Machtkampf in der AfD Thüringen: Führerprinzip greift nicht mehr

Björn Höckes Landesvorstand hat zwei Kandidaten für die Landtagswahl gecancelt. Seitdem kracht es – Beteiligte werfen sich Sabotage und Intrigen vor.

Politiker Björn Höcke in rotem Licht.

Thüringens AfD-Vorsitzender Björn Höcke Foto: Hendrik Schmidt/dpa

BERLIN taz | Es ist ein Lehrstück über autoritäre Machtpolitik: Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke hat im Westen Thüringens gezeigt, was er von seiner Parteibasis hält, wenn sie nicht nach seiner Pfeife tanzt. Sein Landesvorstand hat dort kurzerhand zwei missliebigen Direktkandidaten die notwendige Unterschrift verweigert und so dafür gesorgt, dass zwei AfD-Politiker im Wartburgkreis nicht zur Landtagswahl im September antreten können. Die Wahlkreise dürften nun an die CDU gehen.

Das mag auf den ersten Blick zwar unlogisch erscheinen, ergibt aber wahltaktisch durchaus Sinn für Höcke: Denn der ist zwar die Nummer 1 auf der Thüringer AfD-Liste, aber ob ihm das auch einen Platz im Landtag sichert, ist nicht hundertprozentig gewiss. Denn angesichts hoher Umfragewerte in Thüringen könnte es sein, dass so viele Direktkandidaten für die AfD ins Landesparlament einziehen, dass die Landesliste der extrem rechten Partei gar nicht erst zieht. Weil Höcke selbst bei vielen Wäh­le­r*in­nen vergleichsweise unbeliebt ist, könnte also ausgerechnet der Landesvorsitzende in die Röhre gucken. Höcke hatte sogar extra den Wahlkreis gewechselt, um bessere Chancen zu haben.

Das Risiko besteht auch für den Zweitplatzierten der Landesliste, den Co-Chef des Landesverbands Thüringen, Stefan Möller. Der betrieb ebenfalls Wahlkreis-Hopping und wechselte von Erfurt ins ländliche Unstrut-Hainich. Würden beide nicht direkt gewählt, müssten in diesem Szenario andere Di­rekt­kan­di­da­t*in­nen der AfD verzichten.

Mit der verweigerten Unterschrift haben Höcke und Möller nun dafür gesorgt, dass schon mal zwei Direktkandidaten weniger für die AfD antreten. Zuvor hatten sie bereits mit anderen Mitteln erfolglos versucht, deren Nominierung zu verhindern: Höcke und Möller hatten ihre Wahl angefochten und sogar vor dem Landesschiedsgericht eine Neuaufstellung erwirkt. Dagegen jedoch klagten wiederum die bereits gewählten Direktkandidaten erfolgreich. Danach konnten Höcke und Möller nichts mehr gegen ihre Aufstellung machen – außer ihre laut Wahlgesetz nötige Unterschrift zu verweigern.

Merkel-Vorwurf gegen Höcke

Groß jedenfalls ist nun die innerparteiliche Kritik an Höcke – und zwar nicht nur als Grummeln an der Basis, sondern auch beim Wartburger Bundestagsabgeordneten Klaus Stöber. Der kritisierte seinen Landeschef öffentlich und wütend auf Facebook – ein Kanzlerinnen-Vergleich darf dabei natürlich nicht fehlen. Stöber schreibt: „Wer im Stil von Angela Merkel eine ordnungsgemäße Wahl rückgängig macht, weil ihm die gewählten Kandidaten nicht passen, der hat jede Bodenhaftung verloren und disqualifiziert sich nicht nur als Landesvorsitzender, sondern auch als möglicher Ministerpräsident!“

Natürlich hat Merkel keine Wahl rückgängig gemacht und ebenso wenig hat Höcke derzeit reale Machtoptionen auf das Ministeramt – aber die Kritik dürfte in der AfD dennoch verfänglich sein. Höcke habe so die Basisdemokratie mit Füßen getreten, schimpft Stöber. Wegen der „niederträchtigen Art“ des Vorstands droht er gar mit einem rechtlichen Nachspiel. Ebenso fordert Stöber das Eingreifen des Bundesvorstands um Alice Weidel und Tino Chrupalla: Der müsse die Reißleine ziehen. Man dürfe sich den Erfolg nicht „von Egozentrikern wie Björn Höcke kaputt machen lassen“, so Stöber.

Auch er hält den möglichen Misserfolg bei einer Direktkandidatur für das Motiv des Landesvorstands. Höcke habe bei der Aufstellungsversammlung eigene Kandidaten durchdrücken wollen, wegen des Risikos, dass er und Möller nicht in den neuen Landtag einzögen, schreibt Stöber. Der Vorstand habe einen „regelrechten Kandidatentourismus organisiert, mit dem Ziel, Mitglieder des Landesvorstands inklusive enger Mitarbeiter und Vertrauter auf aussichtsreiche Wahlkreise zu verteilen“. Stöber schreibt gar von rund einem Dutzend Vertrauten der Landesvorsitzenden, die vom Vorstand verteilt worden seien. Das habe nicht nur im Wartburgkreis, sondern auch anderswo für Verärgerung gesorgt.

Tatsächlich treten auch enge Mitarbeiter von Höcke und Möller in neuen Wahlkreisen an – etwa Höckes rechte Hand und Büroleiter Robert Teske, der direkt im Kyffhäuserkreis antritt, wo die AfD bei der Europawahl 35 Prozent holte. Genau so viel erhielt die Partei in Sömmerda/Gotha, wo sicher nur zufällig Möllers Mitarbeiter Daniel Haseloff antritt. Beide sind stramm völkisch.

„Seilschaften, Intrigen, Verschwörungen“

Die Antwort von Höcke und Möller ließ nach der Kritik nicht lange auf sich warten. Sie verschickten am Samstag ein sperrig formuliertes dreiseitiges Mitgliederrundschreiben zu den Vorwürfen von Stöber. Es liegt der taz vor. Darin spricht der Vorstand von Falschbehauptungen und sieht trotz des gegenteiligen Gerichtsurteils weiter angebliche Formfehler bei der Aufstellung. Stöber und den übrigen Beteiligten attestiert er „unfaires und intrigantes Vorgehen“ sowie „Seilschaften, Intrigen, Verschwörungen“.

So richtig konkret wird das Schreiben aber nicht: die vom Landesvorstand favorisierten Kandidaten seien mit „verdeckten Aktivitäten“ diffamiert und demontiert. Es habe eine „Kampagne gegen sämtliche Mitbewerber“ gegeben – hinter der wiederum Stöber und einer der Kandidaten gesteckt hätten. Weil es dann bei der Aufstellungsversammlung nur drei Minuten Redezeit zur Vorstellung gegeben hätte, hätten etwaige Vorwürfe nicht ausgeräumt werden können – „die Aufstellungsversammlung verkam zur Farce“, so das Rundschreiben.

Der Rundbrief endet mit einer Drohung: Der Landesvorstand werde alle Bestrebungen „mit den geeigneten und zur Verfügung stehenden Möglichkeiten“ bekämpfen, mitten im Wahlkampf öffentliche Konflikte vom Zaun zu brechen, „wie es bedauerlicherweise unser Bundestagsabgeordneter Klaus Stöber nun getan hat“.

Bröckelt Höckes Macht?

Die Episode zeigt, wie angreifbar Höcke momentan ist: Bereits bei den Kommunalwahlen vor ein paar Wochen wurde Höcke offen von innerparteilicher Konkurrenz heftig kritisiert. In Saalfeld-Rudolstadt hatten ihm die Kandidaten für den Kreistag nicht gepasst. Höcke hatte dreimal erfolglos gegen die AfD-Liste geklagt, belegte seine Gegner mit Parteiausschlussverfahren und entzog ihnen die Mitgliedsrechte. Danach ließ Höcke kurzerhand seine Leute mit einer eigenen Liste gegen die offizielle AfD antreten – der „Alternative für den Landkreis“, die mit seinem Konterfei warb. Am Ende nahmen sich beide Alternativen gegenseitig die Stimmen weg.

Einer der beteiligten, der Landtagsabgeordnete Karlheinz Frosch, ist mittlerweile aus der AfD ausgetreten – nicht ohne Höcke dabei als „Narzissten“ und „Gernegroß“ zu beschimpfen, der mit demokratischen Gepflogenheiten wenig am Hut habe und sich mit „Ja-Sagern“ umgebe, die „morgens mit Bier an der Tankstelle stehen“. Der Landesvorstand um Höcke ficht die Wahl in Rudolstadt an, der Ausgang ist offen.

Höcke weilt unterdessen im Urlaub. Aber nicht nur deswegen dürfte die Quittung für seinen autoritären Führungsstil damit ungelegen kommen. Denn obwohl sich sein Lager wegen der anstehenden Landtagswahlen auf dem letzten Parteitag sichtlich zusammengerissen hatte, um schwelende Konflikte nicht offen auszutragen, wirkte Höcke zuletzt angeschlagen.

Dafür sorgt nicht nur die offene Kritik in Thüringen, sondern zuletzt auch öffentlich ausgetragene Konflikte mit Maximilian Krah sowie dem Bundesvorstand. Hinzu kommen die beiden Verurteilungen wegen der wiederholten Verwendung einer SA-Parole. Ein weiterer Prozess wegen Volksverhetzung steht Höcke noch bevor.

Der Bundesvorstand um Weidel und Chrupalla indes hielt sich fein heraus. Sie wollten sich auf taz-Anfrage nicht zur Angelegenheit äußern.

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