Anti-Taliban-Proteste in Afghanistan: Konflikt um Mohn und Land
Das Verbot des Schlafmohnanbaus hat zu Protesten in mehreren afghanischen Provinzen geführt. Mehrere Demonstranten wurden erschossen.
Seit letztem Freitag protestierten zunächst Teile der Bevölkerung in den Distrikten Argo und Darajim in Badachschan drei Tage lang gegen Übergriffe, als Mitglieder der Antidrogeneinheit der Taliban versuchten, Schlafmohnfelder zu zerstören. Sie seien in Häuser eingedrungen, hätten dort die Privatsphäre von Frauen verletzt und ethnische Beleidigungen ausgestoßen. Zudem hätten sie Felder mit Weizen und Gemüse zertrampelt.
Als es dagegen Protest gab, setzten sie Schusswaffen ein, töteten zwei Männer und verletzten mehrere andere. Das Taliban-Innenministerium bestätigte die Todesopfer.
Die Protestierenden, die zur tadschikischen und usbekischen Bevölkerung im Land gehören, warfen den von außen entsandten paschtunischen Polizisten vor, sich nicht an örtliche Sitten gehalten zu haben. Sie verlangten ihre Ersetzung durch lokale Taliban sowie die Bestrafung der Schützen. Gegen die Antidrogenkampagne sei man nicht generell.
Taliban versprachen Ablösung betroffener Einheiten
Eine hochrangige Taliban-Delegation sagte am Wochenende der Ablösung der Einheiten zu, aber zumindest im Dorf Barlas in Argo schien das nicht geschehen zu sein. Dort flammten Montagmorgen die Proteste wieder auf. Unabhängigen Medien zufolge erschossen die Taliban dabei zwei weitere Protestierende.
Die Taliban-Führung hatte im April 2022 landesweit verboten, „berauschende Substanzen“ inklusive Alkohol zu erzeugen, zu verwenden und damit zu handeln. In Badachschan setzte sie das Verbot des Schlafmohnanbaus aber erst ab diesem April um, offenbar auch aus ethnopolitischen Erwägungen.
Den Taliban ist bewusst, dass ihre Kontrolle über Badachschan nicht gefestigt ist, Teile der Bevölkerung mit oppositionellen Kräften sympathisieren und Widerstand entlang ethnischer Grenzen mobilisiert werden könnte. Zudem bergen die sozialen Folgen des Verbots erhebliches Protestpotenzial.
Hohe Einbußen für Opiumbauern
Afghanistans Opiumbauern verloren laut UNO allein im ersten Verbotsjahr insgesamt über eine Milliarde Dollar an Einkommen, obwohl die meisten auf Weizen umstiegen.
In der Ostprovinz Nangrahar wehrten sich am Freitag paschtunische Nomaden gegen die Räumung von Land, das offiziell Staatseigentum ist, das sie nach eigenen Angaben aber 30 Jahre lang ungehindert genutzt hatten.
Als die Taliban mit Planierraupen anrückten, um Behausungen abzureißen, blockierten die Demonstranten zwei Stunden lang eine Hauptstraße. Dann schossen Taliban auch hier auf Protestierende. Unabhängigen Berichten zufolge töteten sie fünf Zivilisten und verwundeten acht weitere.
Bisher größte Proteste gegen die Taliban
Die spontanen Proteste in beiden Provinzen sind die ersten größeren und am längsten anhaltenden seit der Taliban-Machtübernahme im August 2021, wenn auch voneinander isoliert und lokal begrenzt. Es ist schwer zu beurteilen, ob sich dabei eine generelle Ablehnung des Regimes oder nur einzelner unpopulärer Maßnahmen zeigt.
Bisher waren überwiegend Frauen gegen ihren weitgehenden Ausschluss von Bildung und dem Arbeitsmarkt auf die Straße gegangen. Nach zahlreichen Verhaftungen, Vorwürfen von Misshandlungen und sexuellen Übergriffen während der Haft und der Taliban-Praxis, für die Freilassung Stillhalteerklärungen einzufordern, auch von den Familien der Frauen, gab es seit April 2023 keine Straßenproteste mehr.
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