piwik no script img

+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Knesset gegen Zweistaatenlösung

Israels Parlament lehnt palästinensischen Staat ab. USA bauen Behelfshafen wieder ab. NGO's klagen: Humanitäre Hilfe im Gazastreifen fast unmöglich.

Das Geflüchtetencamp Nuseirat nach einem israelischen Luftangriff am 17. Juli Foto: Ramadan Abed/reuters

Israels Parlament gegen palästinensischen Staat

Israels Parlament spricht sich erneut gegen die Gründung eines palästinensischen Staates aus. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für einen Beschluss, der eine Staatsgründung ablehnt, wie das Parlament mitteilte. Darunter waren den Angaben nach die Parteien der rechtsreligiösen Koalition unter Führung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie auch die Oppositionspartei von Benny Gantz, die laut Umfragen bei Neuwahlen stärkste Partei werden und die meisten Sitze im Parlament bekommen dürfte. Gantz war bis vor knapp sechs Wochen zusammen mit anderen gemäßigten Politikern Mitglied des inzwischen aufgelösten Kriegskabinetts.

„Die Gründung eines palästinensischen Staates im Herzen des Landes Israel würde eine existenzielle Gefahr für den Staat Israel und seine Bürger darstellen“, hieß es in dem Beschluss. „Es wird nur eine Frage kurzer Zeit sein, bis die Hamas den palästinensischen Staat übernimmt und ihn in eine radikale islamische Terrorbasis verwandelt.“ Diese werde daran arbeiten, den Staat Israel zu vernichten. Bereits im Februar hatte sich das Parlament gegen eine „einseitige Anerkennung“ eines palästinensischen Staates ausgesprochen. Deutschland und die USA betonen bislang, ein palästinensischer Staat müsse im Rahmen von Friedensverhandlungen mit Israel vereinbart werden. Diese liegen allerdings schon seit einem Jahrzehnt brach. (dpa)

Ben-Gvir wettert auf Tempelberg gegen Waffenruhe

Der rechtsextreme israelische Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hat am Donnerstag den Tempelberg in Jerusalem besucht und sich dort gegen jegliche Zugeständnisse an die Hamas ausgesprochen, mit der derzeit in Kairo über eine Waffenruhe im Gazastreifen verhandelt wird. Er sei auf die umstrittene Anhöhe in Jerusalem gekommen, um für die Rückkehr der von der Hamas im Oktober entführten Geiseln zu beten – „aber ohne ein fahrlässiges Abkommen“, sagte Ben-Gvir. Er habe Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gedrängt, dem internationalen Druck nicht nachzugeben und den Militäreinsatz im Gazastreifen fortzusetzen. (AP)

Gaza: USA bauen Behelfspier in Gaza endgültig ab

Ein vom US-Militär errichteter Behelfshafen an der Küste des Gazastreifens für Hilfslieferungen an die palästinensische Bevölkerung wird endgültig abgebaut und in die USA zurückgebracht. Damit endet nach nicht einmal drei Monaten eine kostspielige Mission, die wiederholt durch Wetterkapriolen und Sicherheitsprobleme zurückgeworfen wurde. Vizeadmiral Brad Cooper, der stellvertretende Kommandeur des US-Zentralkommandos, sagte am Mittwoch vor Reportern im Pentagon, dass der Behelfshafen den beabsichtigten Zweck erfüllt habe. Es habe sich um eine „beispiellose Operation“ gehandelt.

Kritiker sahen indes in dem Pier, dessen Bau 230 Millionen Dollar (rund 210 Millionen Euro) kostete, eine Zeit- und Geldverschwendung. Sie beklagen, dass das Ziel verfehlt worden sei, genügend Hilfsgüter über die Anlegestelle in den Gazastreifen zu liefern, um eine drohende Hungersnot zu verhindern. Hilfsgruppen monieren auch, dass das Projekt den Druck von Israel genommen habe, mehr Grenzübergänge zu öffnen, über die Güter in größeren Mengen in das palästinensische Gebiet transportiert werden könnten. (AP)

Angriffe im Gazastreifen nehmen zu

Israels Armee setzt eigenen Angaben zufolge ihre Einsätze im Zentrum des Gazastreifens sowie im Süden fort. Im Zentrum des Gazastreifens kamen dabei nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde neun Palästinenser in der Stadt Al-Sawaida ums Leben. Weitere neun Menschen wurden bei einem israelischen Angriff auf den Eingang einer Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA in der Stadt Gaza getötet, wie Mitarbeiter des Al-Ahli-Krankenhauses in der Stadt sagten. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, die Berichte zu prüfen.

Das israelische Militär hat bereits zuvor mehrfach Schulen des UNRWA attackiert. Die Armee wirft der Hamas vor, die UN-Einrichtungen für ihre Zwecke zu missbrauchen und in diesen Schulen unter anderem „Kommandozentralen“ eingerichtet zu haben. Laut UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini wurden in den vergangenen 10 Tagen mindestens acht Schulen im Gazastreifen getroffen, darunter sechs, die vom UN-Palästinenserhilfswerk betrieben worden seien. (dpa)

13 NGOs: Humanitäre Hilfe für Gaza fast unmöglich

Verstärkte Angriffe der israelischen Armee, geschlossene Grenzen, Treibstoffmangel: In einem gemeinsamen Bericht beschreiben 13 im Gazastreifen tätige Hilfsorganisationen, dass es nahezu unmöglich geworden sei, den Menschen in Gaza lebensnotwendige Unterstützung zu leisten. Die Menge der Güter, die im Gazastreifen ankommen, reichten bei Weitem nicht aus, um den riesigen humanitären Bedarf zu decken.

Ärzte der Welt, Oxfam, Action Aid, Care und andere berichten außerdem von drastischen Behinderungen ihrer Arbeit, seit Israel seine militärischen Angriffe weiter eskaliert. Auch als Schutzzonen deklarierte Gegenden seien nicht sicher. Immer mehr Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen müssten in kleine, überfüllte Gebiete fliehen. Dort fehle es an lebenswichtigen Gütern. Dazu verhinderten Benzinknappheit, Bombardierungen und unbefahrbare Straßen, dass Hilfsgüter notleidende Menschen erreichen.

Seit die israelischen Armee im Mai im Süden des Gazastreifens einmarschiert ist, können noch weniger Lastwagen die Grenzen passieren als zuvor. Wie viele es sind, darüber machen israelische Behörden und die UN unterschiedliche Angaben. Die südlichen Übergänge sind jedoch entweder ganz geschlossen oder können aus Sicherheitsgründen nicht genutzt werden. Zudem wurden 500 Gesundheitsmitarbeitende und mehr als 270 humanitäre Hel­fe­r*in­nen in den vergangenen neun Monaten bei Angriffen getötet. Kriegsparteien sind völkerrechtlich verpflichtet, die Zivilbevölkerung zu schützen und den Zugang zu humanitärer Hilfe sicherzustellen. (Ots)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Mal eine ganz dumme Frage : Wieso glaubt Israel, es hätte mit darüber zu entscheiden, ob ein palästinensischer Staat gegründet wird? Wahrscheinlich, weil es das Territorium mit militärischer Gewalt kontrolliert?!



    Das Recht zu gründen kommt aus demselben UNO Beschluss wie das Israels. Die Besatzung ist formal doch nichts anderes als der Angriff der drei Nachbarstaaten am Tag der Gründung Israels, nur eben mit anderem Ausgang. Und die Spekulation, Palästina wäre dann unter der Hamas (die es ja bald nicht mehr geben soll...) und würde Israel zerstören wollen, ist kaum eine taugliche Berechtigung. Denn Israel beweist jeden Tag umgekehrt das gleiche, verlangt aber Anerkennung.



    Aber solche Argumente sind tausendmal ausgetauscht. Was zählt ist die "Macht der Gewehrläufe". Sonst nichts.



    Glauben in Israel wirklich alle, dass sich diese Waagschale der Macht immer zugunsten Israels senken wird? 100 Jahre lang, 200 Jahre lang?

  • Die Formulierung "im Herzen des Landes Israel" lässt schon sehr tief blicken. Sie offenbart leider die expansiven Bestrebungen der Mehrheit in der Knesset, die sich eben nicht auf den Staat Israel bezieht, sondern auf die religiös-nationalistische Phantasie eines Eretz Israel, das aus Sicht der rechten Mehrheit in Israel natürlich Gaza, die Westbank und ganz Jerusalem umfasst.



    Im Sinne dieser rassistischen Vision darf kein palästinensischer Staat anerkannt werden um die schleichende Annexion der Gebiete durch illegale Siedlungen, Militäroperationen und Vertreibungen weiter voranzutreiben.

    • @Residente:

      Jedenfalls leben im bestehenden "rassistischen" Israel über 20 % arabische Menschen, in palästinensischen Gebieten, die von israelischer Herrschaft frei waren, wie dem Gaza-Streifen, gab es keinen einzigen Juden. Ich mag übrigens die derzeitige Regierung Israels nicht. (schon interessant, dass man das immer betonen muss hier)

      • @Kai Ayadi:

        Ich sprach von einer rassistischen Vision, nicht von einem per se rassistischen Staat, auch wenn natürlich die rechtliche Situation und die notorische Ungleichbehandlung durch staatliche Institutionen von der die 20% betroffen sind ebenfalls diskussionswürdig sind.



        Die derzeitige Regierung Israels mag niemand, das müssen Sie nicht erwähnen, Teil des Problems ist aber auch, dass etwa die Position eines Benny Gantz, gemeinsam mit der Mehrheit der Knesset und der Bevölkerung (wenn man den Umfragen glaubt) ebenfalls völkerrechtswidrig ist.

  • Das die momentane israelische Regierung gegen eine 2-Staaten-Lösung ist, ist jetzt auch nicht wirklich etwas Neues. Zerstörung und Vertreibung ist die Devise.

    • @Des247:

      Das die momentane politische Führung der Palästinenser im Gaza streifen daran auch kein Interesse hat und oben drein noch mit einen genozidalen Massaker einen Krieg vom Zaun gebrochen und sich keinen Deut um die eigene Zivilbevölkerung schert ist auch nichts Neues.

      Eliminatorischer Antisemitismus und Propagandakrieg auf Social Media ist die Devise.

  • Deutschland sollte darauf mit der Anerkennung Palästinas reagieren.

    • @elma:

      "Deutschland sollte darauf mit der Anerkennung Palästinas reagieren."



      Status jetzt ist: beide Seiten lehnen einen Teilungsplan ab.



      Warum jetzt eine Seite bevorzugen?



      Israel hat immerhin seinerzeit den UN-Teilungsplan akzeptiert und einen Staat ausgerufen. Mir wäre neu, dass die Palästinenser ähnliches getan hätten.

      • @Encantado:

        Wenn Deutschland wie viele andere Staaten "Palästina anerkennen" kann, dann muss wohl eine Staatsgründung stattgefunden haben. Insofern haben sie dann etwas Wesentliches verpasst, wenn Ihnen das neu ist. Akzeptanz des Teilungsplans kann dafür kaum Voraussetzung sein, weil die Grenzen Israels ja auch nicht mit diesem Plan übereinstimmen, sondern weit darüber hinaus gehen.

      • @Encantado:

        Zutreffend beantwortet.

        • @Thomas O´Connolly:

          Dem schliesse ich mich an!

  • "Israels Parlament spricht sich erneut gegen die Gründung eines palästinensischen Staates aus."

    Dann soll die Knesset mal erklären, was ihr stattdessen vorschwebt - denn die Optionen sind eine Fortsetzung des Status Quo inklusive menschenverachtender Unterdrückung der Palästinenser, vollständige illegale Annexion der Palästinensergebiete durch Israel mit Unterdrückung der Palästinenser in einem lupenreinen Apartheidsstaat, oder mit Vertreibung der Palästinenser, was ein gigantisches Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen würde.

    Also Tacheles, bitte auch von den "Freunden Israels", die nie müde werden, gegen die Palästinenser zu hetzen: Welche Option darf es sein?

    • @HaMei:

      Die Dritte.

      Die Resolution gibt eine glasklare Begründung: ein Pal. Staat würde zum Hamastan und damit eine Bedrohung für Israel – ein Risiko, das sich nicht leugnen lässt. Für die Rechten ein willkommener Vorwand die Besatzung aufrecht zu erhalten; es ist die Mitte der Isr. Gesellschaft, die vom Gegenteil überzeugt werden müsste.

      Meine Einschätzung ist, dass das nur die Pal. selbst tun können: sie müssen glaubhaft machen, dass es wirklich dauerhaften Frieden bedeutet, wenn sie ihren eigenen Staat bekommen. Dazu müssten sie sich demilitarisieren und auf eine Rückkehr der Flüchtlingsnachkommen und auf Ostjerusalem verzichten. Bestenfalls können sie im Gegenzug andere Gebiete und Finanzhilfen erhalten.

      Ich bin leider nicht sehr optimistisch, dass die Pal. das schaffen. Ich fürchte, wenn überhaupt ein Pal. Staat zustande kommt, dann durch äußeren Druck auf Isr., der den Rückzug erzwingt. Und damit würde die Grundlage für genau jenes Szenario geschaffen, was stand jetzt das wahrscheinlichste ist: Westjordanland wird Hamastan, wieder Krieg, zigtausende Tote, Flucht und Vertreibung. Von den Rechten wird man sich dann noch anhören müssen: „Wir haben es von Anfang an gesagt."

      • @Socrates:

        Mit dieser Logik hätten die Zionisten 1947 glaubhaft machen müssen, dass es einen dauerhaften Frieden bedeutet, wenn sie ihren eigenen Staat bekommen.



        Warum muss der Unterdrückte seinem Unterdrücker Sicherheitsgarantien geben? Wie wäre es zur Abwechslung einmal andersherum: Sicherheitsgarantien Israels für die Palästinenser?

      • @Socrates:

        Sie scheinen es für selbstverständlich zu halten, das Israel die Bedingungen für Palästinena festlegen kann. Der einzige Grund, warum Israel dabei eine Rolle spielt, ist die militärische Kontrolle über Westbank und Gaza die es nicht freiwillig aufgeben will. Und die USA die diese Kontrolle unterstützt, sollten sich Kräfte finden, sie gewaltsam zu beenden. Diese Unterstützung kann aber auch einmal ausbleiben. Es können ja sehr merkwürdige Leute in den USA Präsident werden.



        Der eine große Gegner den Israel in der Region hat, Iran, erfreut sich gerade bester Beziehungen zu China und Russland.



        Das könnte eines Tages einen US Präsidenten bei der Unterstützung Israels sehr vorsichtig werden lassen.

  • Es gibt also in Israel - nur im Parlament oder auch in der Bevölkerung? - eine große Mehrheit dafür, den Palästinensern einen Staat und damit Millionen Menschen (nicht nur in den Palästinensergebieten) eine Staatsbürgerschaft vorzuenthalten - mit allem was an einer Staatsbürgerschaft dranhängt.

  • Ohne Staat keine Staatsangehörigkeit. Oder sehe ich da was falsch?

    • @B. Iotox:

      Nach Hannah Arend das Menschenrecht schlechthin: das Recht auf eine Staatsbürgerschaft.