Poncha auf Madeira: Frisch, fruchtig, flauschig
Bleibt mir doch mit den Jahreswechselgesundheitsattitüden fern. Trinkt lieber einen Poncha – und ihr habt den Geschmack von Meer im Mund.
E s ist wieder soweit: Nach den Feiertagen kommen allerlei Leute mit allerlei Moral. Das Jahreswechselmantra geht ungefähr so: Wer Alkohol trinkt, ruiniert seine Gesundheit, vernebelt sein Gehirn und ist überhaupt durch und durch ein Assi. Neulich veröffentlichte ein großes Hamburger Wochenmagazin sogar einen Test, der einem orakelt, wie es um den eigenen Trinkgenuss so bestellt ist.
Zuerst dachte ich, ach Leute, lasst mich doch mit so was in Ruhe, es ist Weihnachten, Silvester, Feierlaune, was soll denn jetzt diese Gesundheitsduselei. Und überhaupt: Nach der fetten Weihnachtsgans, vier Klößen, einer Schüssel Rotkohl und einem Kilo Tiramisu wird man ja wohl noch einen Schnaps trinken dürfen.
Aber dann ließ ich mich doch hinreißen und klickte den online-Fragebogen an. Ich verrate das Ergebnis gleich mal vorweg: Ich landete in der Gruppe „riskanter Konsum“. Und befinde mich damit in dem kleinen Kreis von nicht einmal 14 Prozent der Frauen in Deutschland zwischen 50 und 59 Jahren, die ähnlich viel – oder wenig – trinken. Der Test unterscheidet zwischen Frauen und Männern, und ja, Männer dürfen mehr trinken, bevor ihnen der Test Alkoholmissbrauch attestiert.
Mein „riskanter Konsum“ bestand aus 2 Gläsern Glühwein, 4 Gläsern Crémant und 1 Schnaps – verteilt über 7 Tage. Um es noch einmal deutlich zu sagen: sieben Tage.
Es mag wissenschaftlich ja korrekt sein, was der Epidemiologische Suchtsurvey, der dem Alkoholrechner seine wissenschaftlichen Daten einflößt, da herausgefunden hat. Ich bestreite auch gar nicht, dass zu viel Alkohol das Leben versaut. Aber muss ich mir das jeden Tag selbst ins Ohr flüstern? Muss ich wie ein Knäckebrot ohne alles durchs Leben gehen, um mich vor Übergewicht, Krebs, Demenz und Leberzirrhose zu schützen?
Mein Körper und mein Geist erfreuen sich bester Gesundheit
Ich kann versichern, dass sich mein Körper und mein Geist bester Gesundheit erfreuen: Ersterer ist, soweit ich das beurteilen kann, recht fit, jedenfalls kann er wandern im Gebirge, joggen im Park, zwei Stunden lang trainieren in der Muckibude. Zweiterer sorgt dafür, dass ich das hier schreiben und morgen auch noch lesen kann. Okay, manchmal vergesse ich den Geburtstag meiner Schwester, aber das hat andere Gründe. Für die es, um über sie hinwegzukommen, manchmal einen Schnaps braucht.
Apropos Schnaps. Ich hätte da noch was im Angebot: Poncha. Das ist Nationalgetränk auf Madeira und wird aus Zuckerrohrschnaps, Honig, frischen Zitronen oder auch frischen Orangen mit einem speziellen Quirl gemixt. Was ist schon gegen gesunde Zitronen und Orangen zu sagen? Jedenfalls sollte, wer auf der portugiesischen Insel Urlaub macht, unbedingt Poncha probieren. Er schmeckt frisch, fruchtig, flauschig.
Die Madeirer:innen trinken ihn ohne Eis. Aber mit Eis, das ist mein Geheimtipp, schmeckt er doppelt so gut, weil ein bisschen auch nach Atlantik. Mit Eis knallt er auch erst später. Mehr als zwei Poncha kann man ohnehin nicht trinken – es sei denn, man verzichtet auf den Heimweg. Ah, ich seh’ ihn schon, den protestantischen Zeigefinger des Epidemiologischen Suchtsurveys: Sagen wir doch, Alkohol ballert dir die Birne weg.
Is’ ja schon gut. Und ich kann versichern: Ich habe nicht nur den Weg ins Hotelbett gefunden, ich war auch pünktlich am Flughafen. Und ich habe – Achtung – jeden Tag einen Poncha getrunken.
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