: Krawallig oder konstruktiv?
Nach zwei weiteren Wahlschlappen der FDP sieht Christian Lindner die gesamte Ampel in der Pflicht
Von Jasmin Kalarickal
Der Tag nach den Landtagswahlen folgt eigentlich einem klaren Ritual. FDP-Chef Christian Lindner stellt sich mit den jeweiligen Spitzenkandidat*innen in der Berliner Parteizentrale vor die Kameras und dann beginnt die Analyse. Oft sind es Sternstunden der politischen Schönfärberei. Aber an diesem Montag nach den Wahlen in Bayern und Hessen gibt es nicht viel schönzureden. Die FDP habe „zweimal Niederlagen hinnehmen müssen“, stellt Christian Lindner nüchtern fest. Das sei „unbefriedigend“. In Bayern flogen die Liberalen nach dem vorläufigen Wahlergebnis mit 3 Prozent aus dem Landtag. In Hessen schafften sie mit 5 Prozent nur denkbar knapp den Wiedereinzug. Damit verstetigt sich der bisherige Trend: Seit die FDP Teil der Ampelregierung ist, konnte sie bei den Landtagswahlen keinen einzigen Erfolg für sich verbuchen.
Der bayerische FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen sprach von einem „schwarzen Tag für die bayerische FDP“. Und Stefan Naas, der für die hessische FDP den Wahlkampf bestritt, sagte, man habe „das Wahlziel, Schwarz-Grün zu beenden, nicht erreicht“. Doch keiner der drei geht näher auf landespolitische Besonderheiten ein, denn in der Analyse scheinen sich alle einig. Die bundespolitischen Großthemen wie wirtschaftliche Entwicklung, Migration oder Klima- und Energiepolitik hätten die Menschen laut Lindner „elektrisiert und mobilisiert“. Dabei seien das alles „Themen der FDP, die aber nicht zur Wahl der FDP geführt haben“, so der Parteichef: Die Partei habe ihre Themen wie Wirtschaft stärken oder „Migration ordnen und begrenzen“ nicht „sichtbar, glaubwürdig und motivierend darstellen können“. Sein persönlicher Anteil daran sei „wie von allen anderen groß“.
An diesem Punkt endet auch die Selbstkritik von Christian Lindner. Schließlich hätten alle Ampelparteien „Federn lassen müssen“. Der Auftrag sei nun, „die Regierungsarbeit kritisch zu prüfen“. Eine erste Gelegenheit für einen Austausch könne der nächste Koalitionsausschuss am 20. Oktober sein.
Lindner jedenfalls wünscht sich eine „Asylwende“ im Land. In der EU seien mittlerweile die Voraussetzungen geschaffen worden, die nun „mit Maßnahmen im Inland unterfüttert werden“ müssten – etwa „schnellere Abschiebungen“ oder der Wechsel von Geld- hin zu Sachleistungen für Asylbewerber*innen. Das klingt nach Zoffpotenzial.
Doch eine Absage an die Ampel insgesamt will Lindner nicht erkennen: Die FDP sei eine „staatstragende Partei“. Man wolle sich strikt „an der Sache orientieren“, „idealerweise geräuscharm“. Ob das eine Botschaft ins Innere seiner Partei sein sollte, blieb offen.
FDP-Politiker Frank Schäffler kritisierte am Wahlabend: „Die Ampelkoalition hängt wie ein Mühlstein um unseren Hals.“ Und Vize-Chef Wolfgang Kubicki forderte einen Kurswechsel in der Ampel. „So kann es nicht weitergehen“, ließ er sich in der Bild zitieren. Man müsse in Berlin endlich aufnehmen, „was die Menschen bewegt“. Nur gibt es unterschiedliche Vorstellungen, was das sein kann. Nach jeder verlorenen Landtagswahl stellt sich die Frage, welchen Kurs die FDP in der Ampel fahren will, um ihre Pleitenserie zu beenden. Mehr Krawall oder konstruktives Regieren?
Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, befürchtet Schlimmes. Nach der Wahlniederlage in NRW habe Lindner „sein völlig deplatziertes Gesetz zum Ausgleich der kalten Progression rausgehauen. 18 Milliarden, von denen zwei Drittel den Besserverdienenden zugute kamen“, kritisiert Schneider auf X. Völlig abwegig erscheint die Sorge nicht.
Der FDP-Abgeordnete Max Mordhorst, der im Finanzausschuss des Bundestages sitzt, erklärte gegenüber der taz: Die „irreguläre Migration“ müsse „runter, die Wirtschaftsleistung hoch“ – etwa durch „einen massiv erhöhten Steuerfreibetrag und ein späteres Greifen des Spitzensteuersatzes bei 100.000 Euro Jahreseinkommen“. Von der Reaktion der Koalitionspartner hänge „die Regierungsfähigkeit der Koalition“ ab. Milder klang FDP-Bildungspolitikerin Ria Schröder: Die FDP habe „Verantwortung übernommen in einer Zeit der Krisen“. Man werde „besonnen und professionell weiterarbeiten“.
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