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Protestcamps an UnisDialogbereitschaft und Straflust

Antisemitische Ausfälle lassen sich nicht nur mit Dialog einhegen. Und Jugend ist kein Blankoscheck für gefährlichen Quatsch. Unsicherheiten bleiben.

Pro-palästinensische Ak­ti­vis­t:in­nen in der Humboldt Universität zu Berlin am 23. Mai Foto: Soeren Stache/dpa/picture alliance

W enn es irgendwo in Deutschland heißt, „Antisemitismus hat bei uns keinen Platz“, dann ist es meistens schon zu spät. Zu spät, da dieser Ausspruch eine Reaktion auf schon begangene antisemitische Taten ist, sich der Antisemitismus also schon den Platz genommen hat.

So geschehen an der Universität Bonn. Die Universitätsleitung reagierte Ende Mai mit diesem hilflosen Satz auf die Besetzung des Hauptgebäudes durch die israelfeindliche Gruppe „Students for Palestine“. Seit Anfang des Monats hatte die Gruppe auf dem Gelände der Universität ein Protestcamp errichtet, Mitte dieser Woche eskalierte es dann. Bei einem Vortrag des Antisemitismusforschers Lars Rensmann über die „Judenfeindschaft heute“ störten Teilnehmer die Veranstaltung. Von der Aufklärung über Judenhass fühlten sich einige wohl belästigt. Ein Mann rief „Freiheit für Palästina“, obwohl es in dem Vortrag nicht um das israelische Vorgehen im Gazastreifen ging. Später folgten körperliche Angriffe. Ein gewaltfreies Umfeld, für das sich die Universitätsleitung versprochen hatte einzusetzen, gab es also bereits wenige Tage nach dem Statement der Unileitung nicht mehr.

Tja, wie also umgehen mit den Protestcamps, den Unibesetzungen und Störaktionen, die, angefangen an den US-amerikanischen Universitäten, mittlerweile auch hier den Lehrbetrieb lahmlegen, die ein ungestörtes Campusleben für jüdische Stu­den­t:in­nen kaum mehr möglich machen und bei denen die Gewalt nun ein weiteres Mal eskalierte?

Die Berliner Humboldt-Universität hatte es mit Dialogbereitschaft versucht. Die Präsidentin wollte eine Besetzung dulden, obwohl Demonstranten bereits Hamas-Symbole in die Hochschule gesprüht und den Rahmen einer friedlichen Aktion damit verlassen hatten. Noch während die Präsidentin mit den Studenten ins Gespräch ging, konnten sich Gewaltbereite in einem anderen Stockwerk verschanzen und das Mobiliar zerstören.

Erfahrungen aus den 90er Jahren

Allein mit Dialog lässt sich antisemitischer Protest offensichtlich nicht einhegen. Linke werden das nicht gerne hören: Aber hier braucht es auch eine autoritäre Reaktion. Wer Auslöschungsfantasien gegenüber Juden und Israel propagiert, darf dafür nicht noch mit Verständnis und Gesprächsrunden belohnt werden. Das wissen wir spätestens seit den 1990er-Jahren und gescheiterter sozialpädagogischer Nachsicht gegenüber rechtsradikalen Jugendlichen.

Gleichzeitig beobachte ich bei dem ein oder der anderen ein Bedürfnis nach übermäßiger Bestrafung dieser Student:innen, das den Rahmen einer notwendigen Reaktion verlässt. Ein unbändiges, autoritäres Strafbedürfnis, eine Straflust, halte ich für falsch.

Antisemitismus muss hier aber als identitätsstiftendes Merkmal verstanden werden. Dieses lässt sich nicht allein mit Argumenten auflösen – vor allem bei harten Ideologen. Ein „ja, aber“ oder ein entschuldigendes „Na ja, aber sie sind doch noch jung“ ist hier falsch.

Wenn Studenten ihren Protest also mit Gewaltaufrufen gegen Juden und Israel schmücken, wenn sie sich in ihren Forderungen mit einer Terrororganisation gemein machen, dann offenbaren sie ihren eigenen autoritären Charakter, der für Aufklärung oder Dialog nicht empfänglich ist.

Warum tun sich viele Linke damit so schwer? Liegt es nur daran, dass sie Autorität grundsätzlich ablehnen? Nun, ein Grund von vielen ist sicherlich, dass viele Linke selbst ein Problem mit Antisemitismus haben. Oder haben Sie die Rechtfertigungen vieler linker Gruppierungen und Einzelpersonen nach dem Abschlachten israelischer Zivilisten am 7. Oktober durch die Hamas schon vergessen? Ich nicht.

Wie lautet also das Patentrezept, um die nächste Unibesetzung durch studentische Hamas-Fanboys und -Fangirls zu verhindern? Ich habe keine abschließende Antwort. Ich ringe mit mir selbst.

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Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
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11 Kommentare

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  • >> Die Berliner Humboldt-Universität hatte es mit Dialogbereitschaft versucht. Die Präsidentin wollte eine Besetzung dulden, obwohl Demonstranten bereits Hamas-Symbole in die Hochschule gesprüht

  • "Liegt es nur daran, dass sie Autorität grundsätzlich ablehnen?". Wo kommt diese steile Aussage her? Sämtliche bislang implementierte linke Utopien waren im Kern hochgradig autoritär organisiert. Mal hielt der Lack länger, mal weniger lang.

  • "Warum tun sich viele Linke damit so schwer? Liegt es nur daran, dass sie Autorität grundsätzlich ablehnen?"

    Die Hamas-Fans bestimmt nicht.

    Hamas führt hier einen Stellvertreterkrieg für Iran. Dessen "Oberster Führer" (so die offizielle Bezeichnung) nun wahrhaftig Widerspruch im Foltergefängsniis, am Galgen oder durch Steinigung erledigen lässt.

    Wir kennen seine Probleme mit Frauen.

    Wäre très chic die Hamas-Girlies kämem irgendwann mal von ihrem Social-Media-Dilettantismus bei ein paar Hintergrund-Infos an.

  • So ist es.

  • "Tja, wie also umgehen mit den Protestcamps, den Unibesetzungen und Störaktionen, die, angefangen an den US-amerikanischen Universitäten, mittlerweile auch hier den Lehrbetrieb lahmlegen ...?"

    Ganz einfach. Man sollte sie stattfinden lassen, denn sie sind Teil des demokratischen Diskurses. Das wird in der folgenden Pressekonferenz super erklärt und ich kann sie nur empfehlen:

    www.youtube.com/watch?v=P0rzSar85E0

    (Studentenproteste gegen Krieg in Gaza: Statement von Professoren | BPK 21. Mai 2024)

    • @Uns Uwe:

      "Ganz einfach. Man sollte sie stattfinden lassen, denn sie sind Teil des demokratischen Diskurses."



      Demokratischer Diskurs? Ein wenig beschönigend, oder?



      Beschmierungen eindeutiger Natur, Zerstörung der universitäten Einrichtung, körperliche Angriffe, Bedrohung jüdischer Studenten - das läuft für Sie alles unter demokratischem Diskurs?

  • Danke, Frau Zingher, ihre Beiträge sind immer lesenswert und auf den Punkt.



    Ich selbst habe mich damit abgefunden, in linken bzw. punk-zusammenhängen die "zionist cunt" zu sein, weil ich auf die Art und Weise des Wirkens der Hamas aufmerksam mache.

  • Die Solidarität mit islamistischen Bewegungen ist zugleich der Bruch mit den Werten einer offenen und freiheitlichen Gesellschaft.



    Kann man die Absurdität von „Queer für Palestina“ noch übertreffen?



    Eine Gesellschaft muss ihre Interessen konsequent schützen!

  • »Ich habe keine abschließende Antwort.«

    Das, Frau Zingher, ist nicht nur sympathisch sondern auch vernünftig: Nur der Denkende bekennt sein Unwissen.

    Eine Tugend die bei den Protestierenden nicht festzustellen ist

  • Frau Zingher gehört zu den wenigen Journalisten im eher linken Umfeld, die sich nicht scheuen, die Sache beim Namen zu benennen.



    Vielen Dank auch für den Hinweis auf den treffenden Kommentar von Lars Rensmann.

  • Mein Rezept wäre, rufen Sie die 110.

    Man stelle sich einmal vor, rechtsradikale Studenten würden ein Institut besetzen und etwa Hakenkreuze an die Wände pinseln.

    Schwuppdiwupp wären die Cops am Start und es würde große Demonstrationen gegen rechts geben.

    Bei der Hamas-Symbolik, den Dreiecken, den blutigen Händen, den finsteren Parolen, ist das offenbar ein anderer Schnack.