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St. Pauli in der Ersten LigaRollentausch im hohen Norden

Kommentar von Stefan Alberti

Der HSV mag zwar gern mit dem Etikett „traditionsreich“ verbunden werden. Im Fußball heißt Hamburg aber jetzt nur noch St. Pauli.

Daran gibt es nichts zu deuteln: klar die Nr. 1 in Hamburg Foto: dpa

D ieser Hamburger Sportverein? Also der FC St. Pauli, oder? Was zwischen Landungsbrücken und Reeperbahn noch anders sein mag: In der Ferne, in Berlin, Köln oder den Weiten Süddeutschlands ist der HSV, so oft mit dem Etikett „traditionsreich“ verbunden, gefühlterweise nurmehr zweite Wahl beim Gedanken an Fußball in Hamburg.

Was soll man auch von einem Verein halten, dem die Wirtschaftskraft einer prosperierenden Großstadt zur Verfügung steht, der aber seit seinem erstmaligen Abstieg aus der Bundesliga 2018 den Wiederaufstieg nicht hinbekommt? Erst dreimal hintereinander Vierter, dann zweimal Dritter. Das berechtigte den HSV zwar 2022 und 2023 zu den sogenannten Relegationsspielen gegen den Drittletzten der Ersten Liga, half aber auch nicht weiter.

Ach so: Dass der HSV auch in der nächsten Saison nicht erstklassig spielt, hat sich schon vor dem letzten Spieltag an diesem Wochenende entschieden. Fehlt dadurch in der Ersten Liga irgendwas? Wiederum gefühlt: Nein. Gutsituiert daherkommende Vereine hat die Liga genug, eine Inkarnation großbürgerlichen Hamburger Kaufmannstums braucht es nicht zusätzlich.

Gut möglich, dass der Legendenstatus als Bundesliga-Gründungsmitglied von 1963 spätestens mit Uwe Seeler vor zwei Jahren gestorben ist, dem vielfachen Nationalspieler, Publikumsliebling, WM-Zweiten von 1966 und WM-Dritten von 1970, der nie für einen anderen Verein spielte.

Ja, der HSV war sechsmal Deutscher Meister – aber zuletzt 1983. In jenem Jahr gewann der Verein sogar den Europapokal der Landesmeister, Vorläufer der Champions League. Doch der Mann, der daran großen Anteil hatte und sich den Beinamen „Kopfballungeheuer“ verdiente, ist zwar weiter gut bekannt – aber nicht als HSVler: Horst Hrubesch ist vor allem die Ikone, die das Frauen-Nationalteam wieder aufgerichtet hat und zu den Olympischen Spielen führt.

Die Inkarnation des Alternativen

Den HSV als den Hamburger Verein braucht es auch umso weniger, weil es ja schon immer diesen anderen Klub gab, auch wenn der nur den Namen eines einzigen dortigen Stadtteils im Namen führt. Aber dieser Verein war eben stets die Inkarnation des Alternativen – und wer es mit dem Politischen nicht so hatte, konnte mit „St. Pauli“ zumindest ein mythenumwobenes Nachtleben verbinden.

Der – so offiziell – Fußball-Club St. Pauli von 1910 e. V. war noch nie Deutscher Meister und auch nicht Europapokalsieger – aber etwas viel Tolleres: „Weltpokalsiegerbesieger“. Am 6. Februar 2002 gewann der Verein gegen Bayern München, das zuvor nach dem Champions-League-Sieg auch den globalen Titel geholt hatte. An dieses Ereignis erinnert regelmäßig der Münster-„Tatort“: Kommissar-Darsteller Axel Prahl trägt dort als St.-Pauli-Fan gelegentlich ein T-Shirt mit entsprechendem Schriftzug. Was übrigens nicht verhinderte, dass der Verein kurz nach diesem Ereignis abstieg und danach bis in die Regionalliga abrutschte.

In Berlin, Köln oder den Weiten Süddeutschlands mögen zwar nur echten Aficionados die Namen jener Spieler bekannt sein, die in der jetzt auslaufenden Saison für den Aufstieg sorgten – dreizehn Jahre nach dem jüngsten Abstieg aus der Ersten Liga. Etwas Besseres kann einem Klub aber letztlich kaum passieren: Spieler sind plötzlich mal weg, weil verkauft oder verletzt – der Vereinsname aber bleibt. Ein irgendwie Kleiner, der es schafft, oben mitzumischen.

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Der HSV kann währenddessen noch nicht mal den auch nicht sonderlich schmeichelhaften Beinamen „Zweitbester im hohen Norden“ für sich beanspruchen: Mit St. Pauli steigt nämlich auch das keine 100 Kilometer entfernte Holstein Kiel auf.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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6 Kommentare

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  • Das Einzige, was die erste Liga braucht, ist eine Mannschaft, die Bayern langfristig Paroli bieten kann und sicher davor ist, kaputt gekauft zu werden. Mal schauen, was jetzt mit Leverkusen passiert

  • Ich stelle mir gerade vor, dass RWE statt S04 in die erste Liga aufsteigt oder Tennis Borussia Berlin statt Hertha BSC wieder im Oberhaus dabei ist; - was stünde dann in der taz?



    - Und dennoch im Dezember 2023:



    "Die HSV Fußball AG hat am Dienstag ihre neuen Geschäftszahlen vorgelegt. Der Zweitligist erwirtschaftete nach eigenen Angaben das beste Ergebnis seit der Ausgliederung 2014 - inklusive eines satt gestiegenen Bilanz-Plus' von 7,8 Millionen Euro."



    Quelle ndr.de



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  • Es tut dem Fußball gut, wenn nicht nur Geld, Tradition, Größe usw. entscheidend, sondern die Geschlossenheit und der Wille einer Mannschaft. Beispiele gibt es immer wieder, z.B. dieses Jahr Heidenheim. Und wenn der Größenwahn in Heidenheim nicht Einzug hält und nicht viele dem Lockruf des Geldes folgen, werden sie die Zeit in der Bundesliga genießen.

  • Auch als Pauli Fan ein unangenehmer Artikel. Kann man in unserer Situation nicht einfach die Größe haben und den Moment genießen…? Was hat sich denn da bloß über Jahre angestaut? Bin lieber in unserer kleinen Nische auf St. Pauli und ärgere ab und an die Pinneberger, die zum HSV laufen.

  • Holzbein Kiel.....

  • ha ha HSV, viertbester im Norden