Annäherung von Türkei, Irak und Syrien: Hauptsache gegen die PKK
Die Türkei verstärkt ihr Militär im Irak, künftig soll es gemeinsame Armeebasen geben. Das Ziel: Gegen die auch im Irak unbeliebtere PKK vorgehen.
Erst in der letzten Woche besuchte der irakische Außenminister Fuad Hussein – übrigens ein ethnischer Kurde – Ankara und hat sich dort im Rahmen eines vor wenigen Monaten vereinbarten regelmäßigen Austauschs in Sicherheitsfragen mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan getroffen. Im Anschluss gaben beide bekannt, dass sie sich auf zwei gemeinsame Militärzentren im Irak geeinigt haben.
Eines wird in Bagdad aufgebaut, das andere in Bashika, in der Nähe von Mossul. Sowohl in Bagdad wie in Bashika sollen türkische und irakische Offiziere zusammenarbeiten, um dadurch eine bessere Kooperation in Sicherheitsfragen zwischen beiden Ländern zu erreichen.
Obwohl es in der Erklärung heißt, dadurch solle auch Drogen- und andere organisierte Kriminalität bekämpft werden, geht es im Kern doch um die Bekämpfung der türkisch-kurdischen Guerilla PKK, die seit Jahrzehnten ihr Hauptquartier im Nordirak hat. Der Türkei ist es genauso lange ein Dorn im Auge, dass die PKK im Irak geduldet wird und hat die als „Terrororganisation“ gelistete Organisation bei grenzüberschreitenden Aktionen immer wieder angegriffen.
Ankara verhandelt mit Bagdad
Die PKK konnte sich im autonomen Nordirak lange auf die Unterstützung der beiden größten kurdischen Parteien dort verlassen, der Demokratischen Partei, die von der Barsani-Familie kontrolliert wird, und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Doch die Demokratische Partei, die im Nordirak die Regierung der Autonomiezone stellt, will die PKK seit langem loswerden, weil die sich ihrer Autorität nicht unterwirft und sich wie ein Staat im Staat gebärdet.
Deshalb toleriert die Barsani-Regierung seit einigen Jahren türkische Militärinterventionen auf ihrem Territorium. Im April dieses Jahres hat die türkische Regierung sich nach langen Verhandlungen auch die Unterstützung der Zentralregierung in Bagdad gesichert.
Bei einem Besuch von Präsident Recep Tayyip Erdogan im April in Bagdad wurde vereinbart, dass im Tausch für mehr Wasser aus den Oberläufen von Tigris und Euphrat und einer wirtschaftlichen Unterstützung durch die Türkei Bagdad einer gemeinsamen Bekämpfung der PKK zustimmt.
Die Türkei hat bereits eine Stromtrasse nach Mossul gelegt und im Gegenzug werden nun die „Joint military center“ in Bagdad und Bashika aufgebaut. Die türkische Armee will unter anderem die Verbindungen der PKK vom Nordirak nach Nordostsyrien unterbinden, wo die syrischen Kurden in enger Zusammenarbeit mit der PKK ein eigenes Autonomiegebiet aufbauen wollen.
Assad will kurdisch kontrollierte Gebiete zurückerobern
Insgesamt wird es für die PKK und die syrischen Kurden mit der Zeit immer enger. Die PKK ist im Nordirak in Bedrängnis, die irakische Regierung stuft sie als „Terrororganisation“ ein. Auch von irakischem Staatsgebiet soll sie verschwinden. Und in Nordostsyrien sind die Kurden nicht mehr nur von der Türkei unter Druck, sondern vor allem das mittlerweile wieder gefestigte Assad-Regime will die von den Kurden kontrollierten Gebiete zurückerobern.
Ähnlich wie mit Bagdad will Präsident Erdogan auch mit Baschar al-Assad wieder ins Gespräch kommen. Die Regierung in Bagdad hat erst unlängst angeboten, ein Gipfeltreffen zwischen Erdogan und Assad auszurichten. Ziel für die Türkei wäre es, dass Assad zustimmt, einen großen Teil der knapp 4 Millionen syrischen Flüchtlinge aus der Türkei wieder zurückzunehmen, und dafür die Türkei ihre Truppen langsam aus den besetzten grenznahen Gebieten in Syrien zurückzieht. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Assad-Truppen wieder die Kontrolle über die Grenzgebiete zur Türkei übernehmen und dadurch eine Pufferzone zu den kurdischen Gebieten herstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!