Japan und seine Streitkräfte: Militär versinkt im Skandalsumpf
Die japanische Regierung plant höhere Verteidigungsausgaben. Doch laxe Disziplin und Moral im Militär schwächen die Unterstützung.
„Diese inakzeptablen Probleme haben das öffentliche Vertrauen untergraben“, erklärte Verteidigungsminister Minoru Kihara. Insgesamt wurden 220 Strafen verhängt. Elf Personen wurden entlassen, zwei degradiert, 83 suspendiert, 14 bekamen Gehaltskürzungen und sieben erhielten einen formellen Verweis, der Rest wurde ermahnt oder verwarnt.
Bei der Hälfte der Vergehen ging es um Disziplinlosigkeit im Umgang mit Geheiminformationen. So erhielten etwa viele Personen ohne Sicherheitsfreigabe Zugang zu Daten über die Bewegung von Kriegsschiffen. „Solch schlampiges Informations-Management ist ein ernstes Problem der nationalen Sicherheit“, klagte die liberale Zeitung Mainichi.
Die kleineren Vergehen zeugen von laxer Moral: Dutzende Marinetaucher beanspruchten Gefahrenzulagen von umgerechnet insgesamt 250.000 Euro für Aufgaben, die sie gar nicht wahrgenommen hatten.
„Führung und Einhaltung von Vorschriften mangelhaft“
Vorgesetzte schüchterten Untergebene ein, obwohl es zu einer Sonderuntersuchung gekommen war, nachdem drei Offiziere im Jahr 2021 wegen sexueller Belästigung einer Soldatin verurteilt worden waren. Marineangehörige gingen in Kantinen von Stützpunkten unberechtigt kostenlos essen.
Außerdem läuft eine Sonderinspektion, wonach der Rüstungszulieferer Kawasaki Heavy Industries U-Boot-Besatzungen mit Elektronikwaren und Biergutscheinen geschmiert haben soll.
Der Stabschef der Marine, Ryo Sakai, sollte mit einer Gehaltskürzung davonkommen, reichte aber seinen Rücktritt ein, da der Schwerpunkt der Vorfälle bei den Seestreitkräften liegt. Als Ursachen nannte er die „mangelnde Beachtung der Vorschriften bei den Truppen und die mangelnde Führungsfähigkeit in der Organisation“.
Vizeadmiral Akira Saito rückt am 19. Juli auf Sakais Posten. Gerügt wurden auch Vizeverteidigungsminister Kazuo Masuda und General Yoshihide Yoshida, Chef des Generalstabs des Ministeriums. Minister Kihara verzichtet freiwillig auf ein Monatsgehalt.
Regierungschef zeigt sich zerknirscht
Premier Kishida stellte sich hinter seinen Verteidigungsminister und entschuldigte sich. „Ich erkenne an, dass die Situation extrem ernst ist und verstehe, dass es in diesem Zusammenhang keinen Raum für Fehler gibt“, sagte der Regierungschef.
Die Vorfälle gefährden seine Politik, die Verteidigungsausgaben bis 2027 auf 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes zu verdoppeln. „Wenn die SDF weiterhin von diesen Problemen geplagt wird, ist es unwahrscheinlich, dass die Öffentlichkeit den Vorschlag der Regierung unterstützt, die Verteidigungsausgaben drastisch zu erhöhen, ganz zu schweigen von Steuererhöhungen zur Finanzierung“, meinte die liberale Zeitung Asahi.
Bisher hat Kishida es vermieden, sich auf den Zeitpunkt von Steuererhöhungen festzulegen, mit denen er die Extraausgaben finanzieren will. Laut dem neuen Verteidigungsweißbuch hat die Regierung 42 Prozent der benötigten 43,3 Billionen Yen (250 Milliarden Euro) für zusätzliche Rüstungsprojekte sichergestellt.
Bei Japans Verbündeten wiederum dürften frühere Zweifel wieder zunehmen, ob man Japan bei der geplanten Verstärkung der militärischen Kooperation sensible Daten anvertrauen kann. So wollen Japan und die USA bis Anfang 2025 eine gemeinsame Einsatzzentrale einrichten, um eine integrierte Führung der japanischen Streitkräfte auch in Friedenszeiten zu ermöglichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen