Jan-Paul Koopmann
Speckgürtelpunks
: Vor der Wahl zum Elternvertreter oder: Die Hölle sind die anderen

Foto: taz

Warum man die Elternvertreterei in Schule, Kita und so weiter nicht einfach abschaffe, hat eine Freundin neulich gefragt, wo doch keiner mehr Lust drauf habe? Ich finde die Frage zu gleichen Teilen berechtigt und alarmierend. Denn während mir einerseits natürlich klar ist, welchen Beitrag für die Demokratisierung der Gesellschaft, die Überwindung der totalen Institution und so weiter diese Ämter via Mitbestimmung leisten – nehme doch auch ich mir ja jedes Jahr auf Neue vor, nicht wieder zu „kandidieren“ für die Scheiße.

Besonders erfolgreich bin ich damit nicht. Gleich beim allerersten Elternabend meines Lebens habe ich mich in den Vorstand unseres Kitavereins wählen lassen. Einstimmig, ohne Gegenkandidatur. Und weil ich danach dachte, dass es noch schlimmer ja wohl kaum werden könne, habe ich den Fehler in Kindergarten und Grundschule gleich wieder gemacht.

Man müsste mal recherchieren, wann genau das erkämpfte Recht auf Mitbestimmung zur lästigen Pflicht wurde, für die heute nur noch zur Verfügung steht, wer zu dämlich ist zum Nein sagen. Die Gründe mögen sich unterscheiden: Manche haben zu viel Angst vor Konflikten mit Lehrkörper und Schulleitung, andere erkennen die Gefahren gar nicht erst, zu denen sich ungestörter Korpsgeist im Lehrerzimmer auswachsen kann. Wieder andere interessiert so was frühestens, wenn erkennbar auch die eigenen Kinder drunter leiden, oder sie halten sich tatsächlich für die einzigen, die „sowieso schon viel zu viel zu tun haben“.

So oder so: Es hat jedenfalls niemand Lust auf diese Jobs, und in Leh­re­r:in­nen­krei­sen kursieren sogar süße Anleitungen dafür, wie man die konstituierenden Elternabende übersteht, wenn sich partout kei­ne:r zur Wahl stellt. In kurz: den Aufwand subtil herunterspielen und beim Benefit so schamlos wie nur möglich übertreiben. Bei uns war das letztes Mal gar nicht nötig. Ich war schon vorher eingeknickt und hatte mich zähneknirschend zur Wahl aufstellen lassen. Unter der Bedingung allerdings, dass ich mich von der vermeintlichen Hauptaufgabe dieses Selbstverteidigungsgremiums distanziere: nämlich irgendwelche Geschenke für irgendwelche Leh­re­r:in­nen zu kaufen. Ich glaube, es hat ungefähr zwei Wochen gedauert, bis die erste spitze Nachfrage kam, was nun eigentlich zum Geburtstag geplant sei.

Dazu kommt die andere unrühmliche Aufgabe: Im Auftrag der Klas­sen­leh­re­r:in­nen den digitalen Himbeertoni zu machen, und ihre Erinnerungsmails an dieses und auch jenes nochmal in die Whatsapp-Elterngruppe zu kopieren, die es aus Datenschutzgründen eigentlich gar nicht geben dürfte. Das Problem sind wie immer die anderen. Eltern, die mit größter Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass man ihnen ihren Mist hinterherträgt – aber auch Gremien, die sich über die Generationen zu bürokratischen Monstrostitäten entwickelt haben. Gegen die Geschäftsordnung meines letzten (Grund-)Schulelternrats sind selbst Papstwahlen und Parteitage zur Listenaufstellung der Linkspartei die reinsten Spaziergänge.

Ob’s nun am geschriebenen Wort oder dem Sozialcharakter der Vorstände hängt: Im Ergebnis hat man schon einige Stunden gut zu tun, bevor man mit der eigentlichen Arbeit auch nur anfangen kann.

Das Recht auf Mitbestimmung. Aber niemand hat Lust auf diese Jobs

Vielleicht war das schon immer so. Wahrscheinlicher ist aber doch, dass die finsteren und antidemokratischen Vereinzelungstendenzen unserer Gesellschaft sich hier unten an der Basis mit besonderer Härte niederschlagen. Zwei Elternabende stehen diesen Monat noch an. Und je länger ich darüber nachdenke, desto unwahrscheinlich scheint mir, sie ohne neue Ämter über die Bühne gehen zu sehen.