piwik no script img

Mi­gran­t*in­nen bereichern DeutschlandDankbarkeit statt Nationalhochmut

Gastkommentar von Andreas Gran

In Folge der AfD-Pläne gibt es viel Solidarität für Migrant*innen. Es braucht aber mehr als das: die Einsicht, dass wir ihnen unseren Wohlstand verdanken.

Demonstration gegen rechts in München am 11. Februar Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

B ei den vielen erfreulichen Solidaritätsbekundungen gegen den unwürdigen Umgang mit Menschen anderer Abstammung sticht ein Argument heraus: Wir schulden Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit ausländischen Wurzeln Anerkennung anstelle von Überheblichkeit.

Das ständige Gejammer über negative Begleiterscheinungen der Zuwanderung ist beschämend. Deutsche haben Wohlstand nicht nur aus eigener Kraft geschaffen und keineswegs, weil uns genetisch mehr Klugheit und Eifer in die Wiege gelegt wurden. Wir sollten auch nicht stolz auf historische Großmannssucht unserer Urahnen in Preußen oder deren Kolonialtrieb sein.

Uns geht es monetär schlicht so gut, weil unter anderem in Pflegeheimen, Krankenhäusern, Gastronomieküchen, bei Abfallentsorgung und Straßenreinigung Menschen mit Migrationshintergrund diejenigen Arbeiten verrichten, für die sich viele Deutsche zu fein sind. Nicht zu vergessen: der Beitrag, den Gast­ar­bei­terinnen und -arbeiter in der Nachkriegswirtschaft geleistet haben. Es gerät allzu oft in Vergessenheit, wie fleißig uns Mitbürgerinnen und Mitbürger unterstützten und unterstützen, fernab ihrer früheren Heimat.

Derweil konnten und können wir uns auf das konzentrieren, was Geld bringt: Wirtschaftsexporte zu guten Konditionen auch in diejenigen Länder, über deren Einwanderer sich allzu viele nun selbstmitleidig beschweren. Uns blieb und bleibt die Zeit zur beruflichen Qualifizierung, während beispielsweise der Abwasch im Restaurant für uns von anderen Landsleuten übernommen wird. Hinter solch „ganzheitlichen Vorteilen“ der Migration für die deutsche Gesellschaft treten einzelne Herausforderungen insgesamt zurück.

Andreas Gran

ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und Hochschullehrer an der privaten International School of Management (ISM) in Berlin und Frankfurt.

Nicht nur ethisch, auch wirtschaftlich ist der richtige Weg die multikulturelle Gesellschaft und nicht der Rückfall in nationale Abgrenzung unter Ausnutzung von wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern. Nicht zu vergessen: Zufrieden machen uns Wohlstand und nationale Eitelkeit nicht. Das gute Gefühl der Mitmenschlichkeit tut es dagegen schon.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • An sich richtig was Sie schreiben, aber die Aussage Menschen ohne Migrationshintergründen wären sich für bestimmte Arbeiten zu fein stimmt nicht.



    Ich kenne Deutsche die in der Pflege arbeiten, in Hotels die Zimmer reinigen oder beim Bio-Laden Gemüse sortieren. Gleichzeitig gibt es auch Deutsche mit Migrationshintergründen die diese Jobs nicht machen würden.

  • Was soll so ein undifferenzierter Artikel?

  • Werden in dem Kommentar nicht drei Personengruppen vermischt?

    1. "Gastarbeiter" der 60er und 70er Jahre (und teilweise auch heute, z.B. in der Pflege), die gezielt für Arbeitsplätze angeworben wurden und insb. aus Italien, Griechenland und der Türkei (mittlerweile kommen viele Pflegekräfte von den Philippinen) kamen. Diese haben an dem deutschen Wohlstand mitgearbeitet, aber wohl weniger weil sich Deutsche zu fein waren als weil es zuviel Arbeit gab und hier die Menschen gefehlt haben, während in den anderen Ländern die Arbeit fehlte. Zudem war dies ja auch ein Gewinn für diese Menschen.



    2. Schutzsuchende, die nicht vorhaben in Deutschland zu bleiben, sondern aufgrund einer Kriegs-/Krisensituation Schutz suchen, z.B. aus der Ukraine und die in ihre Heimat zurück möchten, wenn der Krieg/die Krise vorbei ist. Möglicherweise bleiben einige dann doch, insb. wenn der Krieg/Krise nicht ein bis zwei Jahre, sondern zehn Jahre dauert.



    3. Wirtschaftsflüchtlinge, die kein Aufenthaltsrecht haben und das Asylrecht (aus)nutzen, um vorübergehend oder dauerhaft nach Deutschland zu kommen.

    Der Unmut richtet sich doch gegen die 3. Personengruppe. Es mag sein, dass die AFD-Politiker auch von der Remigration der 1. Gruppe träumen - dass dies nicht die Masse der Menschen ist, sollten die Demonstrationen der letzten Wochen gezeigt haben.

    • @Strolch:

      Bei Migration und Flucht sind die Übergänge zwischen den Gruppen fließend.

      Somit sind auch die Verfahren der zuständigen Behörden leider auch ziemlich willkürlich.

      Der Hass auf die "Wirtschaftsflüchtlinge" ist im Angesicht von Arbeitskräftemangel und mit Blick auf die Demographie in Eurppa unbegründet.

      Es ist wie so oft eine Mischung aus allem.

      Es fehlten Arbeitskräfte und man war / ist sich für die Arbeit zu fein.

      Migrant:innen arbeiten nicht zufällig besonders in den prekären Bereichen.

      Pflege, Müllabfuhr, Bau, Fleischindustrie, Paketdienste, Ernte.

      Je prekärer, desto höher der % Anteil.

      • @sociajizzm:

        Nein, das hat nichts damit zu tun, dass man sich zu fein ist. Es hat mit dem Geld und der Unsicherheit zu tun. Erntehelfer ist man für 2-3 Monate im Jahr. Was macht man mit der restlichen Zeit? Paketdienste und Fleischindustrie bezahlt den Mindestlohn. Wenn man einen besser bezahlten Job bekommt, wechselt man. Zudem kommen Migranten in die Jobs, da man keine Ausbildung benötigt. Mit Ausbildung verdient man meist besser.

  • "Uns geht es monetär schlicht so gut, weil unter anderem in Pflegeheimen, Krankenhäusern, Gastronomieküchen, bei Abfallentsorgung und Straßenreinigung Menschen mit Migrationshintergrund diejenigen Arbeiten verrichten, für die sich viele Deutsche zu fein sind."

    Ein ansonsten guter Kommentar, der meine Zustimmung erhält, setzt in einer Passage leider wieder die deutsche" Brille" auf und reduziert den Beitrag, der Menschen mit Migrationshintergrund auf den Niedriglohnsektor. Diese Beiträge sind gesellschaftlich, ohne Zweifel, äußerst relevant, greifen aber zu kurz und bedienen letztendlich ein unter "Bio Deutschen" weit verbreitetes Klischee. Diese Diskussion habe ich in meinem Bekanntenkreis schon des öfteren geführt und der besteht unter anderem aus:

    Rechtsanwalt (Türkei), Psychologe (Iran), Hochschullehrerin (Pakistan), Kardiologin (Georgien), Informatiker (Thailand), Maschinenbauingenieur (Griechenland).

    Zum Glück hat sich die Gesellschaft hierzulande weiterentwickelt und sie finden heute Menschen mit Migrationshintergrund in allen Berufsgruppen, wenn auch in einigen noch unterrepräsentiert. Das ist aber lediglich eine Generationenfrage.

    • @Sam Spade:

      Eine Generationenfrage?

      Sicherlich.

      Vor allem eine Frage der Demographie.

      Mit anderen Worten:

      Wenn Menschen mit Migrationshintergrund in ein paar Generationen, die Mehrheit der Gesellschaft sind.

      Altagsdiskriminierung ist in vielen Bereichen immer noch ganz normal.

      Bei Wohnungs oder Jobsuche, Beförderungen, usw.

      Meist nicht mehr ganz so offensichtlich.

      Da sind wir als Gesellschaft schon weiter.

      • @sociajizzm:

        "Eine Generationenfrage? Sicherlich.



        Vor allem eine Frage der Demographie."

        Das sind zwei paar Schuhe. Die Generationenfrage hängt mit Bildung zusammen. Und hier haben Bürger mit Migrationshintergrund heutzutage mehr Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. Studium) als noch in den 80er Jahren. Und das wird von Generation zu Generation zunehmen.

        Für den Punkt Demographie wäre mitunter die Natur zuständig und das von ihnen geschilderte Szenario wäre ja auch nicht so verkehrt (es sei denn man ist Afd Sympathisant).

        Und Diskriminierung gibt es in allen Lebensbereichen und Personengruppen, ob Menschen mit Behinderungen, Frauen, Queer etc. Die wird auch nicht so schnell verschwinden, auch nicht bei einem demographischen Wandel.

  • Volle Unterstützung. Das Narrativ muss dringend geändert werden.

  • Solange auch in den etablierten Parteien allerlei Dummschwätzer ihre zuwandererfeindlichen Absonderungen sogar vor den Mikrofonen der Weltpresse absondern, wird das wohl ein herer Traum bleiben.



    Und ich will da garnicht mal Richtung bayrischer Dummschwätzer schielen.

  • Vielleicht sollte wir auch endlich aufhören ständig über "unseren Wohlstand" zu schwafeln, Herr Gran. Viele Menschen in Deutschland leben in Armut und bekommen von diesem "Wohlstand" nicht viel mit. Und zu behaupten jemand sei sich "zu fein" für eine Arbeit, die miserabel bezahlt wird, ist dabei besonders zynisch.

    Leider kommen diese Menschen in der Öffentlichkeit selten zu Wort. Stattdessen muss ich mir Ihren Kommentar durchlesen, der mir zeigt, dass Sie sich Ihrer eigenen privilegierten Überheblichkeit scheinbar nicht bewusst sind.

    Abgesehen davon wird doch regelmäßig auf die wirtschaftliche Bedeutung von Migration hingewiesen. Wann sehen wir endlich mal ein, dass Flüchtlinge Menschen sind, die Hilfe brauchen, und geben ihnen diese genau aus diesem Grund, anstatt ihre potentielle Arbeitskraft zu bewerten. Danke