Comeback des Altmeisters im Skispringen: Einmal um die Welt
Noriaki Kasai kehrt mit 51 in den Skisprung-Weltcup zurück. Der Senior schafft in Sapporo nicht nur die Qualifikation, er überzeugt auch im Finale.
Am 17. Dezember 1988 gab Noriaki Kasai in Sapporo sein Weltcup-Debüt. Damals gab es noch eine Mauer zwischen den beiden deutschen Staaten. Helmut Kohl war Bundeskanzler und Franz Beckenbauer Bundestrainer. Noriaki Kasai macht immer noch das, was er schon vor gut 35 Jahren am besten konnte: Skispringen.
Am Freitag hat sich der ewige Flieger sensationell für das Weltcup-Springen am Samstag qualifiziert. In Sapporo, dort, wo alles für ihn begonnen hat. 106 Meter und Platz 45 reichten dafür aus; und der älteste Springer der Weltcup-Geschichte schaffte es dann am Samstag bei seinem ersten Start seit vier Jahren und dem 570. seiner Karriere sogar in den zweiten Durchgang, wo er sich aber mit Rang 30 begnügen musste.
Der 51-Jährige war dennoch viertbester Japaner und sammelte seinen ersten Weltcuppunkt seit März 2019. Die Wertschätzung all seiner Kollegen war ihm sicher, schließlich ließ Kasai Springer hinter sich, die seine Kinder sein könnten. Der gerade 17 Jahre alte US-Amerikaner Jason Colby (47.) würde sogar als Enkel durchgehen.
„Ich denke, dass alle auf mich warten, und ich möchte ihren Erwartungen gerecht werden. Das wird ein solcher Druck für mich, als ob es um den Sieg gehen würde“, hatte Kasai vor seinem in der japanischen Öffentlichkeit mit großer Spannung erwarteten Start erklärt. Er hielt dem Druck stand. „Wahrscheinlich habe ich in meiner Karriere mindestens einmal die Welt umflogen“, sagte Kasai. Und damit vermutlich noch untertrieben.
„Es ist echt irre, was Noriaki leistet“, erklärte Ex-Bundestrainer Werner Schuster am Freitag nach Kasais Coup am Eurosport-Mikrofon: „Ich musste wirklich lachen. Ich bin ja selber noch gegen ihn gesprungen, und gerade erst ist er gegen meinen Sohn im Continental Cup gesprungen. Er springt generationenübergreifend.“ Als sich der japanische Flugkünstler 1992 zum Skiflug-Weltmeister krönte, war Andreas Wellinger (28) noch nicht einmal geboren.
Flugsaurier mit wehen Knien
Noriaki Kasai ist ein Phänomen, ein Skisprungverrückter, der nicht von seinem Sport lassen kann. Als 1988 seine Karriere begann, wurde noch im Parallelstil gesprungen. Die Protagonisten damals hießen Jens Weißflog oder Matti Nykänen. Von dem legendären Finnen hat Kasai einmal einen Sprunganzug geschenkt bekommen; Nykänen, der nach seiner Karriere im Drogenrausch zum Gewalttäter wurde, ist inzwischen tot. Doch Kasai, der schon mal despektierlich Flugsaurier genannt wird, macht immer weiter.
Zuletzt bot er sich im zweitklassigen Continentalcup für ein Comeback an – mit Erfolg. Wobei ihm natürlich auch sein berühmter Name geholfen hat, denn Kasai ist nicht nur in seiner Heimat eine Legende – auch wenn der letzte seiner 17 Weltcup-Siege bald zehn Jahre her ist. Am 29. November 2014 triumphierte er gemeinsam mit dem punktgleichen Vierfach-Olympiasieger Simon Ammann. Auch der Schweizer, 42, fliegt immer noch.
Der Japaner war bei seinem letzten Sieg 42 Jahre und 176 Tage alt und ist damit der mit Abstand älteste Weltcup-Triumphator der Skisprung-Historie. Natürlich ist er mit Silber und Bronze bei den Winterspielen 2014 auch der älteste Olympia-Medaillengewinner aller Zeiten im Skispringen. 2018 in Pyeongchang nahm er als erster Wintersportler der Geschichte zum achten Mal an Olympia teil.
„Noriaki ist das siebte Weltwunder“, hat Österreichs Skisprungexperte Toni Innauer einmal gesagt. „Gute Gene“ und „gesunde japanische Ernährung“ nennt Kasai als Gründe für seine „ewige Skisprung-Jugend“. Aber auch der weltweit von den Fans umjubelte Mann kann die biologischen Gesetze des Alterns nicht ewig brechen.
Er hat inzwischen Probleme, in der Anlaufspur in die Hocke zu gehen, weil die Gelenke schmerzen. Aufgeben will er nicht: „Ich fühle mich körperlich gut und kämpfe weiter. Ich will 2026 wieder bei Olympia dabei sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!