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Psychoanalytiker über Dummheit„Immer eine Frage der Perspektive“

Dummheit ist eigentlich kein Begriff der psychoanalytischen Arbeit. Torsten Maul macht sich trotzdem Gedanken darüber und lädt ein zu einer Diskussion.

Die Dummheit der anderen ist oft ein Thema: Demonstrantin bei einer Anti-Querdenken-Demo 2021 Foto: dpa | Christoph Schmidt
Interview von Jonas Graeber

taz: Herr Maul, macht Dummheit glücklich?

Torsten Maul: Vielleicht wirkt Dumm-Sein oft leichter, weil es von bestimmten Anstrengungen befreit. Mitunter ist der Verstand einfach nicht stark genug, um kurzfristige Triebbefriedigung zugunsten nachhaltiger Lösungen aufzuschieben.

Was genau ist Dummheit?

Im sozialen Miteinander wird der Vorwurf meist gebraucht, um andere zu beschämen, zu diskreditieren oder um sich lustig zu machen. Etwas als „dumm“ zu bezeichnen, ist aber auch immer eine Frage der Perspektive. Was aus einer Sicht sinnvoll scheint, gilt aus anderer Blickrichtung vielleicht als dumm.

Wann zum Beispiel?

Wenn jemand sein letztes Geld für einen Lottoschein verschwendet oder wenn jemand aus Wut auf die gesellschaftlichen Verhältnisse eine Partei wählt, die erst recht alles kaputtmachen wird. Aber auch ungesundes Essen, Verschwörungstheorien, Drogen, umweltzerstörerisches Verhalten: alles nicht so schlau. Aber Verzicht ist schwer. Und dass der Mensch es damit so schwer hat, ist auch irgendwie dumm. Ist aber so.

Wie blickt Psy­cho­ana­ly­se auf dummes Verhalten?

Wir Menschen sind in Bezug auf uns selbst ziemlich unwissend. Wo kommen unsere Ideen, unsere Gefühle, unser Empfinden eigentlich her? Das ist aber nicht Dummheit, das ist der Normalfall. Deswegen gibt es den Begriff „dumm“ in der analytischen Arbeit eigentlich nicht. Weil wir uns für den Sinn auch von scheinbar dummem Verhalten interessieren. Als Analytiker frage ich nicht: Wie dumm ist das denn?

Bild: Miguel Ferraz
Im Interview: Torsten Maul

*1961, Psychoanalytiker und Maler, hat 2015 den Psychoanalytischen Salon Hamburg gegründet.

Sondern?

Welchen Sinn macht es für die Patient*innen, sich so zu verhalten? Oder: Wie kriegen sie es hin, so zu sein? Oder auch: Welchen unbewussten Gedanken und Fantasien folgt das, was sie da tun?

Weil auch Dummheit einen Sinn hat?

Auch dumm scheinende Dinge haben oft einen Sinn, ein Motiv – und einen Zusammenhang, in dem sie stattfinden. Wenn Kinder an schulischen Aufgaben scheitern und sich daraufhin zurückziehen oder sozial auffällig werden, kann das bei oberflächlicher Betrachtung dumm wirken. Aber oft ist das der Ausdruck tiefer seelischer Irritation und Verzweiflung. Und das Verhalten dient häufig der Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts. Die scheinbare Dummheit ist das Symptom, und weniger die Ursache.

Die Diskussion

Psychoanalytischer Salon mit Heidi Kastner und Torsten Maul, (Moderation: Torsten Michels): Mo, 27. 11., 20 Uhr, Thalia Theater/Nachtasyl (Eintritt frei)

Was erhoffen Sie sich von den Gesprächen im Psychoanalytischen Salon?

Wir haben das Format ins Leben gerufen, weil wir einen Raum für gemeinsames Nachdenken und Diskussionen schaffen wollten. Der Salon ist ausdrücklich nicht der Versuch, Psychoanalyse zu „erklären“. Es geht darum, verschiedene Perspektiven einzubringen, aus anderen Fachrichtungen und natürlich aus dem Publikum.

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3 Kommentare

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  • Das Gegenteil von intelligent heisst unintelligent. Das Gegenteil von klug heisst dumm.

    Klugheit ist eine Sache der Persönlichkeit, Dummheit ist eine Sache der Persönlichkeit: Kluge und Dumme können intelligent sein. Der Kluge denkt nach und vermiedet es Information absolut zu setzen. Der Dumme bricht alles auf sein Meinen herunter und glaubt daran.

    Klugheit und Dummheit haben tatsächlich mit Perspektive zu tun: Der Kluge bedenkt viele verschiedene Sichtweisen, um sich eine eigene aktuelle und veränderbare Sicht der Dinge zu bilden. Der Dumme bricht alles auf seinen Standpunkt herunter.







    Klugheit und Dummheit sollten Thema nicht nur der psychoanalytischen Arbeit sein - weil wir Menschen nicht nur im Bezug auf uns selbst sondern auch im Hinblick auf die Wirklichkeit extrem unwissend sind. Ein gewisses Mass an Weisheit - das Wissen um die Konsequenzen von Klugheit und Dummheit - hätten wir bitterst nötig.

  • also für ein salongespräch würde ich von einem menschen, der dummheit als kategorie für seine arbeit ablehnt, es sich aber doch für sich entschieden hat, das zum thema seiner diskussion zu machen, erwarten, dass es schon ein wenig differenzierter zugeht: drogen sind dumm? drogenmissbrauch ist schädigend. es gibt durchaus psychoaktive substanzen, die das potenzial haben, einen erkenntnisgewinnend und ausgesprochen klug werden zu lassen. umweltzerstörendes verhalten ist dumm? alles menschliche verhalten in massengesellschaften zerstört die umwelt, wenn das bewusstsein darüber fehlt und dieser mangel das verhalten bestimmt, ist das dumm. gerade von einem psychoanalytiker erwarte ich, nicht einfach den paradigmatischen narrativen der zeit zu folgen. das finde ich dumm.

  • "Dummheit, die man bei den anderen sieht,



    Wirkt meist erhebend aufs Gemüt."



    (Wilhelm Busch)



    Bei wissen.de



    "dumm



    der Ausdruck geht zurück auf mhd. tumb, ahd. tumb; Quelle ist das germanische Wort *dumba– in der Bedeutung „stumm“, die sich über „mit stumpfen Sinnen“ zu „töricht, unerfahren“ entwickelte; gleichen Ursprungs sind auch engl. dumb und altfrz. dumb in ders. Bed."



    /



    Nützlich erscheint es schon vielen,



    Dummheit auch mal vorzuspielen,



    Denn anstrengend ist im Leben:



    'Schlaues immer von sich geben'.