Nach dem Messerangriff in Mannheim: Trauer und politische Rituale

Nach dem Angriff von Mannheim herrscht Bestürzung über den Tod eines Polizisten. Die Politik fordert mehr Härte bei Abschiebungen und Islamismus.

Uniformierte bei einem Gedenken.

Po­li­zis­t:in­nen gedenken des bei einem Messerangriff getöteten Kollegen am 2.6. in Mannheim Foto: Boris Roessler/dpa

BERLIN taz | Die Trauer hielt am Montag an. Ein breites Bündnis hatte für den Abend auf den Mannheimer Marktplatz geladen, zu einer Kundgebung „Mannheim hält zusammen“, eingeladen von Oberbürgermeister Christian Specht (CDU), den Gemeindefraktionen und Religionsgemeinschaften. Drei Tage zuvor hatte dort ein 25-Jähriger eine Kundgebung des Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger mit einem Messer attackiert und diesen wie fünf weitere Personen teils schwer verletzt. Darunter auch den Polizisten Rouven L. – der am Sonntag seinen Verletzungen erlag.

Der Todesfall löste breite Anteilnahme aus. Kanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte, die Nachricht bestürze ihn „zutiefst“. An Extremisten gerichtet sagte er: „Wir sind ihre härtesten Gegner.“ Man werde „mit allen Mitteln unseres Rechtsstaats“ vorgehen. Durch alle Parteien zeigten sich Po­li­ti­ke­r:in­nen betroffen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verkündete für die Bundespolizei Trauerflor, Gleiches tat Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Für Freitag war eine Schweigeminute geplant, im Stuttgarter Landtag gab es diese bereits am Montag.

Die Polizei Baden-Württemberg würdigte den 29-jährigen Rouven L. als „ruhig und bedacht im Handeln und immer mit einem freundlichen, offenen Lächeln gegenüber jeder und jedem“. Bei einer Online-Spendensammlung für die Familie von Rouven L. und seine Kol­le­g*in­nen kamen innerhalb kürzester Zeit gut 300.000 Euro zusammen. Die Organisatoren kündigten an, das Geld nun auch für ähnlich gelagerte Fälle in der „Polizeifamilie“ zu verwenden.

Das Motiv der Tat blieb auch am Montag ungeklärt. Der Tatverdächtige sei weiter nicht vernehmungsfähig, sagte eine Sprecherin des LKA der taz. Sulaiman A. war nach dem Angriff von einem Polizisten niedergeschossen worden. Laut Polizei war er 2014 aus Afghanistan nach Deutschland gekommen, lebte zuletzt in Heppenheim mit seiner Frau und zwei Kindern. Privat trainierte er Taekwondo.

Laut Welt wurde sein Asylantrag bereits 2014 abgelehnt, er habe später aber wegen der Kinder eine befristete Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Weder Polizei noch Verfassungsschutz war Sulaiman A. bisher aufgefallen. Erste Auswertungen der bei ihm beschlagnahmten Datenträger sollen nach taz-Informationen unauffällig ausgefallen sein.

CDU sieht „massives Problem mit Islamismus“

Dennoch entbrannte eine Debatte über mehr Härte gegen Islamismus und in der Migrationspolitik. CDU-Chef Friedrich Merz, forderte „harte Konsequenzen“ für die Tat, „auch für diejenigen, die mit dem Täter sympathisieren“. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach von einem „massiven Problem in Deutschland mit Islamismus“. Wer sich hierzulande nicht an die Gepflogenheiten halte oder gar morde, „der hat hier einfach nichts zu suchen“. Es müssten endlich Abschiebungen nach Afghanistan ermöglicht werden. Gleiches forderte die AfD.

Faeser erklärte, sollte sich ein islamistisches Motiv bestätigen, „dann zeigt das, wie stark wir weiter islamistischem Terror entgegentreten müssen“. Die Sicherheitsbehörden hätten die Szene fest im Visier und würden den Kampf noch verstärken. Noch aber blieben die Ermittlungen abzuwarten. Für Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan hatte sich Faeser zuletzt offen gezeigt – hier gibt es aber rechtliche und praktische Hürden.

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte, man müsse sich „gegen den islamistischen Terror zur Wehr setzen“. Die Sicherheitsbehörden werde man dafür finanziell „weiter stärken“. Lindner hatte zuletzt allerdings auch für das Bundesinnenministerium und die Sicherheitsbehörden Sparvorgaben gemacht. Was seine Ansage konkret bedeutet, wollte sein Ministerium auf taz-Nachfrage nicht sagen: Man wolle den laufenden Verhandlungen für den Bundeshalt 2025 nicht „vorweggreifen“, erklärte eine Sprecherin.

Auch in der Ampel gibt es Forderungen

Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte der taz, die Tat von Mannheim müsse noch ausermittelt werden, aber ein islamistisches Motiv sei naheliegend. „Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist, entschlossen, scharf und wehrhaft gegen radikale Islamisten vorzugehen und alle Mittel unseres Rechtsstaates zu nutzen, gleichzeitig differenziert zu bleiben und als Gesellschaft zusammenzubleiben“. Eine weitere Spaltung des Landes nutze nur Islamisten, Rechtsextremisten und Demokratieverächtern.

Der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin sagte der taz, die Vorgängerregierungen hätten bei der Inneren Sicherheit zu lange verwaltet, statt zu modernisieren. Die Ampel aber habe einen „Paradigmenwechsel“ angestoßen, die Bundespolizei werde mit modernen Eingriffsbefugnissen gestärkt. „Jetzt sind die Länder in der Pflicht nachzuziehen und die Landespolizeien zu stärken.“ Faeser müsse hier ein abgestimmtes Vorgehen mit den Ländern vereinbaren, so Höferlin. „Wir werden den islamistischen Terrorismus konsequent bekämpfen und die Sicherheitsbehörden so ausstatten, dass sie noch besser gegen Extremisten vorgehen können.“

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler, einst Polizist, betonte dagegen, zunächst sei eine Zeit der Trauer angezeigt. Viele der aktuellen Forderungen seien Ausdruck des Schmerzes, aber auch eine „gefühlten Hilflosigkeit oder eines politischen Rituals“. Ob mit oder ohne islamistisches Motiv blieben Gewalttaten von bislang polizeilich unbekannten Tätern, die „mit Abstand größte Herausforderung für die Sicherheitsbehörden“. Man müsse aber „alles in unserer Macht Stehende tun, um künftige Taten zu verhindern“.

Fiedler forderte hier vor allem „dringend“ Finanzmittel für eine geplante Bundesakademie für Prävention und Kriminalwissenschaften. Bei der Prävention segle man „noch im Blindflug oder nach der Devise Versuch und Irrtum“. Ob es diese Gelder gibt, hängt aber auch hier an Finanzminister Lindner.

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