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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Russische Raketen auf Kyjiw

Mit schweren Raketen greift Russland die ukrainische Hauptstadt an. Grüne: Nur wenige Leopard-Panzer in der Ukraine sind einsatzbereit.

Kyjiw am 2. Januar nach einem russischen Angriff: Feuerwehrleute kämpfen gegen die Flammen Foto: Efrem Lukatsky/ap

Schwerer russischer Raketenangriff auf Kyjiw

Die ukrainische Hauptstadt Kyjiw ist am Dienstagmorgen Ziel eines schweren russischen Raketenangriffs geworden. Dabei habe Russland mehrere Hyperschallraketen des Typs Kinschal eingesetzt, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. In der Millionenstadt waren nach Berichten von Einwohnern laute Explosionen zu hören. In mehreren Stadtteilen gebe es Stromausfälle, schrieb Bürgermeister Vitali Klitschko auf Telegram. Es seien Anlagen der zivilen Infrastruktur getroffen worden; eine Gasleitung sei beschädigt. Auch Probleme mit der Wasserversorgung wurden gemeldet. In einem Hochhaus seien dreizehn Menschen verletzt worden, als eine Rakete einen Brand verursachte, schrieb Klitschko.

Auch aus anderen Landesteilen wurden Luftangriffe gemeldet. In der ostukrainischen Großstadt Charkiw wurde nach ersten Behördenangaben ein Mensch getötet; mehr als 20 Menschen seien verletzt worden. Russland hat seine Bombardements auf das Nachbarland in den vergangenen Nächten verstärkt. Der Moskauer Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert schon fast zwei Jahre an.

Im EU- und Nato-Mitgliedsland Polen wurden die Luftschläge gegen den Nachbarn Ukraine genau beobachtet. Zur Sicherheit seien je zwei Kampfjets vom Typ F-16 der polnischen und der amerikanischen Luftwaffe aufgestiegen, teilte ein Kommando der Streitkräfte auf der Plattform X (vormals Twitter) mit. Erst am Freitag war nach Angaben des polnischen Generalstabs eine russische Rakete für drei Minuten in den polnischen Luftraum eingedrungen, bevor sie ihn Richtung Ukraine wieder verließ. (dpa)

Nur „sehr geringe Zahl“ Leopard-Panzer noch einsatzbereit

Von den aus Deutschland gelieferten modernen Kampfpanzern Leopard 2A6 sind in der Ukraine nur noch sehr wenige im Einsatz – der Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer fordert deshalb schnellere Schritte, um sie wieder einsatzbereit zu machen. Der Fachmann für den Verteidigungsetat schrieb zum Jahreswechsel an die beteiligten Rüstungsunternehmen Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann (KMW): „Leider ist festzustellen, dass nur noch eine sehr geringe Zahl der gelieferten Kampfpanzer von der Ukraine eingesetzt werden kann.“ Die Reparatur dauere sehr lange, da es nach Auskunft der Reparaturwerkstatt der Industrie („Hub“) in Litauen an geeigneten Ersatzteilen mangele.

Schäfer hatte gemeinsam mit Verteidigungsminister Boris Pistorius vor Weihnachten die Werkstatt in Litauen besucht. Es gebe „dringende Handlungsnotwendigkeiten“, um die Ersatzteillage schnell zu verbessern, heißt es nun in seinen Schreiben, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Zudem hätten Reparaturversuche durch die ukrainische Armee zu weiteren Schäden an den Panzern geführt. Es sei zu prüfen, inwiefern dies durch eine bessere Schulung der Mechaniker oder durch die Bereitstellung von Anleitungen verhindert werden könne oder ob gleich eine Instandsetzung in der Ukraine möglich sei.

Die Bundesregierung hatte der Ukraine im März nach langem Zögern insgesamt 18 Leopard-2-Panzer aus dem Bestand der Bundeswehr übergeben. Die Lieferung ist Teil der Hilfe gegen den russischen Angriff. An den Fahrzeugen gibt es nun Gefechtsschäden, aber teils auch erheblichen technischen Verschleiß durch den Fahr- und Schießbetrieb. (dpa)

Selenski warnt Westen vor Schwäche

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat den Westen davor gewarnt, vor Russland Schwäche zu zeigen. Denn sollte die Ukraine diesen Krieg gegen Russland verlieren, werde Kremlchef Wladimir Putin den Krieg näher an den Westen herantragen. „Putin erkennt Schwäche wie ein Tier, denn er ist ein Tier“, sagte Selenski in einem am Neujahrstag veröffentlichten Interview des britischen Magazins The Economist. Wenn er Blut wittere, werde Putin stark. „Und er wird auch alle zum Abendessen fressen samt eurer EU, Nato, Freiheit und Demokratie.“

Selenski sah aktuell keinen gangbaren Weg zu einem Frieden. Er selbst erkenne auf russischer Seite „keine fundamentalen Schritte“ dorthin. Stattdessen gebe es von russischer Seite nur ständige Luftangriffe. „Ich erkenne nur die Schritte eines terroristischen Staats.“ Russland sende höchstens vermeintliche Friedenssignale aus, wenn die Arsenale leergeschossen seien. Doch nach einer Atempause gehe es wieder „mit aller Gewalt“ weiter.

Die Kriegsziele der Ukraine für 2024 wollte Selenski nicht verraten, da im Vorjahr durch Lecks die Vorbereitungen zur Sommeroffensive der Ukraine verraten worden seien und die Vorbereitungen der Russen ermöglicht hätten. Allerdings werde daran gearbeitet, die militärischen Kapazitäten Russlands auf der Krim zu reduzieren. „Dies ist für uns extrem wichtig, da wir dadurch die Zahl der Angriffe aus dieser Region senken könnten“, sagte Selenski. Ein Großteil der Drohnen, mit denen die ukrainischen Städte angegriffen werden, starten von der Krim.

Um die Halbinsel von ihrer Versorgung abzuschneiden, benötige die Ukraine die deutschen Taurus-Marschflugkörper, sagte Selenski. Damit könnte etwa die Kertsch-Brücke angegriffen werden. „Russland muss wissen, dass dies für uns ein militärisches Ziel ist.“ Bisher hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Lieferung der Taurus an Kyjiw abgelehnt. (dpa)

Kyjiws Präsidentenberater: Russland schon längst tot

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak betrachtet Russlands Drohungen mit weiteren Angriffen gegen die Ukraine als pure Prahlerei. Denn eigentlich sei Russland „schon längst tot“. Doch sei sich der Kreml dieser Tatsache noch nicht bewusst, sagte das Mitglied von Selenskis Beraterstab am Neujahrstag in Kyjiw. „Manchmal, wenn der Mensch stirbt, weiß er das nicht, aber er ist tot. Und genau das ist der Fall mit Russland – es ist bereits tot, aber es versteht dies noch nicht ganz“, wurde Podoljak von der Agentur Unian zitiert. Putin hatte wenige Stunden zuvor bei einem Besuch bei verwundeten Soldaten in einer Moskauer Militärklinik weitere Angriffe gegen die Ukraine angekündigt.

Podoljak vertrat die Ansicht, Russland sei durch diesen Krieg nicht nur militärisch auf die Verliererstraße geraten. „Grob gesagt, Russlands Ansehen wird zunichte gemacht, Russlands historisches Gewicht wird zunichte gemacht, Russlands Einfluss, seine Beteiligung an internationalen Institutionen, seine wirtschaftliche Beteiligung an der modernen Welt werden zunichte gemacht“, sagte Podoljak. (dpa)

Kämpfe im Osten der Ukraine

Von den verschiedenen Frontabschnitten wurden am Neujahrstag heftige Kämpfe gemeldet. Allein im Osten des Landes seien 38 Angriffe russischer Truppen abgewehrt worden, teilte der ukrainische Generalstab in Kyjiw am Abend mit. Der ukrainischen Raketenartillerie sei es gelungen, mehrere Aufmarschgebiete russischer Infanterie sowie Artilleriestellungen zu treffen. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden. (dpa)

Norwegen verkauft Waffen und Rüstung direkt an Kyjiw

Norwegen wird per Regierungsbeschluss ab sofort Waffen und Rüstungsgüter direkt an die Ukraine verkaufen. Das teilte die Regierung in Oslo am Montag auf ihrer Webseite mit. Nunmehr könnten norwegische Firmen entsprechende Exportgenehmigungen beantragen. Die Unterstützung der Ukraine in ihrem Kampf gegen die russische Aggression sei wichtig für die Sicherheit Norwegens und Europas, begründete Außenminister Espen Barth Eide die Entscheidung Oslos. (dpa)

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11 Kommentare

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  • Warum muss Wladimir erst noch alles zerstören können, bevor er gegangen wird? Haben die Russen nichts aus den europäischen Kriegen gelernt?

    • @vieldenker:

      Sie machen Witze, oder? Die, die gerade "alles zetstören" durch massiven Bombardierungen sitzen in Tel Aviv. Von den europäischen Kriegen sollten wir alle gelernt haben, dass man die Sicherheitsbedürfnisse eines Großmachts nicht ignorieren sollte. War es so schwer einfach die Neutralität der Ukraine zu gewährleisten?

      • @Bescheidener Kunsthandwerker:

        "...dass man die Sicherheitsbedürfnisse eines Großmachts nicht ignorieren sollte."



        Die Sicherheitsbedürfnisse Russlands bezüglich der Ukraine bestanden seit mehreren Jahrzehnten (Budapester Memorandum 1993) darin, dass es Russland egal ist, ob die Ukraine in der NATO ist oder nicht.



        Die NATO hat eine Mitgliedschaft der Ukraine vor dem Krieg nicht in Erwägung gezogen.



        Die andauernde Herbetung der russischen Propagande macht sie nicht wahrer.



        "War es so schwer einfach die Neutralität der Ukraine zu gewährleisten?"



        Nachdem Russland ukrainisches Territorium besetzt hat (Krim): eindeutig ja.

        • @Encantado:

          In ihrer Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1990 verkündete die Ukraine ihre „Absicht, ein dauerhaft neutraler Staat zu werden, der sich nicht an Militärblöcken beteiligt und sich an drei atomwaffenfreie Prinzipien hält“.

          Also, in 1993 gab es kein Problem zwischen Russland und Ukraine. Aber dann begann die Ukraine mit der Nato zu kokettieren. Folglich, die Beziehungen zwischen Kiew und Moskau verschlechterten sich.

          In einem Punkt liegen Sie falsch: Beim NATO-Treffen in Bukarest im Jahr 2008 bestand der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, George W. Bush (ich glaube, nur Trump ist schlimmer gewesen), darauf, Georgien und die Ukraine in die NATO einzuladen. Der große Fehler von Merkel und Sarkozy bestand darin, ihm nicht entschiedener entgegenzutreten. Anstatt „Nein. Niemals“ zu sagen, beschränkten sie sich darauf, ihren Widerstand mit folgender Lauheit abzuschwächen: „Im Moment nicht, aber später auf jeden Fall.“ Ein paar Monate später hatten wir den 5-tägigen Krieg zwischen Russland und Georgien.

          • @Bescheidener Kunsthandwerker:

            Aber erst 1994 im Budapester Memorandum wurde die Frage der Kernwaffen in der Ukraine geklärt und die ukranischen Grenzen garantiert. Außerdem ging man ein Bündnis über die Schwarzmeerflotte und Sewastopol ein.

            • @metalhead86:

              Damals war es einfach, die Sicherheit der Ukraine zu gewährleisten, da sich die Ukraine selbst als neutrales Land definierte, das außerhalb eines Militärblocks oder Bündnisses stand. So sehr, dass weder Russland noch die Vereinigten Staaten auf ihren Kongressen ratifizierten, was in Budapest unterzeichnet wurde: Niemand hielt es für notwendig. Beachten Sie, dass das Dokument als „Memorandum“ und nicht als „Vereinbarung“ eingestuft wird, gerade weil nichts Konkretes vereinbart wurde.

              Mit den Vereinbarungen zwischen Russland und der Ukraine über die Aufteilung der Schwarzmeerflotte und Sewastopol haben Sie völlig Recht. Aber dann verkündete der damalige Präsident Leonid Kutschma im Jahr 2002, dass Kiew die Absicht habe, der NATO beizutreten. Erinnern wir uns daran, dass unter der Regierung von Kutschma selbst 1996 die ukrainische Verfassung verkündet wurde, die die Neutralität der Ukraine und ihre Nichtmitgliedschaft in einem Militärblock oder Bündnis bestätigte.

              Kutschma vollzog innerhalb von sechs Jahren eine 180-Grad-Wendung, als er von der Neutralität zum NATO-Beitritt überging. Und seitdem ist das Verhältnis zwischen Kiew und Moskau mit seinen Höhen und Tiefen immer komplizierter geworden.

  • Was denken wohl die Soldaten, die täglich russische Sturmangriffe abwehren müssen über die Worte von Herrn Podoljak?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Laut einigen ukrainischen Journalisten, die Unzufriedenheit wächst.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Was denken wohl die Soldaten, die täglich russische Sturmangriffe abwehren müssen über die Worte von Herrn Podoljak?"



      Für wahre Friedensdiplomaten ist der freie Wille der ukrainischen Bürger offensichtlich vernachlässigbar.

      • @Encantado:

        So wirklich freiwillig würde ich das jetzt nicht betiteln. Ist ja jetzt nicht so, dass man Russland eingeladen hätte das eigene Schicksal auszufechten.

  • Warum zögern die EU Länder immer noch bei der Unterstützung der Ukraine?

    Putin nimmt jedes Zögern, jedes Zaudern zum Anlass, noch heftiger zuzuschlagen.

    Die EU muss ein Zeichen setzen und die Ukraine jetzt massiv unterstützen. Mit Material und Personal. Putin wird erst aufhören, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht und Russland komplett am Boden liegt.