Kinder kommen hungrig heim

Ein neuer Groß-Caterer für Berliner Schulkantinen hat massive Probleme bei der Lieferung, weist Vorwürfe aber zurück

Von Susanne Memarnia

Der Speisenplan des Humboldt-Gymnasiums in Tegel klingt nicht schlecht: Am Dienstag gibt es „mediterrane Gemüsepfanne mit Kichererbsen, dazu gebackene Ofenkartoffeln und Joghurt-Dip (100 Prozent Bio)“ oder „Kokos-Gemüse-Curry mit Bio-Linsen, Bio-Karotte, Bio-Sellerie und Bio-Brokkoli, dazu Bio-Vollkornreis“. Dazu wird „Handobst“ und „Rohkost“ gereicht. Oder auch nicht.

Denn Dutzende Berliner Schulen, nicht nur das Humboldt-Gymnasium, haben in der ersten Woche nach den Ferien kein, zu wenig, kaltes oder ungenießbares Mittagessen geliefert bekommen. Schulleiter wurden mit Beschwerden von Eltern überschüttet und schrieben zurück, dass sie in den nächsten Tagen ihren Kindern bitte genügend Brote einpacken sollen, weil die Essensversorgung derzeit nicht gewährleistet sei.

Nicht nur, dass kein Essen geliefert wird, es fehlt auch das dafür nötige Ausgabepersonal

Betroffen sind Einrichtungen, die seit Neuestem durch den Caterer 40 Seconds beliefert werden. Dieser hat nach eigenen Angaben im aktuellen Vergabeverfahren „das Los“ für 103 Schulen gezogen, was 38.000 bis 40.000 Essen pro Tag bedeute. Dieses enorme Wachstum, im vorigen Schuljahr lieferte 40 Seconds rund 5.000 Essen pro Tag aus, konnte der Caterer offenbar nicht stemmen.

Aus der Politik hagelt es Kritik. Staatssekretär Torsten Kühne (CDU) habe im Gespräch mit dem Caterer „umgehend einen Zeitmaßnahmeplan gefordert, um kurzfristig Abhilfe zu schaffen“, erklärte ein Sprecher der Bildungsverwaltung. Aus den Bezirken heißt es, die Probleme seien „gravierend“, „teilweise extrem“: nicht nur habe Essen gefehlt oder sei Stunden zu spät geliefert worden, es habe zudem an Ausgabepersonal gefehlt. Der Neuköllner Bezirksamtssprecher Christian Berg sagte zur taz, „in einzelnen Fällen war auch das gelieferte Essen ungenießbar, es gab Gemüse mit Schimmel, Suppe war wässrig, Essen schmeckte verbrannt, Brot war tiefgekühlt“.

Man erwarte in dieser Woche eine spürbare Verbesserung – ansonsten schließe man eine fristlose Kündigung nicht aus, heißt es aus Neukölln sowie aus Steglitz-Zehlendorf. Pankows Schulstadtrat Jörn Pasternack (CDU) ergänzte, es würden „Abmahnungen ausgesprochen sowie Ersatzvornahmen geprüft“. Marzahn-Hellersdorf prüft ebenfalls „rechtliche Schritte“.

Dazu wird „Handobst“ und „Rohkost“ gereicht. Oder auch nicht Foto: Florian Gärtner/photothek/imago

40 Seconds weist den Vorwurf zurück, man habe sich übernommen. Über Anwälte ließ Geschäftsführer Thorsten Schermall eine Erklärung verbreiten. Der Tenor: Schuld seien Verzögerungen im Vergabeverfahren. Man habe teils erst in den Sommerferien die Zuschläge bekommen „zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ansprechpartner in den Schulen und Bezirksämtern sowie das Bestandspersonal urlaubsbedingt nicht erreichbar waren“. Nur dadurch komme es „an vereinzelten Schulen“ zu Verzögerungen bei der Auslieferung, von minderer Qualität des Essens will er gar nichts hören.

Im Frühjahr war das Essen für 430 Berliner Grundschulen und grundständigen Gymnasien ausgeschrieben worden. Für einen Festbetrag von 5,17 Euro und Bio-Standards mussten Bewerber eine Speisekarte für 20 Tage vorlegen, die die Schulen bewerteten. Bei der Vergabekammer sind 53 „Nachprüfungsverfahren“ durch unterlegene Bieter anhängig.