Kindergrundsicherung im Ausschuss: Zu wenig Geld und zu wenig Zeit
Sozialverbände und Kommunen kritisieren den Entwurf zur Kindergrundsicherung. Er habe wenig Effekt, aber verursache bürokratischen Aufwand.
Die Kindergrundsicherung müsse deutlich mehr sein, als eine Verwaltungsänderung, sagt Andreas Ast vom Paritätischen Gesamtverband. Denn sie bündele zwar Leistungen, die Höhe selbst bleibe aber unverändert. „Arme Kinder bleiben arm“, sagt Ast. Das Existenzminimum müsse erhöht werden, fordern daher der Sozialverband VdK, der Paritätische und die Arbeiterwohlfahrt.
Auf Widerstand stößt vor allem der FDP-Vorstoß, Erwerbsanreize setzen zu müssen. Dies sollte nicht über die Kinder geschehen, sondern auf dem Arbeitsmarkt, sagt Alexander Nöhring von der Arbeiterwohlfahrt. Eine Kindergrundsicherung brauche eine gute finanzielle Ausstattung, fordert VdK-Chefin Verena Bentele und setzt auf die Bereinigungssitzung zum Haushalt.
Zudem sei es wichtig sicherzustellen, dass die berechtigten Personen sich künftig wirklich nur an eine Stelle wenden müssten. AWO-Vertreter Alexander Nöhring nannte es „fatal“, dass Kinder von Asylbewerberinnen und -bewerbern keine Kindergrundsicherung bekommen sollen.
Höher bürokratischer Aufwand
Neben den Finanzen kritisieren die Kommunalvertreter*innen vor allem den hohen bürokratischen Aufwand, die Kindergrundsicherung auf den Weg zu bringen. Auch der Zeitplan steht auf der Kippe.
Für die Bundesagentur für Arbeit sei die Umsetzung der Kindergrundsicherung zum geplanten Einführungstermin am 1. Januar 2025 „nicht realisierbar“, so Vanessa Ahuja. „Wir können die Aufgabe stemmen, brauchen aber Zeit“, sagt sie. Stattdessen plädiert Ahuja für eine schrittweise Einführung ab dem 1. Juli 2025. Das habe vor allem mit der IT-Infrastruktur, dem Personalaufbau und nötigen Schulungen zu tun. Ahuja zufolge sind für die Umsetzung mehr als 5.300 zusätzliche Vollzeitstellen nötig.
Eigentlich sollte das Gesetzesvorhaben Bürokratie abbauen, indem es bisherige Leistungen wie das Kindergeld, das Bürgergeld für Kinder, den Kinderzuschlag für gering verdienende Eltern und teilweise auch Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket unter dem Oberbegriff der „Kindergrundsicherung“ zusammenfasst. In der Umsetzung soll eine neu einzurichtende „Familienservicestelle“ bei der Bundesagentur für Arbeit dieseauszahlen.
Kommunale Mehrbelastung
Doch stattdessen klagen die drei kommunalen Spitzenverbände – der Städtetag, der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund eine Mehrbelastung an. Von wirklicher Vereinfachung und Entbürokratisierung könne keine Rede sein, klagt Marc Elxnat, Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Mit der neuen Familienservicestelle käme es zu Doppel- und Parallelstrukturen und einer deutlichen Verschlechterung der flächendeckenden Erreichbarkeit und Beratung, kritisiert der Deutsche Landkreistag in einer Stellungnahme.
Vergangenen Donnerstag hat der Bundestag mit der Beratung über den Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung begonnen. Der Entwurf ist ein Kompromiss, um den Familienministerin Lisa Paus (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) monatelang gerungen haben. Bis Mitte Dezember soll der Bundestag das Gesetz beschließen. Anfang Februar soll das Gesetz durch den Bundesrat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen