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DFB-Aus im ViertelfinaleIm Land der Miesmacher

Bundestrainer Julian Nagelsmann hat forsch angekündigt, man müsse zwei Jahre warten bis zum Titel. Sein Kader legt nahe: Es könnte auch länger dauern.

Vor dem Umbau: eine DFB-Elf mit Manuel Neuer und Toni Kroos wird es nicht mehr lange geben Foto: Weller/dpa

Julian Nagelsmann merkte erst an den ungläubigen Journalistengesichtern, dass er da wohl etwas Ungewöhnliches gesagt hatte. „Die gefällt euch, die Aussage, gell?“, stellte er nach fixem Rundumblick fest. Zum knappen Scheitern im Viertelfinale gegen Spanien in der letzten Minute der Verlängerung hatte er gerade erklärt: „Das tut weh, und auch, dass man zwei Jahre warten muss, bis man Weltmeister wird.“

Solch forsche Kampfansagen wie diese von Stuttgart sind tatsächlich gewöhnungsbedürftig, auch wenn Nagelsmann im Nachgang versuchte, sie etwas abzumildern. Das wolle doch jeder, der an so einem Turnier teilnimmt. Im September 2023 war sein Vorgänger Hansi Flick nach einer Testspielniederlage gegen das eigentlich schwächer eingeschätzte Japan noch bemüht gewesen, eine neue Bescheidenheit zu etablieren. „Die Japaner sind alle top ausgebildet, haben die Basics drauf. Wir im deutschen Fußball müssen mal aufwachen und an den Dingen arbeiten.“

Nagelsmann, das wurde auch am Samstag bei seinem letzten öffentlichen Auftritt klar, versteht sich als leidenschaftlicher Spender positiver Energie in einem Land der Miesmacher. Und er gab seine Wunschvorstellung preis, die DFB-Elf könnte mit ihrem Auftritt bei dieser Europameisterschaft obendrein noch eine gesellschaftliche Aufbruchstimmung in Gang bringen. Obwohl das nun wohl schon wieder unter den schwerwiegenden Vorwurf der Miesmacherei fällt, sei der Hinweis erlaubt: Für den nächsten Weltmeistertitel ist eventuell mit einer größeren Wartezeit zu rechnen.

Das Funken der Aufbruchssignale erfolgte nämlich aus dem EM-Camp, wo sich die letzten Wochen mit 28,5 Jahren der älteste Kader des Turniers versammelt hatte. Mit dem 34-jährigen Toni Kroos hatte Nagelsmann noch einmal Anleihe aus dem deutschen Weltmeisterschaftskader von 2014 genommen, um das Team zu stabilisieren.

Da werden wir sicher am Kader etwas machen.

Julian Nagelsmann zu künftigen Planungen

Ein schlauer Schachzug des Trainers, wie sich nun herausstellte, ebenso wie das Hinzuholen formstarker Spieler unabhängig von ihren Meriten in der Vergangenheit. Zukunftsträchtiger hat das aber den Kader nicht gemacht. Robert Andrich feiert trotz seiner jugendlichen Experimentierfreude mit Haarfarben in wenigen Wochen bereits seinen 30. Geburtstag. Und bei Maximilian Mittelstädt, 27, deutet ebenfalls nicht viel daraufhin, dies wäre nun erst der Anfang einer langen Nationalmannschaftskarriere gewesen.

Leistungsträger auf der Schlussrunde

Thomas Müller ließ am Freitagabend in den Katakomben von Stuttgart durchblicken, der Einsatz gegen Spanien könnte sein letzter gewesen sein. Er werde sich mit dem Bundestrainer in den nächsten Tagen darüber austauschen. Ein ähnliches Gespräch könnte mit Manuel Neuer, 38, anstehen. Auf İlkay Gündoğan, 33, wird Nagelsmann angesichts der größeren anstehenden Umbauarbeiten gewiss erst einmal nur ungern verzichten.

Jenseits der großen Versprechen der Zukunft, Florian Wirtz und Jamal Musiala, klaffen im deutschen Kader perspektivisch einige Lücken. Nachwuchssorgen gibt es nicht erst seit gestern auf den Außenverteidigerpositionen und im Sturmzentrum. Etwas besser sind die Aussichten im defensiven Mittelfeld, wo dem 20-jährigen Aleksandar Pavlović, der beim FC Bayern bereits bemerkenswerte Auftritte hatte, erste EM-Erfahrung nur wegen einer Verletzung versagt blieben. Angelo Stiller, 23, konnte sich wiederum als eine der Stützen beim VfB Stuttgart profilieren.

Julian Nagelsmann kündigte für den bereits in acht Wochen anberaumten Start der Nations League ein anderes Gesicht der deutschen Nationalmannschaft an. „Da werden wir sicher am Kader etwas machen.“ Das sei notwendig, um dann auch den „perfekten Kader“ für die wichtige WM-Qualifikation zusammenzustellen.

Zu den Perspektiven des deutschen Teams äußerte sich Thomas Müller, der unverdächtig ist, ein Miesmacher zu sein, etwas zurückhaltender als sein Trainer. Er glaube schon, „wenn man den Weg weitergeht, man in den nächsten Jahren auch wettbewerbsfähig bleibt. Die Garantie, dass man Halbfinals bucht oder so, die hat man halt nicht.“

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4 Kommentare

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  • Am Sonntagabend werden wir vielleicht realisieren dürfen, dass ein 1:2 in der Verlängerung das beste Ergebnis war, das irgendwer bei der Euro gegen Spanien hat einfahren können. Das wäre beileibe keine schlechte Ausgangsposition.

    Auch wenn mit Kroos natürlich der Dreh- und Angelpunkt DIESES



    Teams zukünftig fehlen wird, heißt das nicht, dass es nicht Mittel und Wege gäbe, seinen Weggang zu kompensieren. Neuer ist zwar einzigartig, aber das heißt nicht, dass die DFB-Elf nach seinem Abgang ein Torwartproblem hätte. Und Müller wird auf der Bank fehlen (wenn er sich da nicht ohnehin als Ersatz für Sandro Wagner über kurz oder lang einfindet) aber weniger auf dem Platz.

    Vor allem aber hat Nagelsmann jetzt eine Quali und zwei Jahre Zeit, den Kader da hinzubringen, wo de la Fuente den seinen dieses Jahr hatte. Das ist eine deutlich längere Zeit, als ihm für die Euro gelassen wurde. Wir haben an Österreich gesehen, was eine gute, engagierte Trainerleistung alles Ungeahntes aus einem Kader herausholen kann, wenn man sie auch wirken lässt.

  • Seltsam, wenn sich andere Länder als Aspiranten für den Sieg deklarieren (obwohl sie Antifußball bieten), finden das viele normal.



    Wenn sich ein deutscher Trainer traut, das selbstverständliche Ziel auszugeben, wird das bekrittelt.



    Natürlich hat jede Mannschaft das Ziel, egal wie es ausgehen könnte. Sieht man ja jedes Mal, wie es am seidenen Faden hängt. (3 Minimalismus-Mannschaften stehen im HF).



    Vielleicht erhält ja doch noch mal der Gedanke von besserer eigener Nachwuchsförderung (statt lediglich teurer Millionenkäufe auswärts) eine Chance.

  • Das Miessmachen ist deutscher Sport. Auch in den Nachrichten heisst es: Sportler oder Sportlerin XY hat den ersten Platz verpasst, und nicht hat Silber gewonnen.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Stoffel:

      Wenn wochenlang über einen zu erwartenden Sieg von XX/XY medial gemunkelt wurde, ist die seriöse Nachricht nach einem Favorit*innen-Nicht-Sieg: „Erster Platz verpasst." Spötter würden berichten: „Silber gewonnen."