Bericht des Bundesdatenschützers: Schlechtes Zeugnis für Digitales

Chatkontrolle oder Social-Media-Auftritte: Deutschlands oberster Datenschützer hat jede Menge Rüffel und gute Ratschläge für die Bundesregierung.

Ulrich Kelber

Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für Datenschutz, stellte am Mittwoch seinen Bericht vor Foto: Wolfgang Kumm/dpa

BERLIN taz | Chatkontrolle, elektronische Patientenakte oder Whistleblowerschutz: Die Liste datenschutzrechtlicher Probleme des Bundesdatenschutzbeauftragten ist stets lang. Ulrich Kelber, seit 2019 Deutschlands oberster Datenschützer, hat aber derzeit vor allem die Social-Media Auftritte der Bundesregierung im Visier. Facebook oder Twitter hält er für besonders kritisch. In Kelbers Jahresbericht heißt es zum Beispiel, dass der Betrieb einer Facebook-Fanpage für eine Behörde datenschutzkonform schlichtweg nicht möglich sei.

Die Einschätzung hat derzeit aktuelle Brisanz. Bereits Mitte Februar hatte Kelber das Bundespresseamt angewiesen, den Betrieb einer ebensolchen Face­book-­Fan­page der Bundesregierung einzustellen. Bis Ende der Woche kann die Bundesregierung Klage gegen die Anordnung einlegen. Sonst muss sie die Fanpage abschalten.

Kelber hat zwar nichts gegen Auftritte in sozialen Medien, sie müssen nur datenschutzfreundlich sein. Daher fordert er auch die Bundesregierung auf, selbst aktiv zu werden. Konkret schlägt er in seinem Bericht vor, dass das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund), eine Bundesinstanz der freien Twitter-Alternative Mastodon betreiben soll. Er selbst ist bereits vor über zwei Jahren mit gutem Beispiel vorangegangen.

„Was ursprünglich als Beweis für die Möglichkeit einer datenschutzfreundlichen Umsetzung sozialer Medien gedacht war, wuchs von einem Nischenangebot immer mehr zu einer ernsthaften Alternative heran“, heißt es im Bericht der Datenschutzbehörde. Mehr als 42.000 Nut­ze­r:in­nen zählt der Account derzeit. Zudem sind etliche andere Behörden und Institutionen dort zu finden.

2022 mehr als 10.600 Datenschutzverstöße

Wenn sein Vorschlag, doch so gut in der Umsetzung funktioniert, warum kann die Bundesdatenschutzbehörde nicht die Mastodon-Instanz betreiben? Kelber sieht dies nicht als seine Aufgabe an und kann auch nicht mit eigenem Personal für die Moderation der Kommentare sorgen.

Nun heißt es also warten, bis das ITZBund sich meldet und übernimmt. Das ITZBund gehört zum Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums und unterstützt als zentraler IT-Dienstleister die deutsche Bundesverwaltung. Kelbers Behörde ist für die Überwachung des Datenschutzes bei öffentlichen Stellen des Bundes zuständig sowie für Unternehmen, die Telekommunikations- und Postdienstleistungen erbringen. Laut Bericht wurden 2022 mehr als 10.600 Datenschutzverstöße gemeldet, etwa 5 Prozent mehr als 2021.

Sorgen bereitet Kelber auch die sogenannte Chatkontrolle. Die EU will sexualisierte Gewalt gegen Kinder effektiver bekämpfen. Dazu zieht sie die Überwachung und Kontrolle von Internet- und Messengerdiensten wie Signal oder Whatsapp in Betracht. „Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist das Vorhaben höchst problematisch“, heißt es im Bericht.

Der Gesetzgebende der EU schieße mit seinem Vorschlag deutlich über das Ziel hinaus. „Denn die sogenannte ‚Chatkontrolle‘ bietet kaum Schutz für Kinder, wäre aber Europas Einstieg in eine anlasslose und flächendeckende Überwachung der privaten Kommunikation“, heißt es weiter.

In der Ampel gibt es derzeit noch keine gemeinsame Haltung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die Chatkontrolle, zumindest was unverschlüsselte Kommunikation angeht. Die FDP hält – wenig überraschend – dagegen. Es sei klar, dass Verbrechen bekämpft werden müssten, aber ohne anlasslose Überwachung, formulierte es Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).

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