Stuttgart 21: Neuer Bahnhof wieder verspätet

Die Kosten für das Großprojekt in Baden-Württembergs Hauptstadt brechen Rekorde. Jetzt verschiebt sich auch die Eröffnung um ein weiteres Jahr.

Rohbau eines unterirdischen Bahnhofs. Die Tunnelwände sind lichtgeflutet. Auf den zukünftigen Bahnsteigen steht noch Baustellenmaterial

Unterirdisch: der neue Bahnhof in Stuttgart im Januar 2024, immer noch Baustelle Foto: Bernd Weißbrod/dpa

BERLIN taz | Der neue, unterirdische Hauptbahnhof in Stuttgart hat Verspätung – noch mehr als bisher gedacht. Zuletzt plante die Deutsche Bahn, Stuttgart 21 (S21) im Dezember 2025 zu vollenden. Jetzt wird die Eröffnung des Neubaus um ein weiteres Jahr, auf Ende 2026, verschoben, das gab der Lenkungskreis des Großprojekts am Dienstagnachmittag bekannt.

Ein Hauptgrund für die Verzögerung ist laut Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), dass die Digitalisierung des ­Knotenpunkts Stuttgart im Schienennetz komplexer ist als ursprünglich angenommen. Dort solle Mitte 2026 schrittweise der Testbetrieb beginnen. „Dazu gehört, dass immer mehr Züge mit Fahrgästen durch den neuen Bahnhof fahren“, erklärte Berthold Huber, DB-Vorstand für den Bereich Infrastruktur.

Bisher ist der Hauptbahnhof in der baden-württembergischen Landeshauptstadt ein oberirdischer Kopfbahnhof, 2010 begannen die Bauarbeiten für einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Hinter Stuttgart 21 steckt mehr als nur der Neubau in der Innenstadt, der gesamte Bahnknoten soll neu organisiert und modernisiert werden: Dutzende Schienenkilometer werden verlegt, Tunnel, Brücken und eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Wendlingen und Ulm gebaut. Auf Letzterer startete der Bahnverkehr im Jahr 2022.

„Der alte Kopfbahnhof war unsere Rettung“, sagte Verkehrsminister Hermann. Die bisherige, überirdische Infrastruktur könne das ganze Jahr 2026 über noch mitgenutzt werden. „Das war unser Puffer“, gestand der Grüne. Trotzdem sprach er davon, dass die Pläne für die vollständige Eröffnung „einstweilig“ seien. „Die Inbetriebnahme bleibt ambitioniert“, so Hermann.

Stuttgart 21: Eröffnung war ursprünglich 2019 geplant

„Das ist sicherlich nicht die letzte Verzögerung“, schätzte Dieter Reicherter, Sprecher des Aktionsbündnisses Kopfbahnhof 21, im Gespräch mit der taz. Seit Jahren macht das Bündnis gegen S21 mobil, noch immer seien mehrere hundert Menschen regelmäßig aktiv, sagte Reicherter.

Das Großprojekt Stuttgart 21 tüftelten Planer der Deutschen Bahn schon in 90er Jahren aus. Seit 2009 gibt es einen Finanzierungsvertrag zwischen dem Bund, dem Land Baden-Württemberg, der Stadt Stuttgart, dem Verband der Region, der Flughafen Stuttgart GmbH und der DB. Darin steht, dass S21 „bis spätestens Dezember 2019“ in Betrieb genommen werden soll. 2012 kündigte die Bahn die erste Verzögerung an und verschob den Termin auf 2020; 2013 sagte sie die Eröffnung für Ende 2021 voraus. Seit Anfang 2018 hieß es, das Großprojekt werde 2025 abgeschlossen.

Gleichzeitig sind die Kosten immer weiter gestiegen: In der Finanzierungsvereinbarung 2009 war von gut 3 Milliarden Euro Baukosten und 1,45 Milliar­den Euro Puffer die Rede. 2022 räumte die DB ein, dass das Projekt insgesamt 9,15 Milliarden Euro koste – und dass weitere 640 Millionen Euro als Risikopuffer eingeplant werden. Seit Dezember 2023 kursieren Berichte über zusätzliche 1,7 Milliarden Euro. Der neue Eröffnungstermin koste rund 100 Millionen Euro, sagte DB-Vorstand Huber – die seien aber durch den Risikopuffer gedeckt.

Bernd Riexinger, Linke

„Seit dem Gerichtsurteil stellt sich die Frage, woher die Milliarden kommen sollen“

Die insgesamt rund 7 Milliar­den Euro Mehrkosten muss allein die Deutsche Bahn tragen, zumindest nach aktuellem Stand. Das entschied das Stuttgarter Verwaltungsgericht im Mai 2024 in erster Instanz, die DB sagte, sie prüfe, ob er in Revision geht. „Seit dem Gerichtsurteil stellt sich die Frage, woher die Milliarden kommen sollen“, sagte Bernd Riexinger, verkehrspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag. Riexinger fürchtet: Wenn die Bahn so viel Geld in Stuttgart 21 stecken muss, werde es in anderen geplanten Infrastrukturprojekten knapp.

Mit dieser Sorge ist der Linke nicht allein. Das deutsche Schienennetz ist marode, Ausbau und Sanierung sind dringend nötig. Hier habe der Staatskonzern jahrzehntelang gespart und die Verkehrswende gebremst, kritisiert etwa die Initiative Bürgerbahn. Währenddessen versinke immer mehr Geld im Stuttgarter Bahnhof.

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