Prozess gegen Linke in Hamburg: Viel Aufwand gegen G20-Gegner*innen

Zum Auftakt des G20-Rondenbarg-Prozesses zweifelt die Richterin die Verhältnismäßigkeit an. Der Einsatz sei hoch, die zu erwartenden Strafen gering.

Demonstrant*innen halten ein Transparent und protestieren vor einem Gericht

Unterstützung für die Angeklagten des G20-Gipfels gibt es nach sechseinhalb Jahre später noch Foto: Georg Wendt/dpa

HAMBURG taz | Eine Angeklagte fehlte, als der G20-Rondenbarg-Prozess am Donnerstag mit zwei Stunden Verspätung eröffnet wurde. Die peniblen Einlasskontrollen, denen sich die rund 70 Zu­schaue­r*in­nen auf dem Weg zum Hochsicherheitssaal des Hamburger Landgerichts unterziehen mussten, verzögerten den Start des Mammutprozesses.

Sechs Angeklagte müssen sich im Rahmen des G20-Protests im Juli 2017 wegen Vorwürfen des besonders schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Bildung einer bewaffneten Gruppe und Sachbeschädigung verantworten. In der ersten Reihe des Gerichtssaals blieb der Platz neben dem Verteidiger leer – der Anwalt gab an, seine Mandantin nicht erreicht und nichts von ihr gehört zu haben. Die Kammer trennte das Verfahren ab und eröffnete den Prozess gegen die Verbliebenen.

„Um eine Strafe geht es hier nicht“, stellte die Richterin zu Beginn klar. Sechseinhalb Jahre nach den Ereignissen sei es wahrscheinlich, dass vom möglichen Strafmaß nichts mehr übrig bleibe. Dass so viel Zeit vergangen sei, stelle eine rechtsstaatswidrige Verzögerung dar, die das Strafmaß mindern würde, sollten die Angeklagten schuldig gesprochen werden. Zudem sehe die Richterin die hohe Belastung für die Angeklagten durch das jahrelang über ihnen schwebende Verfahren und die weite Anreise. Bis mindestens in den August hinein sollen sie an vier Tagen im Monat erscheinen. Zwei von ihnen wohnen in Süddeutschland.

Aus Sicht der Kammer stelle sich daher die Frage, ob der Aufwand, gemessen am möglichen Ergebnis, im Verhältnis stehe, so die Richterin. Irgendwann müsse der Fall allerdings mal aufgeklärt werden. Im Zentrum stünden die Fragen „Was darf Protest?“ und „Was geschah am Rondenbarg wirklich und war der Protestzug eine normale Demonstration?“

Einstellung möglich

Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, die 150 bis 200 G20-Gegner*innen, die durch das Industriegebiet gezogen waren, hätten einen gemeinsamen Tatplan verfolgt, der nur darauf zielte, Polizeikräfte zu binden, anzugreifen und Schaden anzurichten. Deshalb seien alle Teilnehmer des „Aufzugs“ – den die Staatsanwaltschaft nicht als vom Versammlungsrecht geschützte Demo versteht – für alle Taten verantwortlich zu machen. Den Angeklagten wirft sie keine individuellen Gewalthandlungen vor.

Zwei der Angeklagten lasen eine Prozesserklärung im Namen aller Angeklagten vor. Eine Verurteilung wegen des legitimen Protests könnte fatale Folgen für das Versammlungsrecht haben, sagten sie. Eine Verteidigerin beantragte die Einstellung des Verfahrens, weil es nicht auf rechtsstaatlichen Voraussetzungen fuße. Alle Ver­tei­di­ge­r*in­nen schlossen sich dem an. Nach der Verhandlung tagte die Kammer ohne die Öffentlichkeit mit allen Prozessbeteiligten, um die Möglichkeiten einer Einstellung zu erörtern.

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