Bauunternehmer Richard Lugner tot: Sie nannten ihn „Mörtel“

Narr, Dadaist, Schlawiner: Richard Lugner, das Wiener Opernball-Original, ist mit 91 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Sein letzter großer Auftritt: Erst im Juni hatte Lugner zum sechsten Mal geheiratet. Neben ihm Simone Reiländer (42), jetzt Witwe Foto: Florian Wieser/APA/dpa

Gerade noch war Wien geschockt von einem offenbar nur durch viel Glück vereitelten Terroranschlag auf Taylor-Swift-Konzerte, dann im Taumel von zigtausenden Swifties, die die Stadt in ein dreitägiges Love&Peace-Festival verwandelten. Tag darauf die Schock-Schlagzeile: Richard Lugner ist gestorben, der schrullige Bauunternehmer und Shopping-Mall-König, ein Wiener Original.

„Mörtel“ hat man ihn genannt, das Kies-Beton-Gemisch zu seinem Spitznamen gemacht. Nun also: La Mort de Mörtel. 91 Jahre wurde er alt. Fit wie ein Turnschuh war der Baumeister schon länger nicht mehr, aber er hüpfte immer noch am Parkett herum. Weniger als Society-Löwe, mehr als Society-Kasperl. Ein bisschen gibt es jetzt Staatstrauer, aber mit ironischem Zwinkern. Die Wiener haben ja den Ruf, nichts gänzlich ernst zu nehmen. Richard Lugner war das Monument dieser Charaktereigenschaft.

Als Unternehmer war er erfolgreich und ein Arbeitstier, aber seit bald vierzig Jahren führte er ein Leben für die Klatschspalten. Zum Wiener Opernball lud er meist weibliche (Ex-)Weltstars ein und machte eine Show daraus, dabei ging es immer etwas schlüpfrig zu. Ivana Trump, Sophia Loren, Sarah Ferguson, Farrah Fawcett, Andie MacDowell, Pamela Anderson, Ornella Muti – die Liste der jährlichen, üppig bezahlten Ball-Begleiterinnen ist endlos.

Ehen als Geschäftsmodell

Nicht jährlich, aber beinahe jährlich, heiratete Lugner unter entzückter Anteilnahme des Publikums junge Frauen, denen er zärtliche Tiernamen verpasste: Mausi, Bambi, Bienchen … Diese Ehen waren wohl nicht unwesentlich ein Geschäftsmodell. Geld gegen Werbewirkung. Die ersten Dates, die Hochzeit, die Scheidungen, das alles wurde zelebriert. Zur Show gehörte dazu, dass die Partnerschaften öffentlich ausgebreitet wurden. Nicht nur in der Yellow-Press. Im Trash-TV gab es „Die Lugners“ im Reality-Serien-Format mit hohem Fremdschäm-Faktor.

Bei all dem machte er sich mit Freude zum Affen. „Schamgrenzen kennt Lugner nicht“, schrieb das Nachrichtenmagazin profil. Zweimal trat er bei Bundespräsidentschaftswahlen an, 1998 holte er sogar über neun Prozent. Er war eine Art Dadaist des Mainstreams. Er gab öffentlich den Trottel, war aber eine schlaue Person.

Die Erfolgskultur, die Erfolg sichtbar verkörpern muss, er überzog sie bis zur Persiflage. Die Aufmerksamkeitsökonomie, Lugner trieb sie so weit, bis es weh tat. Aber zugleich tat es nie richtig weh, er war mehr wie der Clown im Zirkus, der sich extra peinlich benahm, damit die anderen eine Freude haben. All das hatte immer einen doppelten Boden, unterlief jede Eindeutigkeit.

Männerfantasie als Lachnummer

Das Frauenbild, das er mit seinen Mausis und Bambis transportierte, war so übertrieben unterirdisch, dass es schon eine aufklärerische Persiflage auf überkommene Frauenbilder war. Der alte Geldsack und die jungen Frauen, man konnte das als Verniedlichung von Quasi-Prostitution lesen, aber auch als Entlarvung der endemischen Prostitution im Aufmerksamkeits-Kapitalismus. Die Männerphantasien verwandelte er in Lachnummern.

Was immer Lugner tat, es war stets Schlawinertum und eine subversive Note dabei. Als volkstümelnder Baumeister holte er den Trash und den schlechten Geschmack in den Opernball, wofür ihn bis weit in die neunziger Jahre die bürgerliche Schnöselgesellschaft noch hasste. Er entlarvte die Lebenslügen der „Stützen der Gesellschaft“, brach die Regeln der „besseren Leute“, stolperte durch die Kulissen bourgeoiser Distinguiertheit.

Heute ist fast vergessen, dass das auch eine Provokation war. Denn am Ende liebten ihn alle irgendwie – und sei es nur für seinen Irrwitz, seine Narrenhaftigkeit und seine Bereitschaft, ein Leben als vollendete Kunstfigur zu leben. Lustigkeit und Menschenfreundlichkeit blitzten bei ihm immer durch. Lugner mochte die Leute, also wurde er zurückgemocht.

„Ich habe immer eine gute Menschenkenntnis gehabt“, sagte er einmal. Und nach einer längeren Pause: „Also bei Männern.“

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