piwik no script img

Kritik am UmweltbundesamtWaldlobby attackiert Öko-Behörde

Erst ging es um Emissionen von Holzheizungen, nun um vermeintliche Interessenkonflikte. Wie Kritiker den CO2-Rechner des Umweltbundesamts angreifen.

Gibt schöne Wärme, aber leider auch viel klimaschädliches Co2 ab: brennendes Holz Foto: Winfried Rothermel/imago

Berlin taz | Zu einem politischen Herbstfeuer entwickelt sich gerade ein wissenschaftlicher Dissens. Ausgehend von YouTube-Videos hat die Bundestagsfraktion der Union eine Anfrage an die Bundesregierung eingereicht. Die Kritiker greifen das Umweltbundesamt und einen seiner Mitarbeiter an.

Inhaltlich geht es um den Kohlendioxid-Rechner des Umweltbundesamtes, einer nachgeordneten Behörde des von den Grünen geführten Bundesumweltministeriums. Im CO₂-Rechner können Bür­ge­r:in­nen freiwillig unter anderem eingeben, wie sie wohnen, mobil sind, sich ernähren, und erfahren dann, wie viel klimaschädliches Kohlendioxid sie verursachen. Irgendwelche Verpflichtungen erwachsen daraus nicht.

Im vergangenen März hat das UBA eine kleine Veränderung der Berechnung des CO₂-Fußabdrucks der Privathaushalte vorgenommen. Die Kohlendioxid-Emissionen von Gebäudeheizungen, die Holz verbrennen, werden seitdem ausgewiesen. Vorher war das nicht der Fall. So muss man sich nun damit auseinandersetzen, dass 1 Tonne Buchenscheite oder Holzpellets etwa 1,7 Tonnen klimaschädliches CO₂verursacht.

Dafür wird das UBA von einigen Wissenschaftlern kritisiert. Ihr grundsätzliches Argument: Das Verbrennen von Holz sei klimaneutral, weil nur so viel CO₂ frei werde, wie der Baum während seines Wachstums gebunden habe. Darauf antwortet das UBA unter anderem: Wenn man das Holz nicht verbrenne, sondern damit beispielsweise Häuser baue, fielen die Emissionen geringer aus – das CO₂ bleibe länger gebunden. Der Ausweis des CO₂-Ausstoßes beim Verbrennen sei also nützlich, um verschiedene Nutzungen des „wertvollen Rohstoffs Holz“ gegeneinander abzuwägen.

Rechte greifen Kritik auf

Diese Fachdebatte hat inzwischen hochgedreht und dabei an Schärfe zugenommen. Stark beteiligt ist Andreas Schulte, ein emeritierter Professor für Forstökologie. In Videos auf der Internetseite YouTube zieht er gegen „staatlich verordnete Ideologie“ und „pandemischen Alarmismus“ zu Felde. Er „warnt vor dem CO₂-Rechner des UBA“. Die Behörde solle sich „mehr Mühe geben, wenn sie die Öffentlichkeit verarschen“ wolle. Schulte firmiert als geschäftsführender Gesellschafter der Silvavest GmbH, einem Beratungsunternehmen für Investitionen in Wald.

Seine Anregungen wurden unter anderem aufgenommen von der rechtslastigen Internetseite „Achse des Guten“, der AfD und der Union. Mittlerweile hat sich das Thema stark ausgeweitet. CDU und CSU zielen jetzt auf „Interessenkonflikte“ und den Verdacht persönlicher Bereicherung im Umkreis des CO₂-Rechners.

Denn das Umweltbundesamt hat nach eigenen Angaben eine private Firma, die gemeinnützige GmbH KlimAktiv „mit dem Betrieb des UBA-CO2-Rechners beauftragt“. Gegen Bezahlung durch das UBA läuft eine kleinere Variante des Programms auf dem Server von KlimAktiv. In einer weiteren Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein „3 fürs Klima“ wird dort zusätzlich eine größere Variante des Rechners angeboten, die langfristige Verhaltensänderungen von Privathaushalten abbilden soll. Michael Bilharz, Vorstandssprecher von „3 fürs Klima“, ist gleichzeitig beim Umweltbundesamt beschäftigt. Die Behörde schreibt: „Seit 2008 arbeitet er zu Fragen eines nachhaltigen Konsums. Er betreut als wissenschaftlicher Referent unter anderem den UBA-CO2-Rechner.“

Kein Geld für Kooperation

Diese Personalunion hat viele Fragen ausgelöst. Bilharz antwortet unter anderem so: „Als zuständiger Mitarbeiter“ des UBA „bin ich in Vergabeprozesse zum CO₂-Rechner involviert, ohne allerdings Entscheidungsbefugnis zu besitzen.“ Das Amt erklärt, der Verein werde für die Kooperation nicht bezahlt. Er erledige seine Arbeit für den Verein ehrenamtlich, fügt Bilharz hinzu.

Außerdem thematisiert die Union die Spenden, die der Verein erhält. Dieser sammelt auch Geld, um Klimaschutzprojekte zu fördern. Dient der im CO₂-Rechner ermittelte Fußabdruck also dazu, den Nut­ze­r:in­nen ein schlechtes Gewissen zu machen und das Spendenaufkommen hochzutreiben? Das will die Opposition wissen. Bilharz dazu: 2023 habe man im Zusammenhang mit dem Rechner 250 Euro an Spenden eingenommen – 1 Prozent des gesamten Spendenaufkommens, das im Wesentlichen die Mitglieder selbst generierten.

„Es liegt kein Interessenkonflikt vor“, fasst das Umweltamt zusammen, und die Kooperation mit „3 fürs Klima“ sei „sinnvoll“. Trotzdem haben die Angriffe Wirkung erzielt. Das UBA hat die Verlinkung von seiner Seite zum Verein inzwischen gelöscht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Schon seit der Absichtsverkündung des UBA, das Verfeuern von Holz nicht mehr als klimaneutral einzustufen, begann die Gegenkampagne. Deren Argumente kehren gebetsmühlenartig wieder und sind dennoch unhaltbar. Wahr ist: Beim Verfeuern wird innerhalb von Stunden freigesetzt, was beim Verrottungsprozess Jahre bis Jahrzehnte dauert (nebenbei dient Totholz als Lebensraum und zur Humusbildung). Dass nur "minderwertiges" Holz auf den Markt kommt, ist mehrfach widerlegt. Vieles kommt zudem aus illegalen Abholzungen. Und: Bei den zunehmenden Waldbränden, veränderten Klimabedingungen etc. ist fraglich, ob das mit dem Nachwachsen so klappen wird. Holz ist viel zu kostbar, um es für kurzlebige Produkte oder als Brennholz zu "verheizen". Am meisten würde es der Menschheit dienen, wenn man es leben ließe.

    • @Woodbine:

      Das ist ein Irrtum.



      Es kann nur neues Holz nachwachsen, wenn in einem alternden Wald Holz entnommen wird.



      Auch der Boden im Wald kann nur eine begrenzte Menge an Biomasse verkraften.

      • @Martin17:

        Sie sprechen von einer Plantage, die nach menschlichen Zeitbegriffen leben und sterben muss.



        Ich spreche von Wald. Dort wachsen junge Bäume langsam, beschleunigen den Wuchs erst, wenn das (alte) Blätterdach lichtdurchlässiger wird oder Nachbarbäume absterben.

  • Das verbrennen von Holz ist natürlich klimaneutral, da in Deutschland mehr Holz nachwächst als eingeschlagen wird.



    Es wird nur als Bauholz ungeeignet Holz und Abfallholz als Brennholz verkauft. Die Waldbesitzer wären ziemlich bescheuert, wenn sie gutes Holz als Brennholz verkaufen würden. Stammholz ist ca. 10 mal so teuer wie Brennholz. Aber auch die Einnahmen für das Brennholz werden dringend für den Umbau der Wälder gebraucht. Das aufforsten eines ha Waldes kostet ca. 30.000 €. Übrigens entsteht beim verfaulen des Holzes die gleiche Menge an CO2 wie beim verbrennen.



    Die EU sollte aber unbedingt die Einfuhr von Holz verbieten, um den Raubbau in den außereuropäischen Ländern zu vermindern.

  • "Das Verbrennen von Holz sei klimaneutral ..."

    Jaja, und die Sonne dreht sich um die Erdescheibe.

    Klimaneutral heisst ja wohl, dass pro Zeiteinhait nur soviel verbraucht wird, wie in der selben Zeit wieder nachwächst.

    Und jetzt erlären sie, liebe Wissenschaftler, mir mal wie das aufgeht wenn ich (im Jahresmittel!) pro Tag soviel Holz verheize wie in einem Jahr nachwächst.

    • @Bolzkopf:

      Zünden Sie etwa ganze Waldabschnitte an oder wie verheizen Sie das?

  • Ein Baum wächst in Jahrhunderten, wird gefällt mir schwerem Gerät und verbrennt in Stunden.



    Inwiefern ist das nachhaltig oder CO2-neutral?



    Wieso ändert ein rechtslastiges YouTube-Video die Beweislage?

  • Danke für diesen Artikel.



    Ich nutze den CO2 Rechner und begrüße dieses kostenlose und werbefreie Angebot.



    Politisch betrachtet, sollte dieser neue move DEN Grünen zu denken geben, die immer noch eine Zukunft in einer schwarz grünen Verbindung sehen.



    Die mag möglich sein, wenn inhaltliche Selbstaufgabe und reine Mehrheitsbeschafferpartei die Zukunft sein soll.



    Interessant ist die beschriebene Tatsache auch, angesichts der Tatsache, dass so Einige kommunardInnen ja immer noch behaupten, ein CO2 Fußabdruck sei nur Lobbyarbeit der Gegenseite.



    Klar, wir leben in einem freien Land, in dem man/frau auch glauben darf, dass Fliegen schön macht und Hautkrebs ein wirbelloser Küstenbewohner sei.



    Andere stellen sich mit der oben angegebenen Möglichkeit Ihrer individuellen Verantwortung, statt die Schuld stets bei Anderen zu suchen...

    • @Philippo1000:

      Was schwarz-grün angeht, bin ich total ihrer Meinung.



      Ein ökologischer Fußabdruck impliziert, dass Menschen, die umweltschädliche Entscheidungen treffen, selbst schuld sind. Das stimmt aber nur bedingt. Es steht nicht immer eine umweltfreundliche Alternative zur Verfügung. Viele Menschen, zum Beispiel alle, die kaum Geld haben, leben frugal. Trotzdem haben sie einen nicht nachhaltigen Fußabdruck, weil Industrie und Infrastruktur des Landes, von denen Arme nur marginal profitieren, auf alle umgelegt werden. Der Fußabdruck wälzt die Verantwortung auf den Einzelnen ab, obwohl wirksame Maßnahmen nur durch die Politik getroffen werden können.

      • @Patricia Winter:

        Da scheinen wir grundsätzlich anderer Meinung zu sein.



        Ich ziehe zuerst mich in die Verantwortung und leite davon Ansprüche an die Gesellschaft ab .



        Wie Sie bei der Nutzung des oben genannten Tools feststellen werden, wird der gesamtgesellschaftliche Fußabdruck, in der Tat, auf den pro Kopf Verbrauch umgerechnet.



        Alle nutzen nun mal die Staatliche Infrastruktur, Straßen, die Bahn, öffentliche Gebäude etc..



        Das stellt allerdings nur 10% des durchschnittlichen pro Kopf Verbrauchs der BundesbürgerInnen dar.



        An allen anderen Stellschrauben kann individuell gedreht werden.



        Wer einen Interkontientalflug nutzt, verbraucht so viel Co2 wie ein Durchschnittsautofahrer im Jahr. Das kommt natürlich on top und das relativiert ein nicht Auto besitzen mit einer Tat.



        Menschen mit wenig Einkommen, die z.B. Urlaub auf Balkonien, im Inland oder nahe gelegenen Ausland machen, verschmutzen den Planeten weniger.



        Das ist beim Konsum genauso:



        kaufe ich weniger Klamotten, wird für mich weniger CO2 emmitiert.



        Es ist gut, den sozialen Aspekt im Blick zu haben, aber wer bescheiden lebt, hat auch einen bescheidenen CO2 Fußabdruck.



        Mit etwas Mühe lässt sich der Durchschnittswert halbieren.

  • Selbst das Holz als Totholz im Wald liegenzulassen ist deutlich besser als es zu verbrennen. Für den Wald selbst sowieso.



    Der gierige Teil der Waldfürsten sollte mal zurückschalten. Und froh sein, dass jemand auf Nachhaltigkeit achtet. Echte Nachhaltigkeit.