piwik no script img

Zukunft des 49-Euro-TicketsDeutschlandticket nur kurz sicher

Bund und Länder konnten sich auf keine langfristige Finanzierung der Fahrkarte einigen. Laut Verbänden geht das auf Kosten der Kunden.

Noch sind Regionalzüge wie dieser am Berliner Hauptbahnhof für 49 Euro im Monat nutzbar Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin taz | Bund und Länder wollen das Deutschlandticket 2024 erhalten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen der Länder haben sich am Montag in Berlin dafür ausgesprochen, das Ticket fortzuführen und weitere Schritte für die Finanzierung im nächsten Jahr einzuleiten.

„Das ist eine gute Entscheidung“, sagte der Chef der Verkehrsministerkonferenz, Oliver Krischer (Grüne), auf Anfrage der taz. „Aber eine langfristige Finanzierung des erfolgreichsten Tickets in der ÖPNV-Geschichte ist leider nicht erreicht worden.“ Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom späten Montagabend lässt also annehmen, dass die bundesweit gültige ÖPNV-Fahrkarte im Laufe des Jahres 2024 teurer wird.

Scholz und die Lan­des­che­f:in­nen wollen das 49-Euro-Ticket zunächst mit einem Rest des Budgets aus dem Jahr 2023 am Leben halten. Dafür ist eine Gesetzesänderung nötig, die nun in die Wege geleitet werden soll. Die Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen der Länder sollen den Auftrag erhalten, ein Konzept zur Weiterführung des Tickets ab 2024 vorzulegen – rechtzeitig vor dem einjährigen Jubiläum des Tickets am 1. Mai 2024.

Laut MPK-Beschluss sollen Bund und Länder die weitere Finanzierung und einen Mechanismus zur Fortschreibung des Ticketpreises aushandeln, „der auch eine Erhöhung beinhalten kann“. Erweiterungen des Deutschlandtickets, etwa durch ein bundesweit gültiges Semesterticket oder ein günstigeres Sozialticket, kamen nicht zur Sprache.

Zusatzzahlungen von Bund und Ländern ausgeschlossen

Seit Monaten schwelt der Streit darum, wie die durch das Ticket zusätzlich anfallenden Kosten 2024 gedeckt werden können. Die Grundkosten von 3 Milliarden teilen sich Bund und Länder. Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) rechnet für das nächste Jahr mit Mehrkosten von rund 1,1 Milliarden Euro. 700 Millionen würden laut VDV durch das Restgeld aus diesem Jahr gedeckt. Übrig blieben 400 Millionen Euro. Die Lan­des­ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen hatten sich im Vorfeld der MPK dazu bereit erklärt, 200 Millionen zu übernehmen – und forderten, dass die anderen 200 Millionen aus Bundestöpfen gezahlt werden.

Bund und Länder haben es versäumt, Ver­brau­che­r:in­nen Planungssicherheit zu geben

Ramona Pop, Verbraucherzentrale

Nun wollen Bund und Länder die Zusatzkosten, die das Ticket 2024 verursachen wird, genau berechnen. Eine Einigung darüber, wie sie gedeckt werden sollen, wenn das Restbudget aus 2023 nicht ausreicht, blieb im Detail aus. Dass die Länder zumindest einen Teil der Kosten tragen, wie es zuvor von den Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen hieß, scheint nun ebenfalls nicht mehr sicher. Olaf Scholz und die Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen sehen vor, mit dem angepeilten Konzept der Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen „eine weitere Nachschusspflicht durch Bund und Länder“ 2024 auszuschließen.

„Das Gezerre um die Finanzierung des Deutschlandtickets geht in die nächste Runde“, kommentierte Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). „Bund und Länder haben es versäumt, Ver­brau­che­r:in­nen Planungssicherheit zu geben.“ Kun­d:in­nen müssten mit Preiserhöhungen rechnen, das mache das Deutschlandticket weder attraktiver noch verlässlicher. „49 Euro sind für viele Menschen bereits die Schmerzgrenze“, so Pop. „Statt die Kosten auf die Ver­brau­che­r:in­nen abzuwälzen, sollten Bund und Länder ihre Mittel erhöhen und für einen besseren und bezahlbaren Nahverkehr sorgen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Warum diese Verunsicherungen? Nur kurz sicher? Das bezweifel ich. Das D-Ticket läuft weiter. Auf jeden Fall!

    Es gibt keine Alternative zu einer einfachen und sehr preisgünstigen Ticketstruktur, wenn man effektiv eine Verkehrs- und Klimawende bis 2030 hinbekommen will.

    Und Wissing will auch Frankreich mit ins Boot holen:

    www1.wdr.de/nachri...ro-ticket-100.html

    Das D-Ticket könnte der Auftakt für ein völkerverbindendes F-A-Ticket (France-Allemagne Ticket) sein.

    Das ist besonders wichtig für die Menschen, die in der deutsch- französischen Grenzregion wohnen.

    Und natürlich muß alle Öffi-Tickets/der Öffi Treibstoff steuerbefreit werden.

    Wie es beim Flugbenzin (Kerosin) und der Grundsteuerbefreiung der Flughäfen ja auch bereits praktizierte Realität ist (!).

  • @GNUTELLABROT MERZ

    So sieht es aus. Ich denke, es ist noch ein Tick schlimmer: wenn die Stückzahlen bei der Automobilindustrie sinken (und das ist abzusehen), dann werden die Preise steigen. Wodurch die Stückzahlen...

    Davor haben diese Verbrennungsmänner grosse Angst, deshalb drücken sie jetzt mit aller Gewalt (buchstäblich) noch schnell SUVs ins Volk.

    Daher der (scheinbar) irrationale Hass auf die "Klimakleber".

  • Den alten weißen Verbrennermännern aus FDP, CDU, CSU und SPD ist so eine ÖPNV Flatrate ein riesiger Dorn im Auge. Die sind so rückwärts gewandt, das kann man gar nicht in Worte fassen. Aber schwören, dass sie Schaden vom Volk abwenden…

    • @Gnutellabrot Merz:

      ???



      Aber Wissing ist doch FDP.



      Von ihm stammt diese Idee.

      Gegen diese ÖPNV-Flatrate hat keine Partei etwas.

      Die Landesregierungen wollen bloß nicht dafür zahlen.

  • Ich denke. wenn die Möglichkeit der Kündigung des Deutschlandtickets flexibler wären, würden weniger Menschen jeden Monat ein neues Abonnement abschließen und gleich wieder kündigen.

  • Das Gezerre zeigt, wie verkehrt die Strategie der Letzten Generation ist, hauptsächlich in Berlin Aktionen zu fahren.

    Die Regierungen der Länder müssen viel stärker unter Druck gesetzt werden.

  • Wumms.

    Derweil machen die Autohersteller insbesondere durch das massive Drücken von SUVs in den Markt [1] tränentreibende Gewinne. Derweil tut die Autolobby alles (auch ein geheimes Treffen von Thierry Breton mit dem BMW-Chef Oliver Zipse ist dabei -- das gar nicht geheim hätte sein dürfen) [2], um unsere Atemwege auch bis 2050 zu erfreuen.

    Eine einzige Autobahn einzusparen könnte dieses Ticket für die nächsten Jahre finanzieren.

    Eine Sonderabgabe auf superschwere Autos noch einmal.

    [1] www.theguardian.co...e-uk-do-about-suvs



    [2] www.theguardian.co...-industry-lobbying