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Ökonomen für gerechtes KlimageldGenug für Arme, nichts für Reiche

Der CO2-Preis wird steigen. Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung fordern ein Klimageld als Ausgleich für steigende Energiekosten.

Alte Kühlschränke kosten viel Energie. Neu viel Geld Foto: Philipp Znidar/picture alliance

Berlin taz | Kein Klimageld für Reiche – das ist die Botschaft einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Wenn der Staat einen finanziellen Ausgleich für steigende Energiekosten zahlt, dann sollte er sich auf untere Einkommensgruppen konzentrieren, so DIW-Ökonom:innen in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie.

Mit Blick auf die hohen Belastungen durch steigende Energiekosten für Haushalte mit wenig Geld mahnen die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen die Einführung eines Klimageldes an. Die einkommensstärksten 30 Prozent der Bür­ge­r:in­nen sollen es allerdings nicht bekommen. So sollen genug Mittel für diejenigen zur Verfügung stehen, bei denen steigende Energiekosten zu besonderen Härten führen und bei denen ein Klimageld die Mehrbelastung nicht ausgleicht.

Der Hintergrund: Ein zentrales Instrument der Klimapolitik ist der CO2-Preis. Er liegt zurzeit bei 45 Euro pro ausgestoßener Tonne Kohlendioxid. Die Bundesregierung hat beschlossen, den Preis 2025 auf 55 Euro anzuheben. 2026 soll er bei 65 Euro liegen.

Dadurch werden die Kosten für fossile Energien steigen, Wärme und Sprit werden teurer. Ab 2027 soll der CO2-Preis auf europäischer Ebene festgelegt werden. Ex­per­t:in­nen erwarten dann einen sprunghaften Anstieg, der bei bis zu 200 Euro liegen könnte. „Ohne Entlastungen für die Bür­ge­r führt der steigende CO2-Preis zu einer ungleicheren Einkommensverteilung“, warnt DIW-Ökonom Stefan Bach. Denn Ärmere ­geben einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie und Mobilität aus.

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Klimageld steht im Koalitionsvertrag

Über solche Entlastungen – Klimageld oder Klimaprämie genannt – wird seit Jahren diskutiert. Es soll unbürokratisch ausgezahlt werden. „So würde es auch diejenigen erreichen, die Sozialleistungen nicht beantragen, obwohl sie Anspruch darauf haben“, sagt Bach. Das sind etwa die sogenannten „working poor“ – jene, die trotz Arbeit arm sind. Oder arme Rentnerinnen, die die Grundsicherung im Alter häufig nicht in Anspruch nehmen.

Finanziert werden könnte das Klimageld aus den Einnahmen aus dem CO2-Preis. Die Ampel will es laut Koalitionsvertrag zwar einführen, stellt dafür aber bislang kein Geld bereit. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis fließen in den Klima- und Transformationsfonds und sind für diverse andere Projekte vorgesehen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) behauptet, das Klimageld könne wegen des fehlenden „Auszahlungsmechanismus“ nicht ausgezahlt werden. Bis 2025 will er einen Auszahlungsweg finden.

Viele Modelle für ein Klimageld sehen einen Beitrag in gleicher Höhe für alle vor. Weil Gutverdienende aufgrund ihres höheren Konsums mehr Sprit und Wärme verbrauchen, bleibt bei denen mit wenig Geld mehr über, so die Idee. Aber: Der CO2-Preis trifft Arme und Reiche nicht gleich. „Haushalte mit gutem und sehr hohem Verdienst sind in Relation zu ihren Einkommen weniger stark von der CO2-Bepreisung betroffen“, sagt Bach. „Wer viel Geld hat, lässt sein Haus energetisch sanieren oder kauft ein Elektroauto, was ja auch noch üppig von Staat gefördert wird.“

Wer in einer unsanierten Mietwohnung lebt, kann kaum etwas dagegen unternehmen. Die meisten Besser- und Hochverdienenden brauchen deshalb kein Klimageld, sagt er. Gleichzeitig reicht es für manche Arme nicht, wenn die einen hohen Energieverbrauch haben.

124 Euro pro Kopf

Der Studie zufolge würden die privaten Haushalte bei einem CO2-Preis von 65 Euro mit 12,2 Milliarden Euro belastet. Ohne einen finanziellen Ausgleich würde mehr als die Hälfte der Haushalte 0,5 Prozent ihres Nettoeinkommens für den CO2-Preis ausgeben. Schüttet der Staat die Einnahmen aus dem CO2-Preis – abzüglich der Mehrwertsteuer – aus, bekäme je­de:r einen Betrag von 124,09 Euro. Haushalte im untersten Zehntel der Einkommensverteilung würden so um 0,6 Prozent des Nettoeinkommens entlastet. Bei mittleren Einkommen würden sich Be- und Entlastung ausgleichen. Die reichsten 30 Prozent würden um 0,2 Prozent entlastet.

Allerdings: In den einkommensschwächsten Gruppen gäbe es zahlreiche Härtefälle, die trotz Klimageld stark belastet würden. Gerade Bür­ge­r:in­nen mit wenig Geld können häufig an ihrem Energiebedarf nichts ändern, etwa weil sie sich neue energieeffiziente Elektrogeräte nicht leisten können.

Würden nur Bür­ge­r:in­nen mit niedrigen und mittleren Einkommen das Klimageld bekommen, würden genug Mittel für gezielte Fördermaßnahmen für Härtemittel frei, so die Wissenschaftler:innen. Weil eine Einkommensprüfung bei der Auszahlung des Klimageldes zu aufwendig ist, schlagen die Öko­no­m:in­nen vor, dass der Staat sich den Betrag bei den Wohlhabenden über die Einkommenssteuer zurückholt.

Österreich hat bereits ein gestaffeltes Klimageld zwischen 145 Euro und 290 Euro im Jahr. Dort hängt die Höhe allerdings von der Region ab. Menschen, die in einer Umgebung mit einem gut ausgebauten ÖPNV leben, bekommen einen höheren Betrag als jene in ländlichen Gebieten ohne gute Zug- oder Busanbindung.

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3 Kommentare

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  • Das Klimageld ist doch nur ein anderer Name für Steuererhöhung. Und die Gründe warum es nicht ausgezahlt werden kann sind doch nur vorgeschoben.



    Und wenn irgendwelche Ex - Stars lieber Champus saufen als die Versicherungsbeiträge zu bezahlen - die sind auch noch in ihrer letzten Krankenversicherung bekommen aber nur die med. notwendige Behandlung. JKein Einzelzimmer und keinen Prof.



    Da kann das Klimageld ja gleich auf die Schulden angerechnet werden!

  • Noch gibt es überhaupt kein Klimageld, und wenn man den Vorschlägen hier folgt, wird es sehr kompliziert und schafft wieder Bürokratiemonster.

  • echt jetzt?



    "...mit einem gut ausgebauten ÖPNV leben, bekommen einen höheren Betrag als jene in ländlichen Gebieten ohne gute Zug- oder Busanbindung"



    Also, wer auf das Auto angewiesen ist, bekommt weniger Geld? Er/sie soll das Autofahren aufgeben ohne ÖPNV? Man kann ja noch laufen.

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