Feminismus-Buch von Stefanie Lohaus: Was erkämpft worden ist

„Missy Magazine“-Mitgründerin Stefanie Lohaus geleitet kurzweilig durch die Geschichte des Feminismus in Deutschland – und wagt einen Ausblick.

Schwarzweiß-Fotografie ais dem 70 Jahren: Mehrere Frauen laufen skandierend auf der Straße

Mainz, 9. September 1978: Frauen demonstrieren für Lohngleichheit Foto: Klaus Rose/imago

Dass Feminismus lange Zeit kein positiv besetzter Kampfbegriff war, lässt sich heute angesichts der Flut an Tassen und T-Shirts mit ebenjener Aufschrift leicht vergessen. Angela Merkel reagierte noch 2017 zurückhaltend auf die Frage, ob sie sich als Feministin bezeichne. Vier Jahre später antwortete die damalige Kanzlerin mit Ja. Die niederländische Königin Maxima hatte sie überzeugt. Dass 2013 selbst Popstars wie Lady Gaga oder Björk das Label ablehnten, ruft Stefanie Lohaus in Erinnerung. In „Stärker als Wut“ lässt sie die jüngere deutsche Feminismusgeschichte Revue passieren.

Das Gefühl, dass das alles schon lange her sei, ist eng verwandt mit der Haltung, die Gleichheit der Geschlechter sei längst erreicht, Feminismus überflüssig; eine Aussage, mit der sich Frauen immer wieder konfrontiert sahen. Und die sich stets als falsch herausstellte, wie man liest.

Erst 1997 wurde etwa Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt – was Konservative wie Friedrich Merz und Horst Seehofer ablehnten. 20 Jahre zuvor konnte die Frauenbewegung die Anpassung des Paragrafen 1356 BGB als Erfolg verbuchen: Das Recht der Männer, eigenständig den Job ihrer Ehefrauen zu kündigen, wurde abgeschafft.

Die 1978 geborene Lohaus verknüpft die Geschichte des Feminismus eng mit ihren privaten Erfahrungen, dem Aufwachsen als Kind geschiedener Eltern, dem Erwachsenwerden in den 90er Jahren, die aus feministischer Perspektive oft als ereignislos beschrieben werden. Was laut Lohaus gar nicht stimmt.

Stefanie Lohaus: „Stärker als Wut. Wie wir feministisch wurden und warum es nicht reicht.“ Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, 271 Seiten, 20 Euro

Inwieweit vom Privaten allgemeingültig der politische Ist-Zustand abzuleiten ist, lässt sich insbesondere im Abschnitt zu Lohaus’ Auslandsjahr in den USA fragen. Dort trifft sie echte „Riot Grrrls“, die sie mit deutschen Viva-Moderatorinnen in Verbindung bringt, und benennt die Rassismuserfahrungen Schwarzer Freundinnen als Anfangspunkt ihrer Auseinandersetzung mit Diskriminierung.

Pointierter Rückblick auf die Popkultur

Stellenweise gerät das Buch hier etwas lang. Trotzdem liest sich die Analyse der gesellschaftlichen Debatten der Zeit und der Rückblick auf die Popkultur derart pointiert gewinnbringend. Es ist zudem durchaus nachvollziehbar, dass Lohaus die Geschichte des Feminismus’ mit der eigenen verknüpft. Als eine der Gründerinnen des feministischen Missy-Magazins hat sie daran immerhin mitgewirkt.

Dass sich die Geschichte der Frauenbewegung fortschreibt, ist auch an ihrem Namen zu sehen: Heute ist meist von Frauen* oder FLINTA die Rede. Lohaus geht auf jüngere Debatten ein, erklärt Intersektionalität, bezieht Stellung in Bezug auf Transrechte. Dass feministische Errungenschaften auch wieder zunichte gemacht werden können, zeigte sich zuletzt in den USA, wo nach einer Entscheidung des Supreme Courts im letzten Jahr Abtreibungen in einigen Staaten nun wieder unter Strafe stehen. Hierzulande würde, wenn sie könnte, die AfD die Uhr ebenfalls zurückdrehen. Abtreibungen lehnt die Rechtsaußenpartei ebenso ab wie die Ehe für alle.

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