Artwashing bei der Kunstbiennale Venedig: Kritisch im Auftrag der Autokratie
Usbekistan und Saudi-Arabien sind repressive Autokratien. Auf der Kunstbiennale in Venedig machen sie mit scheinbar betörenden Kunstwerken Politik.
Es gibt einige Überraschungen auf der diesjährigen Kunstbiennale in Venedig. Zum Beispiel der Pavillon von Usbekistan. In den letzten Jahren streifte man einfach nur durch ihn hindurch, zu deutlich wirkten die darin befindlichen Großinstallationen wie Auftragskunst eines autokratischen Staats, dem immer wieder Demokratiedefizite nachgesagt werden.
Dieses Jahr aber blieb man stehen in dem immersiven Arrangement von Aziza Kadyri, einer in London lebenden Künstlerin der „usbekischen Diaspora“, wie es in der Pressemitteilung des Pavillons heißt. Mit Vorhängen in einem Blau wie die Keramikfassaden der Moscheen von Samarkand versetzt Kadyri einen darin auf eine Hinterbühne, lässt einen vorbeiwandeln an Garderobenständern, behangen mit Kleidungsstücken, auf denen scheinbar traditionelle Muster gestickt sind.
Vögel und Blumen sind das, aber auch eine Colaflasche mengt sich bei. In Flatscreens flimmern die Stickmotive erneut auf, so unscharf, als könne sich Kadyri nicht mehr an ihre Formen erinnern. Und man landet am Ende des Parcours schließlich selbst als ungewollte Darstellerin auf einer leeren Theaterbühne. Ist unser Leben nicht nur ein Schauspiel, fragt Kadyri.
Zweifel kommt gut an
Eines, in dem wir uns mit Versatzstücken der Erinnerung immer wieder neue, einsame Rollen zuschreiben? Kadyris nachdenkliche Identitätssuche funktioniert in Venedig. Die Künstlerin nimmt eine zweifelnde Haltung ein, das kommt in der Kunstwelt gut an. In Auftrag gegeben wurde der Pavillon von der staatlichen „Uzbekistan Art and Culture Development Foundation“.
Die möchte nach eigenem Bekunden das quasi neofeudal regierte Usbekistan unter dem kürzlich wiedergewählten Präsidenten Shavkat Mirziyoyew „in der globalen Kulturszene verankern“. Und offenbar hat die Stiftung verstanden, dass es dafür eine künstlerische Sprache der Kritik bedarf.
Doch die „Uzbekistan Art and Culture Development Foundation“ verfolgt in Venedig ihre eigene Politik, nämlich die eines Landes, das wirtschaftlich und diplomatisch in viele Richtungen schauen muss, auch zum Putin-Regime. In einer anderen von ihr ausgerichteten Schau mit dem Titel „Uzbekistan: Avantgarde in the Desert“ in den Räumen der venezianischen Universität Ca’ Foscari will sie eine in Europa recht unbekannte Kunst der Avantgarde aus dem zentralasiatischen Land zeigen.
An der Hintertür wartet schon Russland
Aber die Ausstellung rückt mit ihren einst aus Sowjetmoskau nach Taschkent geschickten Wassily Kandinskys und Ljubow Popowas auch das international geächtete Russland in ein positives Licht, wie der Kunsthistoriker Konstantin Akinscha kürzlich in der FAZ bemerkte.
Kritik als künstlerische Haltung verschafft Credibility. Das lässt sich auch im Pavillon der Saudis beobachten. Das autoritäre Regime Saudi-Arabiens – 2023 wurden dort 170 Menschen hingerichtet – etabliert sich derzeit als Globalplayer der Kunst. Die ambitionierten Museums- und Ausstellungsprojekte, die Kronprinz bin Salman mit seiner „Vision 2030“ verfolgt, locken zunehmend Größen des Kulturbetriebs in den Wüstenstaat.
In Venedig hat nun die Künstlerin Manal AlDowayan im Auftrag des saudischen Kulturministeriums blütenblattähnliche Seidenbahnen aufgehängt. Der Stoff ist mit Texten bedruckt, es sind Meinungen, Stimmen, Maßregelungen gegenüber saudischen Frauen. AlDowayans so sanft scheinendes, wüstensandfarbenes Seidenlabyrinth ist eigentlich eine Kakofonie der Restriktionen. Saudische Frauen müssen sich gegen sie offenbar tagtäglich behaupten.
Wie ist das jetzt zu deuten? Lassen die Saudis in Venedig das zaghafte Mundaufmachen einer Gesellschaft zu, die vielleicht gerade einen freiheitlichen Wandel erfährt? Oder ist das nur Imagepolitik? Kritiker des britisch-amerikanischen Kunstmagazins Frieze jedenfalls kürten den saudischen Pavillon als einen der besten auf der diesjährigen Venedig-Biennale.
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