Neues Dekret in Belarus: Lukaschenko erlaubt Schüsse

Belarussische Sol­da­t*in­nen nutzen seit Jahren Waffen gegen Proteste. Nun dürfen sie das ganz offiziell auch gegen die Zivilbevölkerung.

Alexander Lukaschenko mit ernster Miene

Sein Regime geht auch gegen Widerstände im Militär vor: Alexander Lukaschenko bei einem Konzert in Russland am 27. Januar 2024

BERLIN taz | Feuer frei in Belarus: Angehörigen des Militärs ist es künftig offiziell erlaubt, scharf auf Zi­vi­lis­t*in­nen zu schießen. Ein entsprechendes Dekret hatte der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko am vergangenen Donnerstag unterzeichnet, zwei Tage später wurde es veröffentlicht.

Laut dem Dokument, aus dem das Webportal Nastojaschee vremja zitiert, können Militärangehörige „bei der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben körperliche Gewalt anwenden sowie besondere Mittel, Kampf- und Spezialausrüstung und Waffen einsetzen“. Dabei gelte es die aktuelle Situation, die Art der Straftat sowie die Persönlichkeit der Tä­te­r*in­nen zu berücksichtigen.

Des Weiteren ist dem Dekret zu entnehmen, dass ein Soldat, der das Feuer auf eine Zivilperson eröffnet hat, nicht für gesundheitliche Schäden des Verwundeten haftet, „wenn der Einsatz oder die Verwendung von Waffen in Übereinstimmung mit den Anforderungen der allgemeinen Militärvorschriften erfolgt ist“.

In den vergangenen Jahren hatten belarussische Sicherheitskräfte und Militärangehörige wiederholt von ihren Waffen gegen die Zivilbevölkerung Gebrauch gemacht – vor allem im Zuge der Massenproteste gegen die gefälschte Präsidentenwahl 2020. So erinnert Nastojaschee vremja an den Fall eines 44-jährigen Mannes aus Brest, der im August 2020 während einer regimekritischen Kundgebung von einem Soldaten angeschossen worden war und kurz darauf seinen schweren Verletzungen in einem Krankenhaus erlag.

Todesstrafe gegen Militärs

Unterdessen macht Lukaschenkos autoritäres Regime auch mit widerständigen Angehörigen des Militärs kurzen Prozess. In der kommenden Woche steht der Offizier Anton Tscheramnych in Minsk vor Gericht. Das berichtet die belarussische Menschenrechtsorganisation Vjasna (Frühling). Die Anklage lautet auf Hochverrat und „Anstachelung zu sozialem Hass“. Im Falle einer Verurteilung drohen dem 40-Jährigen zwischen 10 und 20 Jahren Haft.

Unter Verweis auf Berichte anderer Medien zitiert die ukrainische Webseite focus.ua Kameraden von Tscheramnych. Ihnen zufolge habe der Angeklagte 2020 einen alternativen Präsidentschaftskandidaten unterstützt und aus seiner Ablehnung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine kein Hehl gemacht.

Ein entsprechendes Gesetz über Hochverrat war im März vergangenen Jahres in Kraft getreten. Es sieht für Militärangehörige und Staatsbedienstete, die sich dieser Straftat „schuldig“ gemacht haben, die Todesstrafe vor. Belarus ist das einzige Land in Europa, in dem Todesurteile vollstreckt werden.

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