von Anfang Oktober.
Ein Rechtsgutachten im Auftrag der NGOs Germanwatch und Oxfam kam im Juli zu dem Schluss, dass eine Reduzierung der Anzahl deutscher Unternehmen bei der Anpassung des deutschen Gesetz an die EU Regeln, gegen europäisches Recht verstoße. Denn das gäbe vor, dass das bereits bestehende Schutzniveau nicht abgesenkt werden dürfe. Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums will das nicht kommentieren. Die Umsetzung der Richtlinie würde „europarechtskonform“ erfolgen.
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