Anschlag auf Kurden-Zentrum: Linke Kurden im Visier
Ein Brandanschlag auf das Kulturzentrum der Freien Kurdischen Gemeinde kann knapp verhindert werden. Einen Tag zuvor gab es dort eine Razzia.
Auch der Berliner Linken-Abgeordnete Ferat Koçak hält das für naheliegend: „Die Repressionen gegen linke kurdische Strukturen nehmen wieder zu“, sagte er am Montag der taz. Auch in der Türkei und im Irak gebe es derzeit vermehrt Angriffe, in der vergangenen Woche wurde – mutmaßlich von türkischen Rechten – auf einen kurdischen Verein in Hamburg geschossen.
Zufällig war Koçak am Sonntag Augenzeuge des Vorfalls. Er war am Nachmittag zu Besuch, weil die Polizei das Kulturzentrum in Reinickendorf am Samstag durchsucht und den Co-Vorsitzenden Hüseyin Yılmaz und eine weitere Person vorläufig festgenommen hatte. Yılmaz war von 1999 bis 2004 Bürgermeister der kurdischen Stadt Agirî für die inzwischen verbotene Partei Hadep, Koçak wollte mit ihm über die Razzia reden.
Durch Benzingeruch alarmiert
„Ich wollte mir gerade Tee holen, als ich sah, wie jemand etwas auf die Fensterbank kippte“, berichtete er der taz. Der sofort deutlich wahrnehmbare Geruch nach Benzin habe ihn unmittelbar an den Anschlag auf sein eigenes Auto und Haus im Jahr 2018 erinnert. Er habe Alarm geschlagen, es seien über 40 Menschen im Gebäude gewesen, „dann habe ich gesehen, wie jemand wegrannte“. Polizei und Feuerwehr seien schnell vor Ort gewesen und hätten Spuren gesichert. Allerdings hätten die Mitglieder des Vereins zuvor Bedenken gehabt, die 110 zu rufen, so Koçak. „Sie haben Angst vor der Polizei“ – nicht zuletzt wegen Erfahrungen wie der vom Vortag.
Die Polizei erklärte, Grund für die Durchsuchung und vorläufige Festnahme zweier Tatverdächtiger sei ein Vorfall am Freitag gewesen. Dabei sei eine Person in den Räumen des Vereins „erheblich“ verletzt worden, die Kripo habe die Ermittlungen übernommen. Ob es einen Zusammenhang zwischen beiden Taten gebe, werde noch geprüft.
Vereinsvorsitzender Yılmaz nannte die Durchsuchung gegenüber der kurdischen Nachrichtenagentur ANF einen Einschüchterungsversuch, der die Repression des türkischen Staates widerspiegele. Yılmaz verwies auch auf den zeitlichen Zusammenhang mit den „Global Free Öcalan Days“, die noch bis Donnerstag laufen. Mit der Kampagne fordern linke Gruppen die Freilassung des PKK-Gründers Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der Kurdenfrage. In der EU ist die PKK als Terrororganisation verboten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!