IGH prüft Israels Besatzungspolitik

Kommende Woche beginnt eine weitere Israel-Verhandlung am Internationalen Gerichtshof in Den Haag

Von Christian Rath

Am kommenden Montag beginnt am Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eine mehrtägige Verhandlung, bei der erneut Israel im Mittelpunkt steht. Anders als zuletzt geht es aber nicht um den aktuellen Gazakrieg, sondern um grundsätzliche Fragen der Besatzung palästinensischer Gebiete. Anlass der Verhandlung ist ein Gutachtenauftrag, den die UN-Generalversammlung im Dezember 2022 auf Initiative der palästinensischen Autonomiebehörde beschloss.

Schon die Fragestellung der Generalversammlung zeigt die Brisanz der Verhandlung: „Welche rechtlichen Folgen ergeben sich aus der fortdauernden Verletzung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung durch Israel, aus seiner anhaltenden Besatzung, Besiedlung und Annexion des seit 1967 besetzten palästinensischen Gebietes, einschließlich der Maßnahmen, die darauf abzielen, die demografische Zusammensetzung, den Charakter und den Status der Heiligen Stadt Jerusalem zu verändern, und aus der Verabschiedung von damit zusammenhängenden diskriminierenden Gesetzen und Maßnahmen?“

Außerdem will die UN-Generalversammlung wissen, wie sich die israelischen Praktiken auf den rechtlichen Status der Besatzung auswirken und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus für alle Staaten und die Vereinten Nationen ergeben.

Konkret wird es vor allem um das Westjordanland und Ostjerusalem gehen. Aus dem Gazastreifen hat sich Israel 2005 zurückgezogen. Die aktuelle Militäroperation Israels gegen die Hamas war im Dezember 2022 noch kein Thema. Israel hatte die Gebiete 1967 besetzt, als es im Sechstagekrieg einem Angriff arabischer Staaten zuvorkam.

Seit Langem wird Israel von UN-Gremien immer wieder aufgefordert, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen und vor allem den völkerrechtswidrigen Bau jüdischer Siedlungen zu unterlassen. In Den Haag wird es nun aber auch um den Vorwurf rassistischer Diskriminierung in den besetzten Gebieten gehen. Israel wird vorgeworfen, dass in den Siedlungen keine Palästinenser wohnen dürfen, dass es auf den Straßen militärische Checkpoints nur für Palästinenser gibt und dass der Zugang zu Wasser ungleich verteilt ist.

Der IGH muss auch entscheiden, ob der palästinensische Vorwurf zutrifft, dass Israel in den besetzten Gebieten eine Form von „Apartheid“ praktiziere wie einst die weißen Buren in Südafrika. Apartheid ist im Statut über den Internationalen Strafgerichtshof als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eingestuft.

Im Vorfeld des Verfahrens haben 75 Staaten Stellungnahmen abgegeben. Israel hat sich nur knapp geäußert und der UN-Generalversammlung eine Vorverurteilung vorgeworfen. Deutschland hat auf eine Beteiligung verzichtet.

IGH muss auch entscheiden, ob Israel „Apartheid“ praktiziert

Die Verhandlung ist auf sieben Tage angesetzt. Am Montag wird laut IGH-Zeitplan zunächst der „Staat Palästina“ seine Sicht darlegen. Dann folgen 46 Staaten und mehrere internationale Organisationen. Israel wird wohl nicht an der Verhandlung teilnehmen. Das Gutachten wird einige Monate später veröffentlicht. Ein Gutachten des IGH ist zwar rechtlich nicht bindend, hat aber großes politisches Gewicht, da der IGH das Gericht der Vereinten Nationen ist. Dem IGH gehören 15 Richter an, unter ihnen der deutsche Rechtsprofessor Georg Nolte. Seit Anfang Februar ist der Libanese Nawaf Salam Präsident des IGH.

2004 hat der IGH in einem Gutachten festgestellt, dass Israel seine Sperranlage zu den Palästinensergebieten nicht auf besetztem Grund bauen durfte. Israel ignorierte jedoch die IGH-Aufforderung, die Zäune und Mauern wieder abzubauen.

Ende Januar hatte der IGH Israel auf Antrag Südafrikas in einer Eilentscheidung aufgefordert, in Gaza keinen Völkermord zu begehen und die Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung zu verbessern.