Grüner Stahl kostet zu viel Kohle

Die staatlichen Stellen liefern Geld für den klimaneutralen Umbau des Bremer Stahlwerks. Doch das Unternehmen zögert, sich für die Investition zu entscheiden: Grüner Wasserstoff sei viel zu teuer

Ob hier bald grüner Stahl entsteht, ist unklar: Arbeit im Bremer Stahlwerk Foto: Sina Schuldt/dpa

Von Lotta Drügemöller

Immerhin, die Finanzierung steht: Bremen hat am Dienstag verkündet, dass das Land seinen Beitrag leisten wird und gut 251 Millionen Euro aufbringt, damit das Bremer Stahlwerk klimaneutral umgebaut werden kann. Mit insgesamt 840 Millionen Euro sollte der Umbau allein in Bremen gefördert werden, etwa das Doppelte soll er kosten. Der Weg dahin war nicht leicht: Sogar die Oppositionspartei CDU musste über ihren Schatten springen und mit den Regierungsfraktionen neue Schulden vereinbaren, damit das Land seinen Teil zur Förderung beitragen kann.

Damit haben jetzt alle staatlichen Stellen – Bund, Land und EU-Kommission – ihre Förderzusagen geliefert. Für die Transformation muss ein komplett anderer technologischer Pfad beschritten werden: Statt das Eisenerz im Hochofen mit Koks zu Roheisen zu schmelzen, sollen dem Erz die überflüssigen Sauerstoffatome nun in einer Direktreduktionsanlage entzogen werden. Mit Wasserstoff könnte der Sauerstoff dabei einfach zu Wasser werden – bisher verband er sich beim Schmelzen im Ofen mit dem Koks zu Kohlendioxid.

Dennoch ist die Zukunft des Bremer Stahlwerks weiter nicht gesichert. Das Unternehmen Arcelor Mittal selbst hat noch nicht entschieden, ob künftig in Europa und an der Weser überhaupt klimaneutraler „grüner“ Stahl produziert werden soll.

Bereits vor einigen Wochen hatte ein Interview des Europachefs von Arcelor Mittal, Geert van Poelvoorde, im belgischen Finanzblatt Trendsfür Aufregung gesorgt. Grüner Wasserstoff sei in Europa zu teuer, um damit Stahl zu produzieren, sagte er dort. „Es gibt keinen soliden Businessplan, der Wasserstoff rentabel macht.“ Mehr noch: „Wir werden ihn nicht nutzen können, denn er würde uns komplett aus dem Markt katapultieren“, lässt sich der Stahlwerkchef zitieren.

Das klingt für sich genommen wie eine sichere Absage an eine Transformation europäischer Stahlwerke hin zur Wasserstofftechnologie. Der Weser-Kurier hatte bereits Anfang März auf das Interview verwiesen; das Bündnis Deutschland nutzte daraufhin eine Aktuelle Stunde in der Bremer Bürgerschaft, um Regierungsfraktionen und CDU Blauäugigkeit und Versäumnisse vorzuwerfen und den Umbau des Stahlwerks insgesamt infrage zu stellen.

Die Bremer Po­li­ti­ke­r*in­nen bemühten sich um Relativierung: Nichts an den Bedenken von Poelvoorde sei neu. „Wir haben schließlich vier Jahre mit den Kollegen verhandelt“, so Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke). „Das hat alles Eingang gefunden in den jetzt verabredeten Fördermechanismus.“

Das Unternehmen selbst bestätigt: Ja, man habe weiterhin das erklärte Ziel, umzubauen. Dafür habe man bereits einen zweistelligen Millionenbetrag investiert – in Studien, Planung, die Bauvorbereitung etwa. 34 Mitarbeiter*innen (von insgesamt 3.500 Beschäftigten) arbeiten für das Unternehmen im sogenannten „Decarb-Team“, das eine mögliche Umstellung auf Wasserstoff in jeder Hinsicht vorbereiten soll. „Es laufen viele Schritte“, so ein Unternehmenssprecher von Arcelor Mittal Deutschland. Aber: „Die finale Investitionsentscheidung steht nicht fest“, sagt er. „Es ist noch viel zu tun.“

Konkret hängt die Zukunft des Projekts am Strompreis. Der nämlich bestimmt mittelbar, wie teuer eine Tonne grüner Wasserstoff wird: Man benötigt Strom, um ihn in Elektrolyseuren herzustellen.

Das Unternehmen selbst bestätigt: Ja, man habe weiterhin das erklärte Ziel, umzubauen

Bei Arcelor Mittal Deutschland hat man dafür klare Vorstellungen: Die Strompreise an der Börse müssten nur auf französisches Niveau fallen, also von heute etwa 65 Euro pro Megawattstunde auf 50. Erreicht werden könnte das über den Brückenstrompreis, also eine Deckelung des Strompreises für bestimmte Unternehmen. Die aber ist im vergangenen Jahr gescheitert. „Nur so können wir für die deutschen Werke faire Wettbewerbsbedingungen mit dem Rest Europas schaffen“, so der Unternehmenssprecher.

Interessant ist, dass Europachef Poelvoorde gegenüber der belgischen Zeitung gerade auf Deutschland als positives Beispiel beim Strompreis verwiesen hat: Dort sei die Politik viel eher als in Italien und Belgien bereit, der Industrie entgegenzukommen. Das Unternehmen baut also in den verschiedenen Staaten Druck auf, indem es jeweils auf die Politiken in anderen Staaten verweist.

Innerhalb eines Jahres will sich Arcelor Mittal für oder gegen eine Investition entscheiden.