Jahresbericht Entwicklungspolitik: NGOs warnen vor Kürzungen
Entwicklungsorganisationen stellen ihre Analyse der deutschen Afrikapolitik vor. Sparkurs würde besonders „vergessene“ Krisenregionen treffen.
BERLIN taz | „Mit großer Sorge“ betrachten die Entwicklungsorganisationen Welthungerhilfe und terre des hommes den Rückgang der deutschen öffentlichen Entwicklungsleistungen im Jahr 2023. Im Gegenteil brauche es mehr und vor allem zuverlässige Finanzierung, betonten die Organisationen bei der Vorstellung ihrer jährlichen Analyse der deutschen Entwicklungspolitik am Mittwoch in Berlin.
Die Haushaltsdebatte für den nächsten Etat läuft noch – geplant ist mindestens eine weitere Milliarde weniger für das Entwicklungsministerium. Joshua Hofert warnt, dass besonders in „vergessene Krisen“ weniger investiert werde. In Somalia und Myanmar etwa seien geplante Projekte nicht bewilligt worden. „Die Einsparungen von heute sind die Krisen von morgen.“, appelliert Hofert an die Bundespolitik.
Das zeige sich etwa in der Sahelzone. Militärische Top-down-Strategien hätten sich als unwirksam erwiesen. Organisationen wie die Welthungerhilfe und terre des hommes, die über ein jahrzehntelanges verlässliches Netzwerk verfügen und eng mit Partnerorganisationen vor Ort kooperieren, hingegen seien gut aufgestellt. Gerade in diesen hochgradig fragilen Kontexten biete die Entwicklungsarbeit ein befriedendes Potenzial, erklärt Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe.
Entwicklungspolitik konkret
Konkret haben die Organisationen etwa in Burkina Faso mit Übergangsschulen für geflüchtete Jugendliche aus den bewaffneten Gebieten Perspektiven geschaffen und durch geförderte Kleinstunternehmen Einkommen ermöglicht – und damit den Druck minimiert, dass sich Jugendliche den Dschihadisten anschließen. Mit den aktuellen Kürzungen seien laut der NGOs solche Projekte aber nicht mehr oder schwerer zu finanzieren.
Besonderer Fokus der diesjährigen Analyse der NGOs liegt auf der Afrikapolitik der Bundesregierung. Hier müsse es mehr Klarheit zwischen den Ressorts in der Bundesregierung geben. Außerdem müsse sie die Wahrnehmung von Afrika als „Krisenkontinent“ an die Wirklichkeit anpassen, betont Mogge. Gerade in Bezug auf die Eindämmung der Klimakrise und den Fachkräftemangel biete der Kontinent „unglaubliches Potenzial“.
Leser*innenkommentare
Perkele
Und da gibt es tatsächlich Leute, die sich wundern, dass viele der Menschen dort fliehen um zu überleben. Das passt ja auch alles gut zusammen: Entwicklungshilfe zusammenstreichen und "Frei"-Handelsverträge abschließen, die der dortigen Infrastruktur den Garaus macht. Und dann verhöhnt man diese Menschen als "Wirtschaftsflüchtlinge". Sehr liberal, sehr christlich das alles....
rero
@Perkele Die, die ums Überleben kämpfen müssen, können sich die Schlepper nicht leisten.
Das sind so die Mythen, die die strukturelle Ungerechtigkeit des derzeitigen Asylsystems.
Wer mit Überleben beschäftigt ist, schafft es typischerweise nur ins Nachbarland und sitzt dort im Elend.
Perkele
@rero Ja, das ist richtig. Die Leute bleiben erst mal in der Nähe. Doch dass man sich Schlepper nicht so einfach leisten kann, das verhindert nicht, deren Verbrecherdienste dennoch zu nutzen, indem man sich -mitunter auf Lebenszeit- denen als Sklave ausliefert. Diese Typen versprechen den Leuten das Blaue vom Himmel und fangen sie so ein. Ich bleibe dabei: wir müssen uns um die Lebensbedingungen in den Ländern bemühen und faire Verträge aushandeln und nicht auch noch Entwicklungshilfe kürzen.