Mobilisierung in der Ukraine: Wehrdienst soll flexibler werden
Ein neues Gesetz soll den Einsatz in der ukrainischen Armee anders regeln. Dabei geht es auch um das Bekämpfen von Korruption.
Der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates (SNBO), Alexey Danilow, verriet dem britischen Guardian vorab einige Details. Ihm zufolge wollen die Behörden gezielter mobilisieren. Wehrpflichtige sollen Stellen erhalten, die ihren Fähigkeiten im zivilen Leben entsprechen, und nicht einfach an die Front geschickt werden. „Manche haben Angst, zu schießen oder gar zu sterben. Aber das bedeutet nicht, dass sie sich nicht an anderen Aktivitäten in der Armee beteiligen können. Jetzt haben wir einen neuen Minister mit einem neuen Ansatz“, sagte Danilov.
Gemeint ist Rustem Umerow, der seit vergangenem September im Amt ist. „Die Mobilisierung wird flexibler, die benötigten Qualifikationen werden bekannt gegeben. Die Menschen werden freiwillig eine bestimmte Position in der Armee übernehmen. Wir brauchen Schweißer oder Mechaniker“, so Danilow.
Männer werden auf der Straße angehalten, um sie zur Armee zu schicken, Beamte kommen vor Gericht, weil sie Schmiergeld für eine Befreiung vom Wehrdienst angenommen haben – auch solche Fälle kommen in der Ukraine vor. Danilow räumte ein, dass es Probleme bei der Mobilisierung gebe. Er glaube aber, dass die russische Propaganda das Ausmaß übertreibe.
Urlaub für Militärangehörige, die Eltern geworden sind
Zuvor hatte Danilow erklärt, dass das Militär den Vorschlag von Präsident Wolodymyr Selenskyj, einen Teil der Soldaten zu demobilisieren, akzeptiert habe. Nach Hause gehen kann, wer bereits am 24. Februar 2022 gedient hat. Auf eigenen Wunsch können diese Soldaten einen Vertrag mit der Armee unterschreiben.
Die Äußerungen von Danilow folgten auf eine weitere Erklärung von Präsident Selenskyj. Er hatte gesagt, dass die Behörden einen umfassenden Mobilisierungsplan vorbereiteten. Dem Parlament, der Werchowna Rada, liegt derzeit ein Gesetzentwurf zur Änderung der Regeln für die Mobilmachung, die militärische Registrierung und den Militärdienst vor. Laut Fjodor Wenislawski, Mitglied des Ausschusses für nationale Sicherheit, Verteidigung und Geheimdienste, sehe das neue Gesetz zum Beispiel Urlaub für Militärangehörige vor, die Eltern geworden oder aus der Gefangenschaft entlassen worden seien.
Darüber hinaus haben Soldaten nach 18 oder 36 Monaten ununterbrochenem Dienst ein Recht auf Demobilisierung (hierüber ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen). Die Behörden werden zudem den Kreis derer einschränken, die Anspruch auf einen Aufschub vom Militärdienst wegen der Pflege einer Person mit Behinderung haben. Dieses Recht sollen künftig nur noch Verwandte ersten Grades in Anspruch nehmen können.
Mitarbeiter der territorialen Rekrutierungszentren dürfen derzeit Wehrpflichtige zwecks einer Dokumentenkontrolle und der Übergabe eines Einberufungsbefehls nicht auf der Straße anhalten. Das neue Gesetz zielt jedoch darauf ab, diese Rechte zu erweitern und den Rekrutierungszentren der Armee Zugang zu allen Bürgerregistern, einschließlich Bank- und Steuerregistern, zu ermöglichen.
Darüber hinaus bereiten die Behörden die Schließung einer weiteren Lücke vor, um eine Mobilisierung zu umgehen. Künftig können nur Studierende unter 30 Jahren vom Militärdienst befreit werden. Bislang galt das altersunabhängig, was zu einem starken Anstieg der 30- bis 40-jährigen Studierenden geführt hatte.
Die Abgeordnete Marianna Bezuglaja behauptet, dass das Kommando der Streitkräfte der Ukraine die Einberufung von 20.000 Personen pro Monat fordere. Diese Vorgabe wird vielfach nicht erreicht. Angaben der Behörden zufolge sei der Mobilisierungsplan in Poltawa nur zu 13, in Sumy zu 8 Prozent erfüllt.
Aus dem Russischen: Barbara Oertel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen