Proteste in Israel: Vielleicht die letzte Chance
Nach der Nachricht der getöteten Geiseln gehen die Menschen in Israel auf die Straße. Wann stellen sich auch Likud-Abgeordnete gegen Netanjahu?
D ie Nachricht von den sechs getöteten Geiseln hat ein Erdbeben in Israel ausgelöst. Wie düster der vergangene Sonntag für viele Israelis war, ist von außen kaum nachzufühlen. Sechs Geiseln, von denen einige in einem Deal als Erste hätten freigelassen werden sollen, wurden stattdessen von der Hamas hingerichtet.
Schon lange zweifelte ein Großteil des Landes an Netanjahus Argumentation, militärischer Druck würde die Geiseln heimbringen. Nun ist es offiziell: Statt sie zu retten, trägt der militärische Druck Mitschuld an ihrem Tod. Sie wurden ermordet, bevor das nah gerückte Militär sie erreichen konnte. Netanjahu bleibt bei seiner Blockadehaltung in Bezug auf einen Deal.
Doch wird die Erschütterung politisch den Wendepunkt bringen, wenn dies auch für Hersh Goldberg-Polin, Carmel Gat und viel zu viele andere Geiseln zu spät käme? Wird dies das Ende Netanjahus sein? Möglichkeiten dafür gibt es: Die Protestbewegung muss lahmlegen, was lahmzulegen ist, zum Beispiel mit dem Generalstreik am Montag. Das Arbeitsgericht in Bat Yam ordnete am selben Tag zwar an, dass der Streik – er sei ein politischer Streik und kein Arbeitsstreik – bereits mittags enden müsse.
Es bräuchte mehr von der Attitüde des Direktors eines liberalen Gymnasiums in Tel Aviv: Keine Rückkehr zum normalen Lernen in der Schule, sagte er, bis die Geiseln zurück sind. Auf parlamentarischer Ebene müssen diejenigen Likud-Abgeordneten, die noch ein Gewissen haben (man vermutet, dass es davon tatsächlich noch eine Handvoll gibt) endlich der Regierung ihre Mehrheit entziehen.
Die Führung der Geheimdienste und des Militärs, die seit Langem mit Netanjahu angesichts seiner Kriegsführungsstrategie über Kreuz sind, sollten zurücktreten und so ein weiteres Erdbeben auslösen – mit mehr Wut und weniger Trauer.
Wie realistisch diese Möglichkeiten sind? Wer traut sich derzeit Vorhersagen zu machen. Wenn das Land nicht von Netanjahu und seinen rechtsextremen Partnern in den Abgrund gezogen werden will, dann hat es jetzt noch eine Chance. Vielleicht ist es die letzte.
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