Wertediktatur im Jahr 2059: Kiffen und nackt baden
2059, die deutsche Wertediktatur hat über die Vernunft des Bösen gesiegt. Gleichberechtigung, Liberalität und Demokratie sind der Status Quo.
F rüher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon von der Gegenwart genug. Wir blicken trotzdem einmal monatlich jeweils ein weiteres Jahr voraus
Wir schreiben das Jahr 2059. Wovor viele Mahner, von Islamisten über Rechtsradikale bis hin zu verbitterten Hobbymenschenhassern, jahrelang gewarnt hatten, hat sich aufs Furchtbarste bewahrheitet: Die deutsche Wertediktatur hat über die Vernunft des Bösen gesiegt und hält die Freiheit des Stärkeren fest in ihrem Würgegriff. Aufrechte Autokraten ächzen unter dem flauschigen Joch von Gleichberechtigung, Liberalität und Demokratie.
Statt Kalifat, Faschismus oder Kaiserreich herrscht ein Tohuwabohu aus Gendergaga, Grundgesetzlala, Klimatrara, Homohaha, veganen Schweinswürsten, freien Wahlen, Minderheitenschutz, Emanzipation, Fahrradwegen, kiffen und nackt baden.
Letzteres ist allerdings auch für meinen streng katholischen Futurologen Zbigniew gewöhnungsbedürftig. „In Binz kam schon auf dem Bahnsteig die Lautsprecherdurchsage: ‚Alle sofort Hosen runter!‘ “, berichtet er mir aufgeregt von seinem jüngsten Urlaub auf Rügen. „Aber nach ein paar Tagen gewöhnt man sich dran. Und am Abend auf der Restaurantterrasse durfte man sich obenrum sogar was überziehen.“
Moralischer Druck
Theoretisch hätte er sich weigern können. Doch die Strafen für die Rebellen, die sich der Wertediktatur nicht unterwerfen wollen, sind so gesalzen, wie es sich für eine Diktatur geziemt – grausame Sanktionen in Form von heftigem Widerspruch: „Mach, was du willst“, wird so einem wagemutigen Wertediktaturgegner dann leise ins Gesicht gesagt, „aber toll finden wir das nicht!“
Oder, noch schlimmer, es wird moralischer Druck auf Leute ausgeübt, die einfach nur in Ruhe ihr toxisches Ding machen wollen. In passiv-aggressiver Manier werden sie daraufhin naseweis belehrt: „Gründe von mir aus ruhig dein mörderisches Kalifat. Aber wundere dich dann bitte nicht, wenn Leute das nicht mögen.“
Derart überzogene Kritik regt zum Widerstand gegen die Wertediktatur an. Und wenn schon Wertediktatur, dann bitte wenigstens nicht solche Pussywerte für die Ponyhofgesellschaft, sondern lieber old-school values wie Antisemitismus und Patriarchat. Denn wie schön war es noch 2025, als queere Werteliberale die absolute Freiheit hatten, noch am Baukran hängend die revolutionären Segnungen der Hamas zu preisen, was in der heutigen Wertediktatur mit ihrer blinden Ablehnung totalitärer Bestrebungen aller Art streng verpönt wäre. Das ist finsterste Zukunft. Wo ist nur die Toleranz für Intoleranz geblieben?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen