Wahlkampf in Großbritannien: „Kneipenschwätzer“ mit „Putin-Virus“
Der britische Rechtspopulist Farage macht den Westen für Putins Einmarsch in der Ukraine verantwortlich. Die Empörung darüber facht ihn weiter an.
„2014 stand ich im Europaparlament auf und ich sagte, ich zitiere: ‚Es wird Krieg in der Ukraine geben‘“, erläuterte Farage am Freitag in einem BBC-Fernsehinterview im Zusammenhang mit Russlands Präsidenten Putin. „Warum sagte ich das? Mir war klar, dass die endlose Osterweiterung der Nato und der Europäischen Union diesem Mann (er zeigt auf ein Bild von Putin) einen Grund gab, seinem Volk zu sagen, ‚Die kommen uns wieder zu nahe‘ und in den Krieg zu ziehen.“ Ja, der Westen habe Russlands Einmarsch in der Ukraine 2022 provoziert, bestätigte er auf Nachfrage.
„Was er sagte, war völlig falsch und spielt Putin in die Hände“, empörte sich Premierminister Rishi Sunak. Labour-Oppositionsführer Keir Starmer nannte Farages Worte „eine Schande“. Eine seltene Einmütigkeit der beiden Spitzenpolitiker – und eine Steilvorlage für Farage.
In der Samstagsausgabe des konservativen Hausblatts Daily Telegraph schrieb Farage unter dem Titel „Die Irrtümer des Westens in der Ukraine waren eine Katastrophe und ich werde mich nicht dafür entschuldigen, die Wahrheit zu sagen“, er habe als einziger immer recht behalten, denn „der Westen hat Putin in die Hände gespielt“ und Russland zum Krieg provoziert.
Damit provozierte Farage noch schärfere Widerrede. „Ekelhafter Quatsch“, twitterte Expremier Boris Johnson. Exverteidigungsminister Ben Wallace nannte Farage einen „Kneipenschwätzer“. Sogar das Verteidigungsministerium veröffentlichte ein Kurzvideo mit „Fakten über die Nato“. Und aus dem Präsidialamt in Kyjiw vermeldete ein BBC-Journalist den Kommentar: „Leider infiziert der Virus des Putinismus Menschen, und er kann schlimmere Folgen haben als Covid.“
Die Sonntags-Boulevardzeitung Mail on Sunday schlagzeilte daraufhin „Selenskyj: Farage mit Putin-Virus infiziert“, woraufhin Farage rechtliche Schritte ankündigte.
Am Montag legte Farage mit einer außenpolitischen Grundsatzrede nach. Auf einer südostenglischen Wiese schäumte der Reformführer, er werde keine Belehrungen von Parteien annehmen, die für die Kriege in Irak und Libyen verantwortlich seien. Er erklärte sich zum Champion der Nato und des Bündnisses mit den USA – Farage ist mit Donald Trump befreundet – und sagte, weder das 2-Prozent-Ziel der Nato für Verteidigungsausgaben als Anteil des Bruttoinlandsprodukts seien ausreichend noch das 2,5-Prozent-Ziel Rishi Sunaks: 3 Prozent müssten es schon sein.
Immerhin trifft Farage einen Nerv: Im britischen Wahlkampf werde zu wenig über Außenpolitik gesprochen, monierte er. Dafür hat er nun gesorgt. Und man spricht über ihn. Logisch, wie er der BBC erklärte: „Ich bin der einzige in der britischen Politik, der vorhersagte, was passieren würde.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos