„Diffus“-Magazin Gründer Torben Hodan: „Wir bewerten Musik über Auswahl“
Während der klassische Musikjournalismus stirbt, wagt das Online-Magazin „Diffus“ den Schritt zum Printmedium. Gründer Torben Hodan erklärt, warum.
taz: Herr Hodan, viele Musikmedien wurden in den letzten Jahren eingestellt, Diffus hat gerade seinen zehnten Geburtstag gefeiert. Wie steht es um Musikjournalismus in Deutschland?
Torben Hodan: Um Musikjournalismus steht es schlecht, er liegt auf dem Sterbebett. Viele Printmedien von Spex bis Intro sind weg. Auch dem Musikexpress und dem Rolling Stone scheint es nicht gut zu gehen – das sieht man an den Covern mit den immer gleichen älteren weißen Herren. Andere Medien vor allem aus dem HipHop-Bereich entwickeln sich eher in Richtung Subkultur-Agentur. Wir veröffentlichen aber weiterhin täglich Podcasts, Videos und Beiträge, in denen es um Musik geht. Ich habe das Gefühl, dass es bei Menschen, die sich für Musik interessieren, noch immer einen Bedarf nach Musikjournalismus gibt. Sie wollen mehr als nur bei Spotify auf den Play-Button klicken. Sie interessieren sich für die Geschichten dahinter.
geboren 1992 in Münden, ist Grũnder und Chefredakteur von Diffus. Er hatte das Magazin 2014 zunächst als Blog gestartet. Im April 2024 erschien die zweite Printausgabe.
Wie ist Diffus entstanden?
Ich habe das Magazin 2014 als Student in Ilmenau gestartet. Ich habe zu der Zeit von Spex über Juice und Visions bis Intro alle Musikmagazine gelesen, war ein großer Fan. Ich fand aber, dass sie alle online nicht so gut funktioniert haben, und dachte mir: Ich versuche es selbst. Ich habe dann eine Website gebaut, mir eine Kamera gekauft und angefangen, einmal die Woche Videos über Musik zu veröffentlichen. Mittlerweile hat Diffus ein kleines Team von zehn Mitarbeiter*innen in Berlin.
Im Musikjournalismus gab es schon immer zwei Ansätze. Einerseits den analytischen Blick von oben, wie ihn etwa Diedrich Diederichsen geprägt hat. Andererseits die Innenansicht. Sie wollen mittendrin sein, Rezensionen gibt es dagegen nicht. Warum?
Die Rolle von Musikjournalismus hat sich verändert. Früher waren Musikjournalist*innen Gatekeeper, die den Leuten gesagt haben: Das ist gut und das ist schlecht. So sehe ich Diffus nicht. Journalismus lebt immer von seinen Primärquellen. Ich finde es viel spannender, mit den Menschen, die die Musik gemacht haben oder daran beteiligt sind, zu sprechen, als von oben draufzuschauen. Wir bieten Zugänge zu Kultur und bewerten Musik eher über unsere Auswahl. Was wir nicht gut finden, findet nicht statt.
Bisher haben Sie das online gemacht, seit 2023 erscheint auch eine Printausgabe. Warum ausgerechnet ein Printmagazin?
Das Printmagazin soll ein Ort für lange, zeitlose Texte sein, die ansonsten zu kurz kommen. Es funktioniert ein bisschen wie ein Merchandise-Produkt, das ein Zusatz zu unserer Onlineplattform ist. Eine Art Coffee Table Book, in dem wir gute Geschichten erzählen wollen.
In den ersten beiden Magazinen geht es unter anderem ausführlich um die AJZ-Kultur in Deutschland und feministischen Black Metal. Daneben gibt des Interviews mit Rapper*innen und Bands. Verfolgt Diffus überhaupt eine klare Linie?
Unser Name sagt es ja schon: Die Musikauswahl ist diffus. Das kommt daher, wie ich selbst früher Musik gehört habe. Ich finde in allen Genres Sachen, die mich interessieren. Diffus soll ein Ort sein, an dem klassische Popmusik, Metal oder HipHop zusammenkommen können. Wir wollen Musiker*innen abbilden, die etwas zu erzählen haben und innerhalb ihrer Genres besonders sind. Wenn sich eine unserer Autorinnen also gut mit feministischem Black Metal auskennt, dann will ich darüber lesen. Auch weil es dafür in klassischen Metal-Medien eher keinen Raum gibt. Leute kaufen sich die neue Ausgabe dann zwar vielleicht wegen Brutalismus 3000 auf dem Cover, entdecken aber auch den Artikel über die Punkband Team Scheisse oder einen Essay über weibliche Fankultur. In Magazinen lässt sich viel entdecken. Online klickt man dagegen einen spezifischen Artikel an, scrollt deswegen aber noch lange nicht durch die Website.
Verstrickungen mit der Musikindustrie waren immer ein Ding im Musikjournalismus. Dem Spex-Verleger gehörten Anteile eines großen Musikvertriebs, die Intro war verwoben mit großen Festivals. Bei Ihnen steht Beat Gottwald, Musikmanager und Betreiber der Bookingagentur Landstreicher, als Herausgeber im Impressum. Wie unabhängig kann Diffus da noch sein?
Ich habe Diffus jahrelang allein betrieben, irgendwann hat Beat Gottwald damit begonnen, mich zu unterstützten. Wir hatten beide das Gefühl, dass es mehr guten Musikjournalismus in Deutschland braucht, und daraufhin begonnen, lose zusammenzuarbeiten. Irgendwann haben wir eine Firma für Diffus gegründet. Ich hatte zwei Bedingungen. Erstens: Ich mache das nur, wenn sich das Magazin selbst trägt. Zweitens: Wir bleiben unabhängig. Beat Gottwald ist der Manager von Casper, Kraftklub und K.I.Z und betreibt Landstreicher Booking. Aber wir berichten natürlich darüber hinaus – auch über Sachen, die er nicht mag. Wir wollen offen durch die Musikwelt gehen, ohne durch Firmenkonstrukte eingeschränkt zu sein, und das klappt auch.
Gab es Situationen, in denen Sie Themen nicht umsetzen durften?
Noch nie. Beat Gottwald hat gar nicht die Zeit dafür, in Redaktionsmeetings zu sitzen und uns Dinge zu verbieten. Er ist maximal der Türöffner, um Zugänge zu Künstler*innen zu bekommen. Für die Titelstory unseres ersten Magazins vom November 2023 sind wir mit Casper in die USA gereist, in die Heimat seines Vaters, zu seiner alten Schule. Für eine so persönliche Reportage braucht es Vertrauen.
Auch Casper steht als Herausgeber im Impressum des Magazins. Ist eine solche Cover-Story dann nicht eher PR-Tool?
Wir gehen damit offen um, deswegen steht er ja auch im Impressum. Man muss das alles in Relation setzen. Wir machen Kulturjournalismus. Und wir definieren unseren Kulturjournalismus so, dass wir spannende Geschichten erzählen wollen. Mit der bloßen Draufsicht verdient man heute kein Geld mehr. Casper wollte uns dabei unterstützen und das schließt sich für mich nicht aus. Wären wir ein politisches Magazin und ein Bundestagsabgeordneter wäre Herausgeber, fände ich das problematisch. Aber wir sind eben im Kulturjournalismus und da werden selten die großen Probleme besprochen. Caspers Herausgeberschaft ist eher ein symbolisches Ding. Er mischt sich nicht ein.
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