Ein Job, der ihm gefällt

In seiner Komödie „A Killer Romance“ zerstört der Regisseur Richard Linklater den Mythos des Auftragsmörders – mit Leichtigkeit und wunderbar aufgelegtem Schauspielensemble

Mörderische Anziehung: Madison (Adria Arjona) und Gary Johnson (Glen Powell) Foto: Leonine

Von Barbara Schweizerhof

Gary Johnson (Glen Powell) ist die Unauffälligkeit in Person: ein nerdiger Typ mit Brille und lahmen Kakihosen. Die Begeisterung, mit der er als Collegelehrer zu Beginn von „A Killer Romance“ seinen Studenten von Nietzsche erzählt – „den größten Genuss vom Dasein einzuernten, heißt: gefährlich leben!“ – hat etwas Lächerliches. „Und das von jemandem, der einen Honda Civic fährt“, flüstert einer seiner Studenten die Augen verdrehend seinem Sitznachbarn zu. Aber natürlich täuscht der Anschein.

Gary mag zwar kein gefährliches Leben führen, aber es ist eines voller Leidenschaften: Man sieht ihn beim sorgfältigen Befüllen von Vogelfutterbehältnissen und Fressnäpfen für mehrere Katzen. Aus dem Off erzählt er von seinen in viele Richtungen ausschweifenden Interessen, die von „Birding“ über Technologie bis zur inneren Natur des Menschen reichen. Sie haben ihn zu einem doch eher ungewöhnlichen Nebenerwerb geführt: Im Auftrag der Polizei von New Orleans verkabelt er Undercover-Agenten bei verdeckten Ermittlungen. Seine Einheit hat sich auf einen Verbrechenstyp spezialisiert: Sie versuchen, Menschen auf frischer Tat zu ertappen, die Auftragsmörder engagieren wollen.

Üblicherweise sitzt Gary bei diesen Operationen an den Abhörgeräten im abgedunkelten Lieferwagen. Doch auf einmal heißt es, dass Kollege Jasper (Austin Amelio), der sonst immer den Auftragskiller mimt, wegen sexueller Übergriffigkeit – „alles Cancel-Culture-Bullshit!“ – vom Dienst suspendiert sei und deshalb nun schnell er, Gary, einspringen müsse. Gary gerät kurz ins Schwitzen, aber schon als er die bequemen Shorts für die Jeans seines Polizeikollegen tauscht, kommt ein gewisser „swagger“ in seinen Gang, eine Großspurigkeit.

Und es kommt, wie es in Filmen wie diesen vermeintlich immer kommen muss: Gary erweist sich als Naturbegabung. Beim Gespräch mit dem Verdächtigen, dem er die eindeutige Mordauftragsabsicht entlocken muss, erfindet er zur Betonung seiner Glaubwürdigkeit als Profikiller aus dem Stegreif ein paar so blumige wie horrende Details, dass hinterher sogar seine Polizeikollegen schwer beeindruckt sind.

Bis dahin könnte man noch denken, dass es dem Regisseur Richard ­Linklater hier um die schon oft erzählte Verwandlung eines biederen Charakters in einen interessanten Mann mit Abgründen geht. Aber unter der ihrerseits unauffälligen Oberfläche einer ansprechenden Mischung aus Gangsterkomödie, Film noir und Romcom trotzt der texanische Independent-Regisseur dem Thema Profikiller einige ungewöhnliche Seiten ab.

Zuerst wird regelrecht ein Mythos zerstört: Beim „Contract Killer“ oder „Hit Man“ (so auch der Originaltitel des Films) handle es sich um eine reine Erfindung der Populärkultur, erzählt Gary im College-Lehrer-Modus aus dem Off. Warum solle irgend jemand dazu bereit sein, eine mögliche Todesstrafe zu riskieren, um für gar nicht mal so viel Geld einen Menschen zu töten?

Eine großartige Montage von alten und aktuellen, bekannten und abseitigen Beispielen aus Film und Fernsehen unterstreicht, dass es sich tatsächlich um eine weltweit verbreitete popkulturelle Obsession handelt. Kurze Szenen aus Klassikern wie „This Gun for Hire“ (1942), Kultfilmen wie „The Mechanic“ (1972), Insiderbeispielen wie dem japanischen „A Colt Is My Passport“ (1967) oder aktuellen Serien wie dem australischen „Mr Inbetween“ belegen, dass im Kino und auf dem Bildschirm kein Profikiller so ganz wie der andere ist.

Es kommt, wie es immer kommen muss: Gary erweist sich als Naturbegabung

So entdeckt auch Gary die Metapher als Chance. Während er im Auftrag der New Orleans Police ausnutzt, dass Menschen aller Couleur den Mythos „Profikiller“ für wahr halten, findet er an seinem Job überraschend großen Gefallen. Nicht an dem, was er spielt, sondern am Spielen selbst, an den Verkleidungen dieses Popkulturkonstrukts „Hit Man“. Er recherchiert die Verdächtigen mit wissenschaftlichem Eifer, um herauszufinden: Welches wäre der jeweils richtige Profikiller für die habgierige Ehefrau, den neidischen Nachbarn, das rachsüchtige Muttersöhnchen?

So gut kann er sich bald auf seine Klientel einstellen, dass aus der Begegnung mit Madison (Adria Arjona) ein echtes „meet cute“ wird. Madison will ihren kontrollierenden Ehemann loswerden, aber als „Ron“ spürt Gary, wie er Eindruck auf die junge Frau macht. Und auf einmal hat er keine Lust mehr, sie zu überführen. Madison wiederum wird sich als wahre Femme fatale erweisen, die „Ron“ bald dazu bringt, Dinge zu tun, die Gary von sich nie für möglich hielt.

Mit verführerischer Leichtigkeit – und einem wunderbar gut aufgelegten Schauspielensemble – ­dekons­truiert Linklater das Gewese des Auftragskillers. Allerdings nicht, um ein falsches Bild der Wirklichkeit zu korrigieren, sondern viel eher, um diese großartige Möglichkeit zu feiern, die das Kino uns bietet: im imaginären Rollenspiel jene Gefahr in unser Leben zu bringen, von der Nietzsche sich so viel Genuss versprach.

„A Killer Romance“. Regie: Richard Linklater. Mit Glen Powell, Adria Arjona u. a. USA 2023, 116 Min.