Umgang mit Sexarbeit: Zwischen Stigmatisierung und Schutz

Sexkauf soll bestraft werden, findet die Unionsfraktion. Vor dem Familienausschuss wird Kritik an dieser Forderung laut.

Am 2. Juni 2024 gabt es einen Tag der offenen Tür beim Essener Straßenstrich am Kirmesplatz.

Eine Leuchtreklame in einem Wohnwagen auf dem Straßenstrich am Kirmesplatz in Essen Foto: Kerstin Kokoska/imago

Berlin taz | Eine Aktivistin verteilt Herzsticker, bevor der Familienausschuss des Bundestags am Montagnachmittag Sachverständige zum Thema Sexkaufverbot anhört. Die Frau mit Glitzertop und Plüschhandtasche, selbst Sexarbeiterin, reicht sie den Wartenden vor dem Paul-Löbe-Haus. Sie wirbt dafür, Sexarbeit zu ent­stigmatisieren. Neben ihr steht eine Frau vom Verein Sisters, der Prostituierte beim Ausstieg unterstützt.

Dann beginnt die Anhörung der von den Fraktionen geladenen Sachverständigen. „Jede Kollegin sieht und empfindet ihren Job ganz anders“, sagt Johanna Weber, Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen. In ihrer Rolle müsse sie ihre eigene Wahrnehmung hinten anstellen und zuhören. „Das sollte auch die Basis der Arbeit im Bundestag sein, gerade bei einem so emotionalen Thema.“

Dass das Sexkaufverbot im Ausschuss überhaupt Thema ist, liegt an einem Antrag der Unionsfraktion. Dieser prangert die Armuts- und Elendsprostitution an und fordert unter dem Motto „Sexkauf bestrafen“ einen Paradigmenwechsel nach dem Vorbild des „nordischen Modells“: Dieses sieht eine Strafbarkeit von Freiern vor, während gleichzeitig mehr Geld in Ausstiegsprogramme investiert wird.

Weiter ins Dunkelfeld

Huschke Mau, Gründerin des Netzwerks Ella, unterstützt den Vorstoß. „Wenn wir Sexkauf verbieten, gibt es weniger Freier. Und wenn es weniger Nachfrage gibt, gibt es auch weniger Angebot“, sagt sie. Als junge Frau ist Mau selbst in die Zwangsprostitution und Drogenabhängigkeit geraten. „Wir reden über Sexkauf, aber es geht eigentlich um Gewalt“, sagt sie. So argumentiert auch die Traumatherapeutin Brigitte Schmid-Hagenmeyer: „Gewalt ist in der Prostitution inhärent.“ Sexuelle Handlungen gegen Geld schädigten eine Person oft psychisch und körperlich.

Die Vermischung von Zwangsprostitution mit der freigewählten Sexarbeit kritisiert Stefanie Kohlmorgen vom Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiter:innen: „Es wird von Armut und Not gesprochen. Dann müssen wir diese Probleme angehen und nicht die Sexarbeit.“ Mit dem nordischen Modell würden Sex­ar­bei­te­r:in­nen nur noch weiter stigmatisiert. Die Sachverständige von der Gewerkschaft der Polizei befürchtet, Sexarbeit werde so weiter ins Dunkelfeld verschoben.

Die Anhörung sei trotz der unterschiedlichen Ansichten „differenziert, konstruktiv, sachlich“ gewesen, bilanziert Ariane Fäscher (SPD). Anders als die Union wolle ihre Partei jedoch den Weg mit dem Prostituiertenschutzgesetz weitergehen. Dieses 2017 eingeführte und schon damals umstrittene Gesetz wird derzeit evaluiert.

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