Tierschützer fordern von Ampel: Keine Kuh mehr in Ketten

Die von Agrarminister Özdemir geplanten Einschränkungen der Anbindehaltung reichen nicht, sagen Tierschützer. Sie fordern ein Komplettverbot.

Nahaufnahme einer Milchkuh

Eine Milchkuh mit Ohrmarke steht in Anbindehaltung in einem Kuhstall Foto: Winfried Rothermel/imago

Berlin taz | Tierschützer verlangen, die von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) geplante Reform des Tierschutzgesetzes zu verschärfen. Der Deutsche Tierschutzbund etwa fordert vor allem ein vollständiges Verbot, Tiere dauerhaft, etwa mit Ketten oder Metallrahmen, zu fixieren.

Die Ampelregierung dagegen schlägt in ihrem am Donnerstag in den Bundestag eingebrachten Entwurf vor, diese „Anbindehaltung“ Höfen mit höchstens 50 über sechs Monate alten Rindern weiterhin zu erlauben, wenn die Tiere während der Weidesaison auf die Weide gelassen werden und außerhalb dieser Zeit zwei Mal pro Woche Zugang zu einem Freigelände haben. Die Tierschützer wollen auch, dass neue Regeln nicht erst in zehn Jahren in Kraft treten.

2020 lebten nach einer Auswertung des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts 10 Prozent aller Rinder in Anbindehaltung – und zwar meist das ganze Jahr über. „Dies führt bei den betroffenen Tieren zu erheblichen Schmerzen, Leiden und/oder Schäden“, so das Agrarministerium. Die rund 28.300 Höfe mit dieser Haltungsform waren im Schnitt deutlich kleiner als Betriebe mit Laufställen.

Özdemir rechtfertigte seinen Vorschlag damit, dass bei einem völligen Verbot der Praxis viele Betriebe die Rinderhaltung aufgeben müssten, die „die wertvollen und artenreichen Kulturlandschaften in Süddeutschland mit den Bergbauern und Almen, Wiesen und Weiden“ erhalten würden.

Ausreden und Amputationen

„Das halte ich wirklich für eine Ausrede“, sagte Tierschutzbundpräsident Thomas Schröder. Es sei eine Frage der Förderpolitik, aus Anbindeställen zumindest Laufställe zu machen. „Darum hat sich niemand gekümmert.“ Anne Hamester, Geschäftsführerin der Organisation Provieh, ergänzte, viele der betroffenen Betriebe würden auch ohne ein Verbot der Anbindehaltung, also aus anderen Gründen, aufgeben.

Die Tierschützer bemängeln auch, dass Amputationen zulässig bleiben sollten, mit denen Tiere an die Haltungsbedingungen angepasst werden. „Diese Eingriffe dürfen weiterhin oft ohne Schmerzausschaltung vollzogen werden“, so eine Pressemitteilung von neun Verbänden. Özdemirs Entwurf erlaubt auch künftig zum Beispiel das Kürzen von Ferkelschwänzen, wenn auch unter strengeren Bedingungen. Zudem sollen Kälbern die Hornanlagen nur noch unter Betäubung ausgebrannt werden dürfen.

Dem Deutschen Bauernverband geht schon der Regierungsentwurf zu weit. Das Gesetz würde etwa dafür sorgen, dass noch mehr Schweinehalter aufgeben und Deutschland mehr Schweinefleisch importiert. Provieh-Chefin Hamester widerspricht: Der Verzicht aufs Schwänzekupieren sei nicht so teuer, „dass die Nutztierhaltung in Deutschland aussterben würde“. Barbara Felde, Vize-Vorsitzende der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht, sagte: „Tiere quälen darf keiner, auch nicht Betriebe, die dem Deutschen Bauernverband angehören.“ Es brauche Staaten, die mit gutem Beispiel vorangehen.

Angesichts der Kräfteverhältnisse im Parlament ist es allerdings unwahrscheinlich, dass die Tierschützer viele Forderungen durchsetzen werden. Die FDP habe Gespräche mit Grünen und SPD über Nachbesserungen verweigert, berichtete Schröder. Man könne froh sein, wenn das Gesetz überhaupt kommt, so Femke Hustert von der Tierschutzstiftung Vier Pfoten.

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